Der Mann ist Legende. Harrison Ford hat den Jedi-Rittern die Show gestohlen, definierte als peitschenschwingender Schlapphutträger den Prototypen des klassischen Abenteuerhelden, prägte als Replikantenjäger einen den besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten und konnte darüber hinaus zweimal als Tom Clancys Galionsfigur überzeugen. Dies ist nur ein kleiner Abriss von dem, was Ford in seiner Karriere geleistet hat. Er galt als Zuschauermagnet und Erfolgsgarant, strich Rekordgagen ein und konnte sich die lukrativen Rollenangebote aussuchen. Das war einmal.
Seit einigen Jahren greift der sympathische Mime allerdings konsequent zu den falschen Rollen, in denen er auch noch all das vermissen lässt, was ihn vormals so auszeichnete. Ford kam trotz seiner Figuren immer down to earth wie ein umgänglicher Kumpeltyp aus der Nachbarschaft rüber, der auch so seine Macken hat und kein Superheld war. Diese einnehmende Art und sein gewinnendes Charisma scheint der Mann in den letzten Jahren irgendwo vergessen zu haben und sucht seitdem fieberhaft danach – bis jetzt ohne Erfolg.
Vor allem die jüngsten „K-19: The Widowmaker“ und „Hollywood Homicide“ waren herbe Enttäuschungen, die seiner nicht würdig waren.
Also dachte er wohl mit „Firewall“ auf ein sicheres Pferd zu setzen, das ihm zumindest endlich mal wieder einen kommerziellen Erfolg bescherte. Nun, der Film lief sehr bescheiden, ist grundsätzlich nur handzahme Konfektionsware und, das ist eigentlich das Schlimmste, der blasse Harrison Ford agiert auch noch sehr austauschbar. Diese Rolle hätten auch genügend andere Schauspieler auf diese Art und Weise interpretieren können. Ford will mich mit seinen deutlich im Gesicht abzeichnenden 64 Lenzen als Familienvater, Computerexperte und renitenter Kämpfer einfach nicht mehr überzeugen.
Woran liegt es also, dass „Firewall“ nicht mehr als Unterhaltungskost von der Stange aus Hollywood wurde?
Wohl am ehesten an den Machern dahinter, denn Drehbuchautor Joe Forte ist ein unbeschriebenes Blatt und Regisseur Richard Loncraine („Bellman and True“, „Wimbledon“) zudem nicht gerade das, was man einen Thriller-Experten nennt, auch wenn er den Stoff schon einmal als „Bellman and True“ verfilmte. Die beiden haben es vielleicht gut gemeint, aber sehr vorhersehbar und überraschungsfrei umgesetzt:
Jack Stanfield (Ford), Sicherheitsexperte einer kleinen Bank, kann sich nicht so recht mit der Fusion zwischen seinem Arbeitgeber und einer größeren Institution anfreunden, weil man sein Budget zu Lasten der Kunden senken möchte. Betrug gehört heutzutage zum Geschäft und ist eine akzeptable Nebenerscheinung. Außerdem hat ihm noch irgendwer Internet-Wettschulden angehängt. Was für ein Tag.
Die Offerte des Investors Bill Cox (solide: Paul Bettany, „Master and Commander: The Far Side of the World”, „Wimbledon”) ein eigenständiges Geschäft aufzubauen, reizt ihn in der momentanen Situation um so mehr. Nur nimmt Cox während eines gemeinsamen Geschäftsessens Jacks Frau nebst Sohn und Tochter zuhause als Geisel und will ihn dazu zwingen sich in seine eigene Bank zu hacken, um mehrere Millionen Dollar zu transferieren. Wie das geht, sollte er schließlich am Besten wissen. Er hat die Schutzmechanismen immerhin entwickelt.
So weit so schlecht. „Firewall“ entwickelt sich in Folge zu einem Thriller, dem jede Raffinesse und Originalität abgeht, der sämtliche Konventionen des Genres genügsam wiederkaut und in seiner offensichtlichen Vorhersehbarkeit den einen oder anderen Zuschauer mit Sicherheit erbost.
