Review

Mike Mendez is back! Auf diese Meldung kann es eigentlich nur drei Reaktionsarten geben: „Hell-Yeah!“, „Ach nee, bitte nicht!“ und „Wer?“ – Grauzonen sind angesichts seines bisherigen Schaffens (nahezu) ausgeschlossen. Die abgründige, satirische Groteske „Killers“, welche im Großen und Ganzen die Subtilität eines Vorschlaghammers aufweist, markierte 1996 sein Spielfilmdebüt, gefolgt von der überdreht-amüsanten Horrorkomödie „the Convent“ (2000) – jeweils keineswegs perfekte Werke, dennoch sehr kreative Low-Budget-Produktionen, welche, sofern man das Vermögen besitzt, sich auf sie und ihre gewollten Ausrichtungen einzulassen, eine Menge unterhaltsamen B-Movie-Spaß generieren. Seither hat Mike die Jahre damit verbracht, Investoren für sein Wunsch-Nachfolgeprojekt zu gewinnen, welches er hiermit vorlegt: „the Gravedancers“, ein interessanter, (für ihn ungewohnt) professionell bzw hochwertig umgesetzter Independent-Streifen erster Güte, der vermutlich alle drei erwähnten Parteien (zumindest in Teilen) ansprechen dürfte und seinen Regisseur vielen Kritikern gegenüber (in mancher Hinsicht) in einem anderen Licht präsentiert. Mendez goes Mainstream? Das nun auch nicht – aber gewisse Tendenzen in diese Richtung, quasi im Sinne eines leichten Abrundens der sperrigen Kanten seines bislang gewohnten Inszenierungsstils, sind nicht zu verkennen…

Der Unfalltod ihres einstigen College-Kumpels Devin vereint erneut die seit dem Abschluss getrennt voneinander verlaufenden Lebenswege der ehemaligen Kommilitonen Harris McKay (Dominic Purcell), Sid Vance (Marcus Thomas) und Kira Hastings (Josie Maran), als sie sich zu seiner Beerdigung zusammenfinden. Harris´ Frau Allison (Clare Kramer) beobachtet das Zusammentreffen ihres Mannes mit seiner ehemaligen Flamme (Kira) zwar argwöhnisch, vor allem da letztere die Trennung damals nicht gerade gefasst verkraftete, doch das nötige Vertrauen sowie die Erkenntnis, dass ein Einmischen ihrerseits nur schaden würde, ist vorhanden, weshalb sie sich nach der Trauerfeier zurückzieht und den Freunden die gemeinsame Zeit lässt. Aufgrund des Gesprächsverlaufs in einer Bar wird ihnen schnell klar, dass sie sich (mit Ausnahme von Sid) verändert bzw weiterentwickelt haben. Jener ist es dementsprechend, der das nicht wahrhaben möchte und sie schließlich dazu überredet, ihn auf den Friedhof zu begleiten, um sich würdig von ihrem Freund zu verabschieden – so wie der es gewollt hätte. Etliche Drinks sowie ein Kuss der ehemaligen Liebenden später, entdeckt Sid einen Brief zwischen den niedergelegten Blumen, dessen Inhalt, ein mysteriöses altes Gedicht, ihn sogleich anspricht, denn es beschriebt die Würdigung des Lebens per Tanzen an genau diesem Ort der Trauer. Angeregt von dem Alkohol, der vertrauten Gesellschaft und der Poesie der Worte, fangen sie nach einem kurzen Spaziergang übers Gelände tatsächlich an zu tanzen – auf einer Reihe abgelegener Gräber. Was sie nicht wissen, ist dass sie damit eine unheilvolle Ereigniskette in Gang setzen…

Nach einigen Tagen beginnen sich bestimmte Merkwürdigkeiten im McKay-Haushalt zu häufen: Zuerst nur in Form von seltsamen Geräuschen, welche zwischen den Wänden verlegten Rohren zugeschrieben werden, dann Türen, die ohne Zutun von einen Moment auf den nächsten mal offen, mal geschlossen stehen, und gar ein wie durch Geisterhand spielendes Klavier im Wohnzimmer. Stetig scheinen sich die Vorfälle zu häufen, und Allison gelangt schon bald zu der Überzeugung, dass Kira dahinter steckt – auch weil einige Telefonate abbrechen, sobald sie den Hörer zur Hand nimmt. Eine neue Alarmanlage wird installiert – doch mitten in der zurückerwähnten Sicherheit taucht plötzlich eine weibliche Gestalt in ihrem Schlafzimmer auf, welche spurlos verschwunden ist, als die benachrichtigte Polizei endlich eintrifft. Mit den Nerven am Ende und überschäumender Wut im Bauch, schnappt sich Allison ihren Mann und fährt los, um die verdächtigte Stalkerin aufzusuchen – schockiert finden sie Kira allerdings, schwer verprügelt sowie voller menschlicher Bissmahle, verstört in der Badewanne ihres total verwüsteten Hauses kauernd vor…

