Review

"Torn Curtain" ist das letzte, vollkommene Aufblitzen Hitchcockscher Brillanz. Nach dem sowohl finanziellen, als auch filmischen Flop "Marnie" meinten viele Filmverständige, an dem "Master of Suspense" herumkritisieren zu müssen. Er würde nur noch sich selbst kopieren, anstatt mit der Zeit zu gehen. Und genau dieser altmodische Stil wurde auch seinem nächsten Film vorgeworfen - "Der zerrissene Vorhang".

Dabei fängt der schon klassisch-hitchcockesk an. Mit cleveren Einstellungen erfahren wir ohne, dass ein Wort auf die Leinwand geschrieben wird, oder das ein wichtiger Dialog fällt, das wir uns auf einem Schiff gen Kopenhagen befinden, auf dem sich ein Dutzend Wissenschaftler befinden. Darunter auch Dr. Michael Armstrong (Paul Newman) und seine Konkubine Sarah (Julie Andrews). Newman ist uns natürlich von Anfang an sympathisch. Wir erahnen schon eine atemberaubende Spionagestory, und so treibt seine mysteriöse Geheimnistuerei die Geschichte und das Interesse an letzterer enorm voran. Obwohl wir diesen Teil aus der Sicht der skeptischen, teilweise sogar ängstlichen Sarah sehen - sie weiß nicht, dass Armstrong nicht in Kopenhagen seinen Vortrag sprechen will, sondern vielmehr nach Leipzig reisen will, sich dort als Überläufer ausgeben, aber schließlich den deutschen Professor Lindt ausspionieren will. Wir erahnen das schon alles, und sind mitten in der Geschichte, als Armstrong dann seine ersten Kontakte in Deutschland knüpft.

Die wohl erinnerungswürdigste Szene ist dann wohl die Ermodrung des Gromeks. Im Gegensatz zu der schnellen "Peng-Tot"-Action á la "James Bond" wurde der Mord an dem schon fast sympathischen Stasiagenten in wahnsinnig genial auschoreographierter, quälend langsamer Weise gefilmt. Kurioserweise wird dieser Höhepunkt im Film auf unseren Fernsehsendern gekürzt. Danach steigt die Spannung und das Tempo. Die Stasi kommt den Machenschaffen Armstrongs auf die Schliche, er muss seiner Braut seine wahre Motivation gestehen, und schließlich befinden wir uns in einem rasanten, einfallsreichen Flüchtlingsthriller, der dann in dem höllisch spannenden Finale in einem Ballet-Theater mündet. Hier entfesselt Hitchcock noch einmal sein ganzes Können. Durch linkische Kamerabewegungen setzt er die Bedrohung mit unseren Helden in Verbindung, ohne das Newman und Andrews es nur erahnen. Die Suspense steigt an den Siedepunkt.

Doch in "Torn Curtain" gibt es auch Gründe, warum er nie zum Klassiker wurde. Manches am Skript ist leider unbefriedigend. Die Formel, die Armstrong Lindt abjagt, scheint gegen Ende extrem trivial zu sein. Nette Nebenfiguren wie Herr Jakobi (David Opatoshu) oder die skurrile Erpresserin (Lila Kedrova) werden gegen Ende nicht mehr erwähnt. Dafür entschädigt uns Hitchcock aber mit dem netten Ballerina-Running-Gag. Leider Julie Andrews unsäglich langweilig als Sarah. Sie wirkt weder erotisch noch wirklich überzeugend. Die ewige "Mary Poppins" wirkt nur prüde und langweilig. Das volle Gegenteil zu dem fantastischen Paul Newman.

"Der zerrissene Vorhang" ist ein zu Unrecht kritisierter Thriller vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Ohne den Besetzungsfehler und einiger Skriptprobleme wäre es vielleicht sogar ein letzter großer Hitchcock-Classic geworden. So erleben wir heute beste Suspense und Unterhaltung. Auf jeden Fall der beste aus Hitchcocks schwacher Spätphase.

Details
Ähnliche Filme