Wenn die Truppe moderner Bankräuber schon unmaskiert in das Haus eindringt, in den folgenden Stunden überall Haare und DNA-Spuren hinterlässt und sich dabei überhaupt keine Mühe gibt, die eigenen Spuren zu verwischen, kann man sich früh unschwer ausmalen, dass die Jungs entgegen allen freundlichen Bekundungen gewiss nicht vorhaben die Familie Stanford ungeschoren davon kommen zu lassen. Ganz im Gegenteil, sie bereiten sogar schon einen Sündenbock vor, der für die illegalen Umbuchungen gerade stehen muss. Man ahnt, worauf es hinaus läuft.
Kläglich versagt das armselige Skript bereits schon beim Spannungsaufbau, weil Ford irrsinnig lange danach fragen muss, was die Kidnapper / Bankräuber überhaupt von ihm wollen. Obwohl er angesichts seiner Position nur Eins und Eins zusammenzählen müsste, tappt er lange Zeit im Dunklen. Damit hat der Zuschauer, der das Motiv wesentlich früher durchschaut, indes keinerlei Probleme. Wenn ihm im trauten Kreis der verängstigten Familie lediglich erklärt wird, dass er am nächsten Tag mit Überwachungskamera und Mikrophon ausgerüstet die Bank betritt, um zunächst seinen Job zu machen, geht also schon der nächste Kniff des Drehbuchs verloren.
Denn man überwacht nicht nur ihn mit hochwertigen Equipment, sondern verwanzt auch noch komplett sein trautes Heim, indem sich seine Familie frei bewegen kann, was sich unschwer als unlogisches Gimmick entpuppt. Wenn man das Trio einfach ins Schlafzimmer sperren würde, hätte man den ganzen Ärger nicht, viel Aufwand gespart und ganz nebenbei auch jeden Fluchtversuche unterbunden. Warum diese Umstände in Kauf genommen werden, kann der Film leider nie erklären und auch nicht rechtfertigen, weil die omnipräsente Überwachung nie effektiv zum Einsatz kommt.
Harrison Ford steht im Büro am nächsten Morgen belauscht und beobachtet auf verlorenem Posten, zumal ihm schon der misstrauische Gary Mitchell (Robert Patrick, „Terminator 2: Judgment Day“, „The Marine“) nach dem Wutausbruch vom Vortag auf den Hacken steht. Vielleicht liegt es daran, dass die Marketingexperten mit dem Trailer schon zu viel verraten oder eine andere Art von Film suggerieren (nämlich einen Actionthriller mit viel Hack-Heckmeck), aber das Katz- und Mausspiel im Büro überzeugt leider überhaupt nicht. Obwohl Cox dort seine uneingeschränkten Möglichkeiten unter Beweis stellt und unbehelligt selbst auftaucht, bleibt Jacks erster Versuch die Pläne zu durchkreuzen ein lauwarmes Lüftchen, dem vor allem die Entfernung aller Hoffnung fehlt.
Richard Loncraine versteht es dabei nicht ansatzweise die dauernden Versuche Jacks, irgendwen über seine Situation in Kenntnis zu setzen, in kniffelige Momente zu verpacken. Ford rennt nur aufgelöst und halbwegs geschickt durch die Büros, scheitert aber dennoch und findet sich abends in den heimischen vier Wänden wieder, wo von Fluchtversuchen, über dem Verbrecher mit den menschlichen Zügen, bis zum statuierten Exempel alle genrebedingten Klischees zu Tisch gebeten werden.
Cox, von Bettany leider bisweilen zu ausdruckslos gespielt, bestraft einen Versager seines Teams, reagiert irgendwann dann auch entnervt mit härteren Bandagen auf den nicht aufgebenden Jack, kann aber nie ein Duell auf Augenhöhe mit Stanfield vom Zaun brechen. Trotz seiner offensichtlichen Kaltblütigkeit, die er auch mehrmals unter Beweis stellt, bleibt Cox nur ein Bösewicht aus dem Lehrbuch. Nach dem gängigen Muster gestrickt, aber ohne nennenswerte Attribute, die über seinen Stereotypen hinausgehen, obwohl er alle eventuellen Reaktionen seines Kandidaten einplant. Er droht viel an und wiederholt sich auch, lässt aber selten auch entsprechende Taten folgen, die seine Skrupellosigkeit unterstreichen.