Im Anschluss an ihre Einweisung ins Krankenhaus, suchen die McKays Sid in seiner Wohnung auf, um bei ihm nach dem Rechten zu sehen: Er ist es, der ihnen Vincent (Tcheky Karyo) und Culpepper (Meghan Perry), zwei Parapsychologen der örtlichen Universität, vorstellt, die skeptisch auf einen Beweis der vorgebrachten Behauptungen warten – bis brennende Fußspuren vor ihren Augen einen auffälligen Pfad inmitten des Appartements hinterlassen. Folgende Untersuchungen und Bücherrecherchen ergeben, dass die gefundene Karte allem Anschein nach einen Fluch beinhaltete, durch den die Seelen der Personen, deren Gräber per Tanz geschändet wurden, genau einen Mondzyklus lang Zeit erhalten, die Entweiher in den Tod zu treiben bzw zu reißen. Jeder wird von eben dem Gespenst heimgesucht, auf dessen Ruhestätte er oder sie tanzte – und leider geschah das in just der Ecke des Friedhofs, in welcher früher der Abschaum der Gesellschaft zur Ruhe gelegt wurde: Sid hat es demnach mit einem pyromanischen Kind zutun, das in den Fünfzigern seine Familie verbrannte, Harris wird von einer Axt-schwingenden Klavierlehrerin gepeinigt, und die arme Kira erwischte es am schlimmsten, denn ihr Schinder ist ein Frauen-misshandelnder, sadomasochistischer (ehemaliger) Richter Schrägstrich Serienmörder. Geht es nach einer alten Literaturquelle, lässt sich der Fluch nur noch abwenden, indem man die betreffenden sterblichen Überreste in unbefleckte Erde umbettet: Auf den ersten Blick gelingt die umgehend in Angriff genommene Aktion, aber eine Reihe Umstände belehrt sie rasch eines besseren und zwingt sie dazu, in der alten, zwecks Praktikabilität unmittelbar am Friedhof gelegen Villa der Forscher Zuflucht zu suchen – von da an geht der wahre Horror erst richtig los…

Brad Keene und Chris Skinner griffen beim Verfassen ihres Drehbuchs auf einen klassisch-bewährten Aufbau zurück und reicherten diese Basis mit kreativen und originellen Einfällen an – was natürlich nicht darüber hinwegtäuscht, dass die Geschichte unglaublich haarsträubend daherkommt sowie zig Genre-übliche Klischees aufweist. Ersterer Umstand bzw Faktor wendet immerhin ab, dass jemand aufrichtig auf die Idee kommen könnte, die Story ernst zu nehmen und/oder das beabsichtige Augenzwinkern zu übersehen. Souverän variiert Mendez die Vielzahl der bekannten inhaltlichen Versatzstücke und spinnt daraus ein irgendwie frisch anmutendes Gesamtbild, das sich spaßig, abwechslungsreich und zugleich mustergültig Spannungs-fördernd entfaltet. Nach dem traditionell bösartig-aggressiven Einstieg, der nicht nur aufgrund der vortrefflichen Inszenierung prompt die Aufmerksamkeit des Publikums sichert, wird das Tempo merklich zurückgefahren und anschließend im Laufe des ersten Akts konstant gesteigert – die Figuren, inklusive der bestehenden Verbindungen zueinander, werden ruhig (nichtsdestotrotz straff) eingeführt, der für alle „befreiend“ wirkende Abend auf dem Friedhof kündigt das kommende Unheil anregend an, bevor die Gegenwart der Geister subtil per Kamerabewegungen und Soundeffekte ins Bewusstsein gerückt sowie die Intensität (im Einklang mit einer gedeihenden Bedrohung) zunehmend anschwillt. Althergebrachte Stilmittel (Geräusche, Andeutungen in den Schatten etc) erfüllen dienlich ihren Zweck, zumal sie nicht überreizt werden – eine dichte Atmosphäre festigt sich. Die Frau im Schlafzimmer (kurz vorm Entdecken der gequälten Kira) hebt das Geschehen genau im richtigen Moment auf die nächste Ebene – zu der psychischen Komponente gesellt sich eine physische, welche nun aktiv die Protagonisten angreift, u.a. im Rahmen einer großartigen Sequenz in der Klinik. Einmal in Fahrt, bewegt sich der Film kontinuierlich entlang der Ideallinie, ganz ohne Rückzieher – eine Parallele zu den immer eindringlicheren Übergriffen. Die Erklärungen der Wissenschaftler fügen mystische Einflüsse hinzu, das letzte Drittel, in welchem die Geister in ihrer vollen Pracht in Erscheinung treten, bietet Shocks, Thrills, Gore and more auf vertrautem Terrain, nämlich innerhalb eines großen Herrenhauses, um das sich ein massiver Stahlzaun gelegt (!) hat, der ein Entkommen verhindern soll, während drinnen der Kampf entbrennt. Abgeschlossen wird das Finale von einem Höhepunkt, welcher unverkennbar die Handschrift seines Regisseurs trägt: Dieser ist so dermaßen „over the Top“, dass es schon wieder ein Vergnügen ist – die einen werden ihn feiern, die anderen ungläubig den Kopf schütteln…

