Review

An Halloween des Jahres 2006 stand der für 5 Millionen Dollar Ende 2004 in Rumänien gedrehte Horror-Thriller „Incubus“ im Mittelpunkt einer wegweisenden Kampagne, die man als den ersten konkreten Testlauf eines Produkts innerhalb des zukunftsträchtigen „Direct-to-Download“-Marktes bezeichnen kann: Vom 31.Oktober bis zum 1.Dezember bot „Time Warner“ den Film exklusiv auf seiner Teen-orientierten „AOL Red Site“ (b-red.com) zum Download an – für 3,49 Dollar konnte man ihn sich fünf Tage lang „leihen“, der vollständige Kauf wurde mit 7,99 Dollar berechnet. Wirklich erfolgreich war die ganz Aktion nicht, was vielleicht (mit) daran lag, das man den Streifen (angesichts der betreffenden Seiten-Zielgruppe) deutlich zensierte, beispielsweise durch etliche Schnitte sowie eingefügte Alternativen zu den eigentlich existenten „ungepflegten Ausdrucksformen“ – auf der von „Sony Pictures“ im Februar 2007 veröffentlichten DVD-Version („Unrated“) ist natürlich das vollständige Produkt vorhanden. In einer solchen bzw ähnlichen digitalen Vermarktung dürfte ganz klar die Zukunft liegen – u.a. könnten Kosten auf dem Kino- und DVD-Sektor effizient eingespart oder zumindest deutlich verringert werden. Es ist (meiner Meinung nach) an der Zeit, sich endlich ans tatsächliche Ausführen dieses nächsten, natürlich erscheinenden Schrittes zu begeben – Aktionen wie die vorliegende markieren jedenfalls schonmal interessante Vorboten auf das, was gewiss bald gängige Realität werden dürfte…

Irgendwo in den Bitterroot Mountains (Montana, USA) kommt das Fahrzeug der College-Kommilitonen Bug (Akemnji Ndifernyan), Holly (Alice O'Connell), Peter (Christian Brassington), Jay (Tara Reid), Karen (Monica Dean) und Josh (Russell Carter) beim Versuch, einem auf der Straße liegenden Hindernis auszuweichen, von der Fahrbahn ab und überschlägt sich. Mitten in dieser abgelegenen Region mangelt es (erwartungsgemäß) an Mitmenschen oder einer umfassenden Handynetz-Abdeckung, also greift man sich ein Teil des für die geplante Klettertour mitgeführten Gepäcks und begibt sich auf den Weg zur nächstgrößeren Straße. Um der Kälte entgegen zu wirken sowie Zeit zu sparen, wählt man eine Abkürzung durch einen finsteren Wald, in welchem sie sich schließlich (nach Anbruch der Dunkelheit) verlaufen – ihrer verfügbaren Landkarte zum Trotz. Per Zufall entdecken sie Stunden später ein verlassenes Gebäude, das von auf sie reagierenden Bewegungs-Sensoren angestrahlt wird – offensichtlich eine ehemalige Forschungsstation der Regierung. Schnell ist der unerheblich stabile Zaun überwunden und die Lage abgeklärt (es macht ihnen definitiv kleiner auf), da kommen sie auf die Idee, sich irgendwie Zugang zu verschaffen, um wenigstens für die Nacht Unterschlupf zu finden bzw der Witterung nicht ungeschützt ausgeliefert zu sein. Eine Schwachstelle ist relativ zügig gefunden, nämlich in Form eines tiefen Belüftungsschachts auf dem Dach, worauf sie sich, einer nach dem anderen, mit Hilfe ihrer Ausrüstung ins Innere hinunter abseilen – bis auf Karen (ohnehin angefressen, da sich der Matsch im Rahmen ihrer unfreiwilligen Wanderung sichtbar negativ auf ihre teueren Schuhe ausgewirkt hat), die das Ganze für eine ungute Idee hält und sich lieber flugs vom Gelände entfernt, um im Alleingang die nächste Bundesstraße aufzuspüren…

