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„Bin ich dabei, verrückt zu werden?“

US-Regisseur Allan Moyles zweiter Film nach „The Rubber Gun“ datiert auf das Jahr 1980 und ist ein wenig populäres Punkdrama um zwei Teenagerinnen, allerdings auch keine obskure Rarität. Zeit, ein wenig für „Times Square“ zu werben:

„Ich glaub' nicht, dass ich älter werd' als 21.“

Die musikalische Ausreißerin Nicky Marotta (Robin Johnson, „Spitz“) und das gedichteschreibende Politikertöchterchen Pamela Pearl (Trini Alvarado, „The Frighteners“) lernen sich in der Neurologie kennen, erkennen ihrer Verschiedenheit zum Trotz Gemeinsamkeiten und tun sich zusammen, um der erdrückenden Erwachsenenwelt zu entkommen und ein Leben in Freiheit ohne auferlegte Zwänge auszuprobieren. Dieses spielt sich auf dem New Yorker Times Square ab, einem berüchtigten und verruchten Amüsierviertel, das die 42nd Street beherbergt und der Politik, insbesondere Pamelas Vater (Peter Coffield, „Washington: Hinter verschlossenen Türen“), schon lange ein Dorn im Auge ist. Während die beiden Mädchen sich in dieser subkulturellen Welt zu behaupten versuchen und von Radiomoderator Johnny LaGuardia (Tim Curry, „The Rocky Horror Picture Show“) entdeckt werden, treibt die Politik die „Säuberung“ des Viertels voran und fürchtet Pamelas Vater um seinen Ruf…

„Dein Vater ist ‘n Spießer!“

Der Times Square kurz vor der Gentrifizierung ist Schauplatz dieser eigenwilligen Mischung aus Milieu-, Subkultur- und Coming-of-Age-Drama und bereits eine Attraktion für sich. Die auf der Straße Gitarre spielende und randalierende Punkerin, die in Gewahrsam genommen und in die neurologische Abteilung des Krankenhauses eingeliefert wird, entpuppt sich als die schön schnoddrig von Robin Johnson gespielte Nicky, die hier die Rolle der Extrovertierten übernimmt, deren pubertätsbedingte Verwirrung in Kombination mit der vielleicht noch schwerer wiegenden Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation in ihrer Musik Ausdruck findet, ja, einfach raus muss. Als sie mit der introvertierteren Pamela in einem gekaperten Krankenwagen durchbrennt, vermutet Pamelas Vater eine Entführung und versucht, Nicki zu kriminalisieren. Pamela blickt zu Nicki auf, die ihr eine neue Welt eröffnet, die sie aus ihrem spießigen Alltag nicht kannte.

„Lass uns in Flammen untergehen!“

Als sie sich auf der Straße irgendwie durchzuschlagen versuchen, beginnt Radiomoderator Johnny LaGuardia mit den Ausreißerinnen zu kommunizieren. Pamela bewirbt sich als Tänzerin in einem Nachtclub, wo sie im irren Fummel wild auftritt und nach anfänglicher Schüchternheit aus sich herauskommt. Nicki probiert sich dort als Sängerin aus. Als sie zusammen einen Song aufnehmen, sendet LaGuardia ihn live. Fortan berichtet er regelmäßig über die „Dreckschwestern“, wie sie sich nennen, und sympathisiert offen mit ihnen, während sie Fernseher von Häuserdächern werfen. Doch Nicki verändert sich. Sie will die Radiostation stürmen und dort mit ihrer Band auftreten. Als LaGuardia die Mädels besucht, dreht sie durch, vertreibt ihn und Pamela gleich mit. Sie sucht die Radiostation auf und randaliert; trotzdem lässt sich LaGuardia darauf ein, ihr Sendezeit zu geben. Sie schrammelt auf ihrer Klampfe und klagt ihr Leid.

Der Film ist nach seinem fröhlich-anarchischen Auftakt zu einem Drama geworden, das darin kulminiert, dass Nicki auf dem titelgebenden Times Square auftreten will (und das damit auf ein ziemlich cooles Ende zusteuert). So vermengt Allan Moyle jugendliche Selbstfindung, Rebellion und Aufbruchsstimmung mit deren Umschlagen in Frust und Aggression sowie mit einer Art Liebeserklärung an die 42nd Street als buntes Amüsierviertel kurz vor dessen leider erfolgreicher „Säuberung“ durch Kapital und Reaktion, die er hier kritisiert. Dabei ist „Times Square“ dramaturgisch sicherlich nicht perfekt und etwas naiv, ähnlich wie hierzulande manch Verklärung der Reeperbahn – nein, Minderjährige sollten weder in der 42nd Street noch auf Hamburgs sündiger Meile als Nachtclubtänzerinnen angestellt werden. Märchenhaft federleicht erscheint es hier auch, als Straßenkind Musik zu komponieren und damit auch noch Erfolg zu haben. Da Moyle damit seine Ermutigung an junge Mädchen untermauert, aus vorgefertigten Rollenklischees auszubrechen und sich selbst zu verwirklichen, ist das aber eher als Bildnis denn als misslungener Realismus zu verstehen.

Das Ensemble ist nicht nur wegen Ausnahmeschauspieler Tim Curry als Radiomoderator gut zusammengestellt worden, mit Johnson und Alvarado fand man zwei spielfreudige Nachwuchstalente. Nicht zuletzt ist die ambivalente Figurenzeichnung gelungen: Hier dürfen alle ihre charakterlichen Stärken und Schwächen haben, auch LaGuardia, der keine eindimensionale Heilsbringerfigur ist. Hörenswert ist auch der Soundtrack, in dem sich einiges an Punk, New Wave und Rock tummelt, von den Talking Heads über Patti Smith, The Ruts, The Ramones, Lou Reed, Roxy Music, Suzi Quatro, The Pretenders, The Cure, XTC und The Cars bis hin zu einer großartigen „You Can’t Hurry Love“-Interpretation D.L. Byrons.

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