Obwohl die zwei Autoren-Neulinge in ihrem Skript weitherzig Elemente anderer Genre-Beiträge verarbeiteten, vermieden sie es glücklicherweise, jegliche Rollen im jugendlichen Alter anzulegen sowie diese „fehlerfrei“ zu gestalten – sie besitzen „echte“, wenn auch nicht gravierende menschliche Makel, fernab der typischen (seichten) Teenie-Sorgen. Man kann verstehen, wie sich Harris fühlt: Früher ein sorgloser, Spaß-liebender Student, heute ein verheirateter Anwalt, der sich genau das von dem Kumpel vorhalten lassen muss, welcher es irgendwie geschafft hat, seine damalige Einstellung zu konservieren – darüber hinaus weckt das Wiedersehen seiner (anziehenden, ungebundenen) Jugendliebe zwangsläufig Erinnerungen und Sehnsüchte. Allison erhält somit doppeltes Mitleid seitens des Zuschauers: Weil ihr Mann „schwach wurde“ und er sie nur dank seiner „Tanzerei“ in die Sache hineinzog. Diese inneren Ängste, Gedanken und Befürchtungen sind untrennbar mit der Handlung verwoben – sie unterstützen das Verständnis für die Personen und hemmen das Entstehen eines unsympathischen Eindrucks. Dominic Purcell („Blade 3“), bestbekannt aus den TV-Serien „John Doe“ und „Prison Break“, geht seinen Part erstaunlich zurückhaltend an, vielleicht einen Tick zu sehr, übertreibt es indes aber nie und stellt die richtigen Fragen an den perfekten Stellen – außerdem ist es schon reizvoll zu sehen, wie er, ein Mann stämmiger Statur, von einem zierlichen Vertreter des anderen Geschlechts durch einen Raum geprügelt wird. Clare Kramer (TV´s „Buffy, the Vampire Slayer“/„the Skulls 3“) ist klasse als seine um ihn kämpfende „bessere Hälfte“ – glaubwürdig trifft sie jede ihr abverlangte Emotion (Eifersucht, Besorgnis, Hysterie, Gefasstheit etc). Marcus Thomas („Edmond“/„Scorched“) hat nicht bloß mit den schwächsten Dialogen zu ringen, er liefert zudem eine unbeeindruckende Performance ab, die Sid´s lockere Art unzureichend ausdrückt. Die Vorstellung der bildschönen Jose Maran („Van Helsing“/„Little Black Book“) ist überaus effektiv und zerstreut umgehend jede Vermutung, sie würde sich nur als „Eye Candy“ eignen. Megahn Perry (TV´s „Dawson´s Creek“), das süße Goth-Girl aus „the Convent“, reiht sich nahtlos in die talentierte und attraktive weibliche Besetzung ein – sie ist charmant, clever und witzig zugleich (trotz einer gewissen Aktion gegen Ende). Zu guter Letzt bleibt noch Tcheky Karyo („Dobermann“/„Bad Boys“) ausdrüklich zu erwähnen: Sein amüsant-lässiger Parapsychologen-Auftritt, der seine französische Herkunft gewollt vordergründig einbindet, ist schlichtweg köstlich!