Bei einer ersten Erkundung der Örtlichkeiten (verschiedene unterirdische Ebenen, die Zahl der Korridore denen der Räume klar überlegen), stolpern sie geradezu über eine im Flur liegende menschliche Zunge sowie die übel zugerichteten Leichen zweier Wissenschaftler, welche sich offenbar gegenseitig getötet haben. Der Komplex unüberwindbar abgeriegelt, ihr Seil (gen Dach) aufgrund der Belastung gerissen, sind sie fortan Gefangene, (vorerst) dazu verdammt, sich mit ihrer akuten Situation zu arrangieren. Es dauert nicht lange, bis sie bei ihren Überprüfungen eine unterirdische Halle ereichen, in deren Zentrum eine Sicherheitskammer steht, in deren Innern ein mysteriöser, glatzköpfiger, an diversen Geräten angeschlossener Patient (Mihai Stanescu) in einem komatösen Zustand auf einem Metallstuhl festgeschnallt sitzt, der ein rätselhaftes Zeichen auf der Stirn trägt und von in seinen Körper eingeführten Zugängen am Leben gehalten wird. Es stellt sich heraus, dass der Mann ein verurteilter Mörder ist, der, offiziellen Meldungen nach, Jahre zuvor hingerichtet wurde – stattdessen allerdings, da er außergewöhnliche Begabungen aufweist, seither von der Regierung als Versuchskaninchen erforscht und missbraucht wird. Es kommt jedoch noch schlimmer für unsere Gruppe Freunde: Einer von ihnen fällt einem (augenscheinlich irren) Angestellten der Einrichtung zum Opfer, der sich in einer Werkzeugkammer versteckt hatte. Während Jay sich immer intensiver mit den gefundenen Aufzeichnungen beschäftigt und allmählich Anteilnahme zu entwickeln beginnt, suchen die anderen fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit – bis sie auf schmerzhafte Art feststellen müssen, dass der „Sleeper“ die Fähigkeit besitzt, Kontrolle über eine Person zu erlagen, sofern diese in den Zustand des Schlafes eintritt: Sobald ihm das gelingt, nutzt er ihre Körper jeweils dafür, die Verbliebenen anzugreifen und ihnen voller Zorn nach dem Leben zu trachten…

Ein Incubus (aus dem Lateinischen: incubare: oben liegen, brüten) ist ein Albträume verursachender männlicher Dämon (weibliches Gegenstück: der Succubus), ein gefallener Engel, der in diversen Mythologien vorkommt, sich von der Lebensenergie schlafender Frauen, mit denen er sich paaren will, ernährt, und somit die sexuellen Wünsche Träumender versinnbildlicht. Sündhafte, erregende Phantasien wurden im Christentum häufig durch den Besuch eines Incubus erklärt – die „Schuld“ des Auftretens, zumeist eine Folge ständiger Unterdrückung, wird von einem genommen, da man Opfer einer übernatürlichen Macht wurde, Geburten deformierter Kinder ließen sich dementsprechend ebenso „rechtfertigen“. Der Film greift diese Grundlage bestenfalls ansatzweise auf – vornehmlich in Gestalt einer äußerst bizarr-grotesken Szene kurz vorm Abspann. Darüber hinaus beschränkt sich die verbindende Sachlage im Wesentlichen auf das Vorgehen des Killers, da dieser ja, zumindest über weite Strecken des Verlaufs, gelähmt an einem Ort verbleibt und von den Leuten auf einer geistigen Ebene Besitz ergreift. Als Kind wurde er von seiner Mutter gequält, etwa indem sie ihm den Mund mit einer Stahlbürste ausschrubbte. Irgendwann biss er sich dann die Zunge ab (weshalb jede „übernommene Person“ dies auch unmittelbar tut), übte blutige Vergeltung an seiner Familie, wurde inhaftiert und sollte exekutiert werden – da griff eine geheime Behörde ein, nahm ihn zu sich, führte fortan Experimente auf verschiedenen Gebieten durch (Electro-Convulsive Therapy, Remote Viewing etc) und hielt ihn in einem Zustand zwischen Leben und Tod, bis er zu mächtig wurde sowie die Kontrolle an sich riss, indem er alle in seinem Umfeld sich wechselseitig zerfleischen ließ. Der Anblick des „Sleepers“, dargestellt von Mihai Stanescu („Attack Force“), welcher sich seine Brötchen übrigens hauptsächlich als Makeup- und Hair-Stylist verdient, ist schon ziemlich creepy – was leider nicht mehr ganz auf seinen Einsatz gegen Ende zutrifft, bei dem er (nach seinem vollständigen Erwachen) zu einer eher faden Stalk`n´Slash-Gestalt verkommt. Auffällig in dem Zusammenhang: Für jemand ohne Zunge kann er erstaunlich gut sprechen, ja gar eine schauderhafte Interpretation des Everly Brothers Klassikers „All I have to do is Dream“ zum Besten geben. Vermutlich war es so gedacht, dass sich in jener Phase bereits etliche der Geschehnisse in den Köpfen der Protagonisten abspielen bzw die Grenzen zwischen den Bewusstseinsebenen allmählich verwischen...

