“Solche Filme werden heute einfach nicht mehr gemacht.“ Diese abgedroschene Floskel beschreibt William Friedkins („The French Connection“, „To Live and Die in L.A.“) zu unrecht so völlig in Vergessenheit geratenen Abenteuerfilm ziemlich gut. Wenn sich etablierte Filmemacher obsessiv in ihre Projekte hineinsteigern, wägen in fast allen Fällen heute Produzenten nebst Studio die finanziellen Risiken ab und ziehen im Notfall die Reißleine. Dass es einmal andere Zeiten gab, zeigen Werke wie „Apocalypse Now“, „Heaven's Gate“ oder eben auch „Sorcerer“, deren widrige Produktionsgeschichten mindestens genauso interessant sind, wie die Filme selbst.
Friedkins Neuverfilmung des Arnaud-Romans „Le Salaire de la Peur“, bereits von Henri-Georges Clouzot 1953 durch den Klassiker „Lohn der Angst“ gewürdigt, hatte schon im Vorfeld der kniffeligen Dreharbeiten mit einigen Problemen zu kämpfen, sprengte später das Budget und war an den Kinokassen schließlich eine einzige Enttäuschung, was wohl auch ein Hauptgrund dafür gewesen dürfte, dass „Sorcerer“ bis jetzt nie eine würdige Veröffentlichung erhielt. Im Ausland gingen die Verleiher, in dem Irrglauben dem Publikum einen Gefallen zu tun, schnell dazu über das finanzielle Desaster radikal zu kürzen. Der Flop war perfekt und der Ruf gänzlich ruiniert.
Dabei hatte Friedkin viel Herzblut in den Film investiert, obwohl er bereits früh Kompromisse eingehen musste, nachdem er sich mit seinem Wunschdarsteller Steve McQueen („The Getaway“, „Papillon“) nicht einigen konnte, die möglichen Alternativen absagten und er notgedrungen wenig begeistert Roy Scheider („Jaws“, „Blue Thunder“) für die Hauptrolle verpflichtete.
Schwierigkeiten am Set mit einigen Crew-Mitgliedern, ein völlig aus dem Ruder laufendes Budget, unplanmäßige Wetteränderungen und sein kostspieliger Perfektionismus brachten den Film schon im Vorfeld negative Stimmen ein, die ein Indikator für einen Misserfolg sein sollten. Sie hatten Unrecht.
Mit „Sorcerer“ gelang William Friedkin ein ungeheuer spannender Abenteuertrip nach Südamerika, wo vier Männer die gefährliche Aufgabe annehmen, zwei LKW-Ladungen mit Dynamit 218 Meilen durch unwegsames Dschungel-Gelände zu einer brennenden Ölquelle zu transportieren. Der dortige Brand soll mithilfe einer Explosion erstickt werden. Die verantwortliche Gesellschaft steht unter hohem Termindruck und bietet jedem Fahrer für den gefährlichen Job eine fürstliche Summe von 20.000 Dollar an. Der hohe Lohn hat seinen Grund. Der Sprengstoff wurde falsch gelagert. Das hochexplosive Nitroglyzerin ist aus den Dynamitstangen in die Kisten gelaufen und macht die Fahrt damit zu einem Himmelfahrtskommando.
Allerdings haben die Männer, deren Vorgeschichten Friedkin nacheinander jeweils ein Kapitel widmet, nichts zu verlieren. Sie alle mussten aus unterschiedlichen Gründen aus ihrem Heimatland flüchten, weil sie um ihr Leben fürchten und sind schließlich in diesem kleinen Nest mitten im südamerikanischen Niemandsland gestrandet, von wo es ohne entsprechendes Kapital kein Entrinnen mehr gibt...
