Was man sicherlich nicht erwarten sollte, ist ein stylisher Neubeginn des Backwoodkinos, kein überraschender Kracher, wie es "High Tension" innerhalb seines Slashergenres war, sondern ein zuweilen garstiger Kommentar zur Lage der amerikanischen Nation, wie sie Altmeister Wes Craven als Produzent mit Shootingstar Alexandre Aja als Regisseur neu und frisch präsentieren. Wenn "California dreaming" der Mammas & Pappas (sic!) aus dem Radio erklingt, während die Familienfahrt langsam zu zerbröckeln beginnt und das Ziel in weite Ferne rückt, ist das noch unterhaltsamer Zynismus, wenn allerdings in der Höhle des Löwen, oder besser gesagt, dem Geisterdorf in der Einöde, das einst als Atomwaffentestgebiet diente, das degenerierte Superhirn die Nationalhymne singt, während das entsprechende Banner im blutüberströmten Kopf eines Opfers steckt, ist noch lange nicht Schluss mit den bösen Untertönen. Denn das Fähnchen, als Waffe noch einmal recycled, macht sich auch durch einen gesamten Hals gestochen gut, dieses Remake war den amerikanischen Zensoren im Urzustand, ähnlich wie Ajas "High Tension" mit seinen grafischen Gewaltdarstellungen mal wieder ein Dorn im Auge. Mehr noch als das Original mausert sich diese Produktion zum grantigen Abgesang auf den Patriotismus, wie er von kriegstreibenden Regierungen einer gewissen Großmacht immer wieder Anlass zur Kritik gibt. Zur Veranschaulichung, denn "The Hills Have Eyes - Hügel Der Blutigen Augen" ist gewiss nicht halb so staubtrocken, wie die Wüstenlandschaft Marokkos, wo gedreht wurde, greift man auf die bewährten Fähigkeiten der K.N.B. EFX Group zurück, die sich einmal mehr richtig austoben dürfen. Erwartungsgemäß watet diese Remake einiges tiefer im Kunstblut, als es Cravens Original vor drei Jahrzehnten noch tat, zunächst noch vereinzelt, wird im letzten Drittel reichlich des roten Saftes an den Darstellern verteilt, manchmal auch an Körperteile, die noch im Kannibalenlager liegen. Zusammen mit diversen abgetrennten Gliedmaßen voriger Opfer in einer Kühltruhe eingesperrt zu sein, gehört eher in ein "Texas Kettensägen Massaker", als in die friedliebende Welt dieses frisch gebackenen Familienvaters, das neugeborene, gesunde Kind wiederum als das höchste Glück auf der Erde zu propagieren, nimmt dem Finale, das etwas geändert wurde, die für das Mainstreampublikum unverträgliche Konsequenz, den Pessimismus von Tobe Hoopers oben genannten Klassiker des Hinterwäldlerterrors. Daran muss man junge Regisseure wie Aja sicher nicht messen, wenn er es denn so gut versteht, den Stoff um die nuklear verseuchten Wüstenbewohner, die zu Kannibalen mutierten, in die Neuzeit zu transportieren. Das Drehbuch wurde weitestgehend vom Original übernommen, was diesen, oftmals aufgrund seiner technischen Unzulänglichkeiten zu Unrecht unterschätzten Terrorklassiker, adelt, der seiner Zeit weit voraus war. Was dieses Remake zwischen all den mehr oder weniger überflüssigen Neuauflagen altbekannter Kassenschlager wie "Michael Bays TCM" hervorhebt, ist seine direkte, unverblümte Art, Position zu beziehen, zum republikanischen Way of Life z.B., der mit Waffengewalt sang- und klanglos untergeht. Das unumstrittene Familienoberhaupt Big Bob, einst jahrelanger Cop und tonangebend, ein Amerikaner durch und durch wird somit als erster aus seiner zivilisierten, vaterlandsliebenden Welt gerissen, konfrontiert mit dem, was die Regierung aus den Opfern der Bombentests machte. So bleiben im Kern hauptsächlich die beiden jüngeren Generationen übrig, der Sohn, ein Angstbeißer mit Daddys Knarre, und der Schwiegersohn Doug Bukowski, einst als pazifistischer Demokrat mit entsprechendem Namen verlacht, sowie die Frauen. Zentraler Punkt ist die Familie, nicht die Großfamilie, die sich widerwillig mit einem christlichen Gebet einschwört, sondern die des aufrechten, nicht auf die gewaltsame Konfrontation erpichten Durchschnittsbürgers. Ein Mann aus der IT-Branche oder anders gesagt: Ein Handyverkäufer ohne technisches Geschick, doch mit menschlichen Qualitäten. Dessen Wandlung zum leidenschaftlichen Vater, der um jeden Preis, sei er auch noch so blutig (und er ist blutig), sein Kind aus den Fängen der Kannibalen zu befreien versucht, ist eine der wenigen Freiheiten, die sich das dem Original nahe Drehbuch herausnimmt, was der letztlich positiven Grundattitüde gegen ein Nischendasein sicher zugute kommt. Und sind wir mal ehrlich: Neben all der gelungenen Schmuddelatmosphäre und den blut- und dreckverschmierten Darstellern wirken doch manch happige Szenen, wie mit einer Axt im Kopf oder eine andere Rübe gar ganz weggeschossen aus dem Pixelgenerator nicht ganz so verstörend, wie von Hand gemacht. Etwas Vorabzensur auf Anraten der MPAA wird sicher noch bei der DVD-Auswertung nachgereicht, harmlos ist die Kinofassung allerdings beileibe nicht. Es spritzt halt nur manchmal etwas zu schick für die kranke Grundstimmung dieses Subgenres, um den Zuschauer nun komplett vor den Kopf zu stoßen. Der kranken Grundstimmung tut das keinen wirklichen Abbruch, kann jedoch auch selten mit innovativen Optiken oder Ideen glänzen, Kenner dieses lange Zeit toten Subgenres mit all seinen aufkeimenden Derivaten der letzten Jahre von "Wrong Turn" bis zu "Wolf Creek" haben vieles schon woanders gesehen. Nur nicht so direkt auf den Punkt gebracht, was die Zeichen der Zeit betrifft.
Fazit: Trotz der etwas zu netten Auflösung des Terrors noch immer ein ausgenommen konsequenter Beitrag zwischen all den Horrorremakes, welches Ajas Qualitäten zu humorlosem Terror gepaart mit grafischer Gewalt ohne Abstriche aufweist. In Hinsicht auf die kommende DC-Fassung schon einmal 7,5/10 Punkten