Der sorgfältig geplante Coup nach improvisierter MacGyver-Manier (Als Ford zu basteln anfing, konnte ich mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen) erweist sich dann in der Ausführung eigentlich auch als viel zu unspektakulär und nebensächlich, obwohl er eigentlich den genialen Aufhänger darstellen soll. Kurz ein paar Mal in die Tastatur gegriffen, einen Anruf getätigt und das was es dann auch schon. Schon hat man die nächste spannende Sequenz verschenkt und hinter sich gebracht. Mehr sollen folgen (u.a. das ausbruchssichere Haus, das nie richtig zur Geltung kommt)
Einen durchschnittlichen Unterhaltungsgrad kann „Firewall“ sich dann noch bewahren, obwohl ihm sämtliche Drehbuchkniffe wie überraschende Wendungen fehlen und Ford das Schicksal am Ende selbst auf eigene Faust in die Hand nimmt. Der Weg dorthin war zwar betulich und das konstruierte Actionfinale ist ein herbeigeschriebener Jux sondergleichen, darf den Computerfachmann dann aber endlich handgreiflich werden lassen. Seinem Mörder zieht er nach seiner Rückkehr aus dem Büro zuhause zuerst die Kanne über den Schädel und mithilfe des GPS-Halsbandes seines Hundes fährt er dann zusammen mit seiner vorher gefeuerten Sekretärin („24“ – Star Mary Lynn Rajskub) zum Unterschlupf, um in Feuerbällen und zünftigen Prügeleien quer durch sämtliche Spanplatten seine Familie aus den Fängen der Verbrecher zu befreien. Hurra!
Die eklatanten Defizite des verantwortlichen Regisseurs kann dieses zwar actionreiche, aber genauso Makulatur betreibende Finale leider nicht mehr wettmachen. Die Abwesenheit von Thrill, Tempo und vor allem packender Atmosphäre, brachen „Firewall“ nämlich schon bei seiner langwierigen Exposition das Genick.
Umso enttäuschender fällt letztlich das Resümee aus. Denn „Firewall“ hat man in ähnlichen Varianten einfach schon zu oft gesehen. Trotzdem ließe sich aus so einer Prämisse viel mehr Potential herausholen. Dem verkabelten Harrison Ford dabei zuzusehen, wie er versucht den Anweisungen der Gangster zu entsprechen, gleichzeitig unter seinen Kollegen kein Misstrauen zu erwecken und auf eigene Faust nach einem Ausweg zu suchen, hätte ich mir zumindest spannender ausgemalt. Auch wenn er allen Mut zusammen nimmt und den Spieß umdreht, was im wirklichen Leben vermutlich kein Familienvater in Angst um seine Liebsten wagen würde, kann er als sorgendes Opfer niemals überzeugen. Dieses Manko lässt sich jedoch auch damit begründen, dass Ford inzwischen einfach zu alt für solche Rollen geworden ist und vielleicht endlich mal auf Figuren seines Alters umsatteln sollte.
Fazit:
Undynamisch, einfallslos und bieder umgesetzt, entpuppt sich „Firewall“ als höchstens mittelmäßiger Hollywood-Thriller, der ohne eigene Ideen und fehlenden Überraschungen vielleicht noch bei Genreneulingen einschlagen könnte.
Doch so, wie Richard Loncraine den Plot ohne überzeugende Twists, Höhepunkte oder zumindest inszenatorische Einfälle herunterspult, ohne sich auch nur einmal das Erstaunen der Zuschauer zu sichern, kann er sich trotz der erlesenen Besetzung (u.a. auch noch Virginia Madsen, Robert Foster, Alan Arkin) des Unmuts seines Publikums sicher ein. Hier war von Anfang an der Wurm drin und wo das vorhersehbare Drehbuch nicht in Erklärungsnot gerät, hilft eben Loncraine mit seiner uninspirierten Regie aus, die doch sehr nach Auftragsarbeit aussieht. Der dezente Humor vermag nur wenige Situationen zu retten. Überflüssig, langweilig und abgestanden.