William Friedkin drehte die Expositionen in den jeweiligen Landessprachen an Originalschauplätzen, komponiert von der ersten Minute an real-schmuddelige Bilder, die „The French Connection“ schon so beispielhaft prägten, und führt nach rund 25 Minuten völlig unterschiedliche Individuen in diesem kleinen Dorf in Südamerika zusammen, wo sich jeder ohne Aussicht der verkorksten Situation jemals wieder entrinnen zu können mit Gelegenheitsjobs gerade so über Wasser halten kann. Die einzigartige Möglichkeit ihrem tristen Schicksal zu entrinnen, wollen viele ergreifen, nach einer Auswahl bleiben aber letztlich nur vier Männer übrig, die aus schrottreifen Wracks zwei funktionstüchtige LKWs zusammenbauen und mit gebührendem Sicherheitsabstand in den Dschungel tuckern. Wenn einer nicht durchkommt, hat immer noch der andere die Chance das Geld zu kassieren.
Spannung und Atmosphäre schreibt William Friedkin ganz groß, wenn das Quartett sich unter den widrigsten Wetterumständen seinen Weg durch den Dschungel bahnt und dabei immer wieder vor schier unüberwindliche Probleme gestellt sieht. Die nervenzerfetzende Überquerung des reißenden Flüsses über die baufällige Hängebrücke ist natürlich die legendärste Stelle des Films, aber beileibe nicht der einzige Höhepunkt. Knarzende Stege, umgefallene Mammutbäume, enge Passstraßen und zwielichtige Wegelagerer lauern ihnen auf. Sintflutartige Regenfälle, die die Piste in einen matschigen Sumpf verwandeln, machen den Männern das Leben schwer und treiben sie an die Grenzen der psychischen und physischen Belastbarkeit.
Der stets präsente, prägende Synthesizer-Score Tangerine Dreams („Thief“, „The Keep“) bildet das besondere i-Tüpfelchen und fördert die Anspannung besonders in den schier ausweglosen Situationen weiter. Komponiert wurden die Stücke allein auf Basis des Drehbuchs. Friedkin war so fasziniert von der Musik, dass er Tangerine Dream unkonventionell einfach das Skript zusandte und hinterher lediglich ein paar Anpassungen vornahm.
Als Kritikpunkt lässt sich dagegen das Fehlen von Identifikationsfiguren vermerken. Da jeder seine brisante Vergangenheit, die letztlich zur Flucht nach Südamerika führte, für sich behalten möchte, und die Gruppe nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft darstellt, ist keiner großartig daran interessiert seinem nächsten seine Geschichte zu erzählen. Angesichts der Anstrengungen und der zwingenden Konzentration der Fahrt kann man es ihnen allerdings kaum übel nehmen, dass sie nicht viel zu sagen haben. Die persönlichen Einleitungen der Schlüsselfiguren, die aber eigentlich nur die jeweiligen Auslöser der Fluchten dokumentieren, stellen die Beteiligten auch nicht näher vor. Damit haben die soliden Schauspieler teilweise ebenfalls ein Problem, wenn sich der Fokus auf ihre Filmcharaktere richtet. Dies ist aber selten der Fall, denn William Friedkins atmosphärische Inszenierung steht ganz klar im Vordergrund und ist letztlich der Schlüssel zum Erfolg.
Fazit:
„Sorcerer“ kann Clouzots Adaption durchaus Paroli bieten. William Friedkins leidenschaftliche Inszenierung garantiert einen spannungsgeladenen Abenteuerfilm der Extraklasse mit legendären Höhepunkten und famosen Kulissen. Der unverwechselbare Score Tangerine Dreams unterstützt die beeindruckenden Bilder nahezu perfekt, während die Darsteller an ihre körperlichen Grenzen gehen. Leider gesteht Friedkin seinen Figuren nur die notwendigste Zeit zur Entfaltung. Die problematischen Umstände der Produktion sieht man dem Endresultat jedenfalls nicht an, haben ganz im Gegenteil Friedkin erst zu dieser Höchstleistung angespornt. Eine würdige Veröffentlichung wäre längst fällig.