Ähnlich wie Kollegin Lindsay Lohan, ist Tara Reid („Cruel Intentions“/„the Crow: Wicked Prayer“) in den vergangen Jahren zu einer konstanten Zielscheibe der Klatschpresse geworden, vor allem angesichts ihres Feier-Verhaltens oder manch einem Fauxpas auf dem roten Teppich – aber die unfähige Aktrice, als welche man sie vielerorts hinstellt, ist sie beileibe nicht (siehe u.a. „the Big Lebowski“, „Dr.T & the Women“, „American Pie“, „Devil´s Pond“). Sie als Anthropologin in „Alone in the Dark“ zu casten war von Anfang an nicht die beste Entscheidung – und auch hier spielt sie die intelligenteste Figur der Runde, nämlich unsere toughe wie clevere, zugleich aber verletzliche Heldin Jay, eine verlässliche Medizin-Studentin, deren Fachwissen und humane Ader die Handlung voranschreiten lassen. Sie hält die Gruppe zusammen, stellt gewissermaßen den ruhenden Pol dar. Trotz ihres eigentlichen Alters, beim Dreh so um die 30, nimmt man Miss Reid den Part relativ annehmbar ab: Es gelingt ihr, Charisma in die Rolle zu injizieren und die verlangten Emotionen halbwegs glaubwürdig zu vermitteln. Tara´s rauchig-kratzige Stimme verleiht ihrem Schluchzen, Stöhnen und Wimmern einen ungewöhnlichen Tonfall, den einige sicher belächeln dürften, ich hingegen als authentisch klingend empfand. Es kann genauso sein, dass ihr hinterlassener Eindruck derart positiv ausgefallen ist, weil ihre Co-„Stars“ eher belangslose bis schwache Leistungen abliefern: Christian Brassington („Tony Blair: Rock Star“) verbleibt anhaltend blass, Debütant Russell Carter lässt Potential erkennen, konnte jenes bloß nicht genügend umsetzen, Monica Dean („Living & Dying“) wird unsympathisch eingeführt und verschwindet dann für über 90% der Restzeit, Akemnji Ndifernyan („Under one Roof“) ist nichts weiter als der „Token Black Guy“ (samt allen dazugehörigen Negativmerkmalen). Alice O'Connell´s („Separate Lies“) Vortragen manch einer Dialogzeile mutet leicht hölzern an, doch prinzipiell fand ich sie okay. Man kann, denke ich, mit dieser Besetzung und ihren jeweiligen Performances unter den vorliegenden Umständen annähernd zufrieden sein.

Im Grunde hat mich „Incubus“ an eine aufgewertete Veröffentlichung aus dem Hause „Archetype“ erinnert, denn jene Schmiede nutzt für ihre Produktionen zumeist ein fast identisches Konzept: Eine schlicht gestrickte, oftmals abstruse, in einem begrenzten Setting angesiedelte Handlung, für deren Umsetzung man nicht sonderlich tief in die Tasche greifen muss, und ein einziger bekannter Name auf dem Cover, der genügend werbendes Interesse generiert, um neben den ganzen anderen Titeln der Videothekenregale aufzufallen. Was dieses Werk allerdings primär von solchen wie (sagen wir mal) „Warriors of Terra“ oder „the Ultimate Killing Machine“ unterscheidet, ist die hochwertige Optik, welche einen absolut professionellen Eindruck hinterlässt, gepaart mit einer ausreichend kompetenten Regieleistung sowie einem sicheren Gespür für Atmosphäre. Obwohl der Film sehr gradlinig dem betreffenden Genre-Muster folgt (das Herumschleichen in dunklen Gängen, unterbrochen von den üblichen Jump-Scares, blutigen Momenten und blitzartig zwischengeschnittenen Images), wird es glücklicherweise nie langweilig – bis zum Einsetzen des Abspanns erhält man kurzweilige, gelegentlich sogar wahrhaft unheimliche Unterhaltung geboten. Letzterer Punkt hat den Streifen in meinen Augen beinahe im Alleingang vor dem Absturz in die Belanglosigkeit gerettet, denn die aufgebaute Suspense etlicher Einstellungen, unterstützt von der spärlichen Beleuchtung sowie wirkungsvollen Handkamera-Arbeit, ist schlichtweg klasse, die dichte, unheilschwangere Atmosphäre weiß zu überzeugen – was sicher nicht unwesentlich an dem Drehort vieler Szenen, den Kellergewölben eines stillgelegten Krankenhauses in Bukarest, liegt.

