„Handelskrieg mit Kumpel-Faktor"
Nachdem sich John Waynes Herzensprojekt (er war gleichzeitig Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller) „Alamo" (1960) vor allem finanziell zu einem veritablen Desaster auszuwachsen schien, waren die noch unerfüllten Vertragsverpflichtungen mit 20th Century-Fox beinahe ein Segen. Schließlich standen noch zwei garantierte 666.666-Dollar-Gagen aus und die hatte Wayne bitter nötig, da er sein gesamtes Vermögen in „Alamo" gesteckt hatte. Also drehte er kurz nacheinander „North to Alaska" (1960) mit Henry Hathaway und „The Comancheros" (1961) mit Michael Curtiz. Während ersterer mehr Screwball-Komödie im Westerngewand war, gehört letzterer, trotz eines ebenfalls komödiantischen Einschlags, eher zu den klassischen Wayne-Vehikeln.
Paul I. Wellman, ein in den USA äußerst populärer Western-Autor, schrieb die gleichnamige Romanvorlage (1952) um den gewitzten und steckbrieflich gesuchten Spieler Paul Regret, der sich ein launiges Katz-und-Maus-Spiel mit dem Texas Ranger Jake Cutter liefert. Da John Wayne für Cutter vorgesehen und damit der unbestrittene Star der Produktion war, musste seine Rolle im Vergleich zur Buchversion deutlich ausgebaut werden. Den Part des Paul Regret übernahm der weit weniger bekannte und zugkräftige Stuart Whitman.
„The Comancheros" ist v.a. als letzter Film von Michael Curtiz bekannt, was ein wenig unfair ist, denn er hat davon unabhängig eine Reihe von Qualitäten, die typisch sind für das letzte Drittel von Waynes fast 50-jähriger Western-Karriere. Spätestens mit Howard Hawks´ Meisterstück „Rio Bravo" (1959) war Wayne zu seinem eigenen Archetyp mutiert, eine Art überlebensgroße Westerner-Persona, die sich von nichts und niemanden erschüttern lies. Die besondere Kunst des schauspielerisch oft unterschätzten Stars war es allerdings, dabei dennoch jederzeit authentisch und vor allem natürlich zu wirken. Wayne beherrschte jeden seiner Filme, und das abg der ersten Szene in der er auftrat. Trotzdem lies er immer noch genügend Raum für seine Costars, die an seiner Seite nicht untergingen, sondern, so paradox das klingen mag, von seiner Präsenz noch profitierten.
Der eigentlich recht blass agierende Stuart Whitman ist dafür ein Paradebeispiel. Durch seine zahlreichen Reibereien mit Wayne´s Charakter wird auch Paul Regret zu einer schmissigen Figur, die die mehr komische erste Filmhälfte entscheidend mitträgt. Als sich die beiden dann zusammen tun um einer Bande Comancheros das Handwerk zu legen, ändert sich die Tonart merklich in Richtung Ernsthaftigkeit und Action. Aber auch hier, im Kernbereich seiner Western-Persona, zieht Wayne Whitman mehr mit, als dass er ihn in den Schatten stellen würde.
Der Grund, warum „The Comancheros" nicht an Wayne´s beste Western heranreicht, ist dann auch nicht in seiner gewohnt souverän-professionellen Darstellung zu suchen, sondern in dem etwas unausgegorenen Skript. So recht wollen die beiden unterschiedlichen Filmhälften nicht harmonieren. Für sich genommen bieten beide überdurchschnittliche Genre-Unterhaltung. Die erste Hälfte funktioniert zweifellos prächtig als schwungvoll-frotzelnde Buddy-Komödie. In diese Kategorie fällt auch Lee Marvin´s Kurzauftritt als Comancheros-Verbindungsmann Tully Crow.(1) Cutter gibt sich als Waffenhändler aus und versucht Crow in einem Trinkgelage auszuhorchen.
Exakt an dieser Stelle ändert der Film dann relativ unvermittelt den Ton (obgleich Curtiz mit dem vermeintlichen Indianer-Überfall auf eine Farm schon eine Andeutung geliefert hatte). Crow entpuppt sich als psychopathischer Killer, der von Cutter kurzerhand erschossen wird. In der folgenden Auseinandersetzung zwischen den Texas-Rangern und der Outlaw-Bande wird dann die Stimmung deutlich rauer. So schnellt nicht nur die Todesrate von praktisch null in veritable Höhen, auch die Handlungen sämtlicher Protagonisten werden deutlich brutaler und gnadenloser. Auch diese Filmhälfte ist kompetent inszeniert und hält zahlreichen Genre-Vergleichen mühelos stand. Aber sie bildet einfach keine homogene Einheit mit dem Plot der Cutter-Regret-Annäherung.
Inhaltlich interessant ist der Film aus einem anderen Grund, rückt er doch die wenig bekannte Historie der „Comancheros" in den Fokus. Die Kollaboration zwischen dem Stamm der Komantschen und meist mexikanisch-hispanischen Händlern, den „Comancheros", war für beide Seiten eine lohende Verbindung, die der damaligen US-Regierung einiges Kopfzerbrechen bereitete. Der Tauschhandel zwischen den beiden Parteien im Gebiet zwischen New Mexico und dem westlichen Texas weitete sich mit Beginn der Comanchen-Kriege (ab etwa 1850) zu umfangreichen Waffenlieferungen und gemeinsamen Überfällen aus, die zunehmend weiße Outlaws anzogen.
Der Film beschönigt die Geschichte dahingehend etwas, indem er einen von Cutter angeführten Trupp Texas Rangers einen zentralen Stützpunkt der Comancheros ausheben lässt und den zu Hilfe eilenden Comanchen eine empfindliche Niederlage beibringt. In Wahrheit gelang der US-Armee erst etwa 25 Jahre (1874/75) nach der Filmhandlung der entscheidende Schlag gegen die Comanchen, womit dann auch der Comanchero-Handel zum Erliegen kam.
Trotz der tonalen Schwankungen und historischer Freiheiten gelang dem ungarisch-stämmigen Hollywood-Veteranen Michael Curtiz (u.a. „Robin Hood - König der Vagabunden"(1938), „Der Herr der sieben Meere" (1940), Casablanca" (1942)) mit seiner letzten Regiearbeit ein würdiges Vermächtnis. Der Film hat Schwung, Tempo und nicht wenige Schauwerte. Insbesondere die Landschaftsaufnahmen im Gebiet um Moab (Utah) verleihen dem Film eine optische Grandezza, die so manch inhaltliche Schwäche übertüncht.
John Wayne´s traumwandlerisch souveräne Helden-Darstellung tut ein Übriges, um auch den anspruchsvolleren Western-Fan zufrieden zu stellen. Darüber hinaus zeigte er auch hinter den Kulissen wahre Größe, indem er dem todkranken Curtiz einige Regieaufnahmen abnahm, dafür aber in den Credits nicht genannt werden wollte. Den Cowboy-Hut konnte er gleich aufbehalten, denn sein Ziehvater John Ford wartete bereits mit einer weiteren Paraderolle: „Der Mann, der Liberty Valance erschoss".
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1 Marvin spielte auf Anraten Wayne´s nur wenige Monate später (1962) einen Titelpart in dessen nächstem Western (John Ford´s „The Man who shot Liberty Valance") und wurde dort erst zum Star.