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Auch wenn hier - wie so oft - der deutsche Titel nicht das Geringste mit dem Originaltitel zu tun hat, so kann man doch feststellen, daß der deutsche Verleiher dem Film von Damiano Damiani damit einen Gefallen getan hat. Der im Original lautende Film "Das Geständnis eines Polizeikommissars vor dem Staatsanwalt der Republik" macht einen dermaßen staubtrockenen Eindruck, daß damit sicherlich deutlich weniger Zuseher angelockt worden wären. Und letztendlich treffen beide Titel genau den Charakter des Films, der beide Seiten - hier die plakative Action, da die sprachintensive Aufarbeitung der politischen und mafiösen Verstrickungen bis in höchste Staatsämter - kongenial vereint.

Zuerst aber lebt der Film von zwei überragenden Darstellern - Franco Nero und Martin Balsam - die hier schon deutlich früher als z.B. in "Heat" oder dem Französischen Pendant dazu in "36" eine Auseinandersetzung auf höchstem Niveau zelebrieren.

Franco Nero spielt den jungen Staatsanwalt Treni, der in Palermo auf Sizilien seinen Dienst antritt, und mit moralisch einwandfrei seinen staatlichen Auftrag, den Bürger vor dem Verbrechen zu schützen, umsetzt. Franco Nero, der schon zuvor mit Damiani "Der Tag der Eule" drehte und durch die "Django" Filme berühmt wurde, strahlt hier eine glatte,nahezu asketische äußerliche Perfektion aus ,gepaart mit einer intellektuell gebildeten Attitüde, so daß man schon von einer untypischen Rollenwahl sprechen könnte. Nero hatte die Wahl zwischen den beiden Hauptrollen gehabt und so erstaunt es vordergründig, daß er nicht den Part des harten, kompromißlosen Polizeikommissars übernommen hat. Doch gerade deshalb ist er die ideale Besetzung des korrekten Staatsanwaltes, denn durch seine Präsenz und unter der äußerlichen Fassade zu spürenden Energie, gelingt es Nero dieser eher unpopulären Figur Sympathien einzuhauchen.

Martin Balsam dagegen gibt mit seinen weicheren ,älteren Zügen den desillusionierten Widerpart. Schon in den ersten Szenen des Films ist zu erkennen, daß er die korrekten Wege der polizeilichen Vorgehensweise verlassen hat. Man sieht ihn in einer Nervenheilanstalt zwei Ärzte mit erpresserischen Argumenten dazu auffordern, einen gefährlichen Straftäter innerhalb von 2 Tagen freizulassen. Fast wie bei einem Countdown erwartet er darauf hin eine polizeiliche Meldung über einen Mordanschlag, der dann auch eintritt und der Staatsanwalt Treni auf den Plan ruft. Allerdings ist das Ergebnis nicht ganz so ausgefallen ,wie sich das Polizeikommissar Bonavia vorgestellt hatte.

Nachdem Damiani in den ersten Minuten auf Action setzt, beginnt er mit der Begegnung der beiden Protagonisten einen langen sprachlichen Diskurs, der ausschließlich von der Brisanz ,entstanden aus der unterschiedlichen Lebenseinstellung der Beiden ,lebt. Treni kommt dem Kommissar schnell auf die Schliche ,kann ihm aber anfänglich nichts beweisen. Zwischen deren Treffen streut der Film immer wieder kleinere Szenen ein, die die Charaktere vertiefen. So erkennt man, daß Bonavia trotz seiner äußerlich schroffen Art, sehr genau bei der Qualität der Straftaten unterscheidet und z.B. einen jugendlichen Attentäter schützt und sein Vergehen nicht überbewertet. Auch sieht man ihn nach dem Sex mit einer Frau in seiner Wohnung, ohne daß der Film verdeutlicht, in welcher Beziehung er zu ihr steht. Treni dagegen telefoniert nur mit seiner kranken Mutter und scheint über kein Privatleben zu verfügen - der Gedanke ,er könnte schwul sein, wird offen von Bonavia ausgesprochen. Zwar von ihm bewußt als Diffamierung ausgelegt, aber auch im Film nicht explizit widersprochen.