Die vorhersehbare Story entfaltet sich auf dem Fundament einer simplen, dem ungeachtet gar nicht mal so furchtbar üblen Ausgangsidee um Regierungsexperimente, Missbrauch und diverse paranormale Phänomene. Neuling Gary Humphreys („True True Lie“) vereinte in seinem Skript viele vertraute Versatzstücke zu einer unoriginellen, leider reich an den inzwischen gewohnten Ärgernissen daherkommenden Mixtur: Der Einstieg ist zwar erfreulich bündig, nur auf der anderen Seite zu knapp, um eine emotionale Beziehung zu den Charakteren aufzubauen (abgesehen davon, dass sie ohnehin sehr eindimensional geraten sind), die Dialoge bewegen sich auf einem tolerierbaren Level, der allgemeine Ton hätte getrost ein Quäntchen lockerer, weniger verkniffen ernst ausfallen dürfen (das „Lord of the Rings“-Schwulen-Gleichnis mal außen vor gelassen). Inhaltlich wird man mit „B-Movie-Business as usual“ konfrontiert – einschließlich einiger gelegentlich zutage tretenden Verwunderungen, etwa über Anschlussfehler (mal auf die Blutflecken auf der Kleidung achten!), das plötzlich abrufbare Fachwissen der jungen Leute (okay, sie sind Hochschüler, aber trotzdem!), dass Jay als Kind ebenfalls außerkörperliche Erfahrungen durchlebte oder die vorhandenen Taschenlampen ein „amüsantes Eigenleben“ führen (hach, immer diese unzuverlässigen Batterien!). In Sachen Logik ist erwartungsgemäß kein Preis zu gewinnen – „normale Leute“ würden wohl kaum auf die Idee kommen, eine hermetisch abgeschlossene Einrichtung, in der Leichen in den Fluren herumliegen und ein Irrer künstlich am Leben gehalten wird, ausgiebig zu erforschen, statt sich nachhaltigst auf die Flucht (z.B. per Einstiegsluke) zu konzentrieren. Ferner dürfte es ungeduldigen Zuschauern vermutlich stören, dass sich das vorherrschende creepy Feeling vornehmlich aus den Erzählungen, düsteren Bildern sowie der angepassten Musikuntermalung heraus entwickelt. Das verhältnismäßig ruhige Tempo störte mich keineswegs, zumal die Lauflänge von knapp über 80 Minuten zügig vorüber zieht, die Action verbleibt weitestgehend im Hintergrund – bis zum Anbruch des eher konventionellen dritten Akts, welcher abschließend in einem klischeehaften (eingefrorenen) Schlussbild mündet. Übermäßig graphisch werden die Todesfälle zwar nicht präsentiert, dennoch findet eine beträchtliche Menge Kunstblut Verwendung – einiges (nicht nur an Gewalt) spielt sich zusätzlich auf einer (zugegeben, seichten) psychologischen Ebene ab. Regisseurin Anya Camilleri („Eye Contact“/„Two Golden Balls“) beweist Talent darin, das Gefühl einer permanent bedrohlichen Basisstimmung aufrecht zu erhalten sowie ihre Darsteller an einer straffen Leine zu führen, was in einigen glaubwürdigen Reaktionen auf bestimmte Umstände resultiert.

Insgesamt hinterlässt „Incubus“ letzten Endes den Eindruck eines oberflächlichen, nichtsdestotrotz unterhaltsamen Low-Budget-Horror-Thrillers, der gewiss nur begrenzten Anklang finden dürfte, da weder Splatter-Kiddies noch verwöhnte Filmfans auf ihre Kosten kommen … glatte „5 von 10“

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