Heutzutage, wir schreiben das Jahr 2007, steckt der weltweite Horrorfilm in einer schöpferischen Krise. Die technische Qualität der Veröffentlichungen befindet sich inzwischen zwar auf einem beeindruckend hohen Niveau, nur mangelt es an Originalität und neuen Ideen. Momentan erlebt das Terror-Kino ein unerwartet starkes Comeback („TCM“, „Hostel“, „the Hills have Eyes“ etc), während der Trend, Remakes asiatischer „Creepy-Ghost-Girl“-Geschichten zu produzieren, nahezu abgeebbt ist – selbst in Fernost dreht man sich künstlerisch weitestgehend im Kreise (vgl. „Rinne“ oder „Sairen“). „the Gravedancers“ ist beileibe keine kreative Offenbarung, schafft es jedoch, eine frische Ausstrahlung aufzuweisen, was aus dem verspielten, dennoch respektvollen Umgang mit der Materie resultiert, welcher den bewährten Stärken des Ausgangskonzepts eine kräftige Portion Inspiration aus den 70ern und 80ern hinzufügt. Unter anderem sind diverse „Spuk-Szenarien“-Motive schnell auszumachen (siehe „House on Haunted Hill“, „the Legend of Hell House“ oder der gesamten „House“-Serie, um nur einige zu nennen), Kundige können sich an einer netten „the Entity“-Hommage erfreuen, welche dem eingeschlagenen Kurs folgt, die Angriffswucht allmählich hochzuschrauben, bis die Geister offen aus den Schatten hervortreten: Ihr Look ist grotesk und verstörend, wie aus einem schrägen Albtraum! Die Make-up-Kreationen sind fantastisch – vor allem in Anbetracht des geringen Budgets! Im Schlussakt erfahren ihre „Thir13en Ghosts“-artigen Hintergründe dann ebenso eine stilvolle visuelle Aufarbeitung, der Action-Gehalt steigt, die Mystery-Spannung weicht einem furios umgesetzten (Kampf-) Getümmel, prall gefüllt mit Flammen, Kreaturen, schwebenden Damen und vielen anderen interessanten Dingen. Das Finale setzt allem schließlich die Krone auf und wird hundertprozentig die Meinungen spalten: Man nehme einen Hummer, welcher durch mehrere Hauswände brettert, einen (mindestens) vier Meter großen, semi-skelettierten Gespensterkopf, der das Fahrzeug jagt, eine gigantische Hand, welche Menschen in die Erde zerrt sowie ein wie ein Football umhergeworfener Totenschädel – fertig ist eine knapp zwei Minuten lange „over-the-Top“-Szene, die man gesehen haben muss! B-Movie-Trash-Fans geht das Herz auf, wenn sie diesen ruhigen Blutes umgesetzten, im Grunde lachhaften Einfall erblicken, bei dem Ansätze vergleichbarer Einstellungen aus dem „the Haunting“-Remake oder den „Evil Dead“- oder „Poltergeist“-Reihen nicht zu verkennen sind. Man könnte denken, die CGI-Pferde wären hier mit Mendez durchgegangen, doch genau diese Sekunden reflektieren seinen überdrehten „the Convent“-Stil perfekt, den er bis dato im Zaum gehalten hat. Zugegeben, ganz optimal fand ich diesen Ausbruch auch nicht – aber Kudos an Mike, dass er diesen Weg gegangen ist…

Das fertige Produkt sieht, nicht nur für einen Indie-Streifen, toll aus: Die Effekte, welche (bis auf die erwähnte Stelle) meist „handgemachter“ Natur sind, überzeugen, die Sets hat man angenehm stimmungsvoll gestaltet. Cinematographer David A.Armstrong (die „Saw“-Franchise) taucht alles in kalte, trostlose Farben und trägt so nicht unwesentlich zur düster-dichten Atmosphäre bei. Regisseur Mendez hat im Laufe seiner Karriere eine deutliche Wandlung vollzogen, ohne im Prozess seine schöpferische Energie zu verlieren – ich hoffe, dass er in Zukunft mal die Chance erhält, ein erstklassiges Skript mit umfangreichen finanziellen Ressourcen umsetzen zu können. Hier nutzt er einen wohltuenden „Old School“-Ansatz, um einer probaten Geisterstory einen bizarren Einschlag zu verleihen – der Gore-Gehalt ist nicht sonderlich hoch (ein graphischer Kehlenschnitt bildet eine auffällige Ausnahme), platte „Jump Scares“ werden vermieden (trotz einer Katze im Haus spring diese kein einziges Mal fauchend ins Bild), was gleichermaßen für zu abgegriffene Stilmittel gilt (kein Nebel auf diesem Grabfeld). Tempo und Aufbau wissen zu gefallen, der Horror und Humor wirkt hervorragend getimed, letzterer lenkt nie vom vorherrschenden bedrohlichen Grundgefühl ab – außer halt beim Showdown. Kurzum: A fun and damn spooky Ride…

Fazit: „the Gravedancers“ ist eine vortreffliche Independent-Produktion, welche bekannte Ideen geschickt abwandelt und mit einem (über lange Strecken subtilen) Augenzwinkern versieht. Die Geister sind freaky, die Stimmung ist creepy – und das Ende total gaga … knappe „8 von 10“ für dieses bei weitem nicht makellose, allerdings sehr unterhaltsame Werk!

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