Die Qualität des Films zeigt sich zusätzlich in der Person des "Verbrechers", dem Bauunternehmer Lipuma. Insgesamt widmet Damiani den mafiösen politischen Verstrickungen nur wenig Zeit, bleibt dabei aber sehr prägnant. Denn die Selbstverständlichkeit der Drahtzieher, mit der sie ihre Tätigkeiten ausüben, und die sie als angesehene Mitglieder der Gesellschaft ausweisen,verdeutlicht, wie stark das Verbrechen schon die Gesellschaft unterwandert hat. Die von Damiani gezeigte Straftat ist von alltäglichster Qualität. Ein Unternehmer kauft Ackerland für wenig Geld auf, daß dann an Hand eines Bebauungsplans zu wertvollem Bauland wird .So etwas funktioniert nur mit besten Beziehungen zu verantwortlichen Politikern und Beamten und wer möchte behaupten, daß so etwas nicht auch heute noch jederzeit möglich ist. Lipuma selbst ist ein intelligenter, souveräner Geschäftsmann, dessen Gefährlichkeit nur selten aufblitzt, der sich aber nicht scheut, für die Durchsetzung seiner Ziele Morde begehen zu lassen und die Leichen in Bauteilen seiner Neubauten verschwinden zu lassen.

Damiano Damiani gelingt an Hand der sehr differenzierten Ausgestaltung seiner zwei Hauptdarsteller, die argumentativ gleichwertig sind, ein klassischer gesellschaftspolitischer Diskurs, der seine Aktualität bis heute nicht eingebüßt hat. Wie weit darf das Gesetz gehen, wenn es merkt, daß es die Täter auf normalem Weg nicht überführen kann ? - Welche moralischen Gesichtspunkte sind für mein Handeln verantwortlich ? - Bin ich nicht moralisch einwandfreier, wenn ich Verbrecher auch mit unlauteren Methoden unschädlich mache, als wenn ich mich zwar an die Statuten des Gesetzes halte, damit aber die Täter laufen lassen muß ?

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Filmen, die diese Thematik zumindest anrühren. Zum Beispiel die "Lethal Weapon" Filme leben davon, daß die Hauptpersonen ständig eigene Wege gehen, um die Bösen zu überführen bis hin zur Selbstjustiz. Aber hier wird das deutlich plakativer gezeigt und die Filme geben darauf eine populäre ,eindeutige Antwort. Letztendlich ist das Thema hier nur psychologisches Beiwerk für die Action.

"Der Clan der seine Feinde lebendig einmauert" dagegen nimmt sich dieses Themas ernsthaft an und ist jederzeit entlarvend bezüglich der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Macht einzelner Gruppen, die von der Polizei nicht eingeschränkt werden kann. Doch trotz des zynischen Blicks auf die scheinbare Hoffnungslosigkeit der Lage, sieht Damiani auch eine Chance darin, sich nicht auf die selbe Ebene wie die Verbrecher zu begeben.

Fazit : äußerst genauer, bis ins Detail entlarvender Polit-Thriller, in dessen Mittelpunkt ein desillusionierter Polizeikommissar und ein junger Staatsanwalt stehen. Damiani nimmt sich viel Zeit für die Gespräche zwischen den Beiden und läßt daraus einen Diskurs über die Moral und die Mittel entstehen, Mafia ähnliche Strukturen zu bekämpfen, die der Film letztendlich nicht beantwortet.

Diese Auseinandersetzung auf höchstem Niveau wird in eine unterhaltende Story eingebettet, bei der auch Härten gezeigt werden und nicht zuletzt die Tätigkeit, die dem deutschen Titel den Namen gegeben hat. Insgesamt ist "Der Clan der seine Feinde lebendig einmauert" ein sprachintensiver Film, in dem Damiani auch dank seiner brillanten Schauspieler eine höchst qualitative und in seiner Klarheit und Objektivität selten gelungene Darstellung der Symbiose aus Politik, Geschäft und die dazu gehörende brutale Umsetzung dieser Interessen zeigt.

Zynisch, düster und ohne Illusionen, aber mit ein klein bißchen Hoffnung (10/10).

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