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Obwohl an den Kinokassen nicht eben ein großer Erfolg, entpuppt sich Atlantis als prachtvoller Zeichentrickfilm attraktiven Stils, der jedoch für die falsche Zielgruppe beworben wurde. Inhaltlich komplex und anspruchsvoll, visuell ein für kleinere Kinder kaum zu bewältigender Bildersturm und im Umgang mit Menschenleben nicht eben sparsam, dürften sich Besucher ab 8 oder 9 Jahren großartig unterhalten fühlen und Erwachsene dem Geschehen interessiert folgen.

Das definitive Problem ist der Anspruch, mit dem der Film permanent um sich wirft. Atlantis ist eine klassische Abenteuerstory, die Atlantisklischees mit Jules Verne, großes Entdeckerdrama mit reichlich Indiana Jones kreuzt und dabei eine inhaltliche Hetzerei und Fülle an den Tag legt, der den Besucher bombardiert und mitreißt, wobei Ruhe und das richtige Maß jedoch über Bord gehen.

Selbst eine für Disney-Animation große Lauflänge von 95 Minuten reicht bei weitem nicht, um dem Einfallsreichtum und den gigantischen Bildern gerecht zu werden, die das Script bereithält. So wird der Inhalt notgedrungen komprimiert und superschnell dargeboten, so daß die Story bald außer Atem gerät. Von der Ausgangsposition wird reichlich zügig zur Expedition vorgeprescht, die sofort und auf der Stelle startet und gerade zur Vorstellung (nicht zur Einführung) der Charaktere Zeit läßt, von denen es (multi-kulti) reichlich gibt.
Kaum gestartet wird die Expedition dann auch schon beinahe aufgerieben per Monsterhummer und flammende Leuchtkäfer, die knapp 200 Leute mal so eben von einem Leben ins Nächste befördern, bis nur noch der bekannte Kern übrig ist.
So nachlässig wurde selten mit Leben bei Disney umgesprungen und nur die Hetze der Bilder verhindert, daß man über diese Metzelei beinahe hinwegsieht.
Unterwegs kann kurzfristig das Charakterspielchen vertieft werden, ehe die tausend Wunder von Atlantis das große Interesse daran wieder begraben.

Und das wäre gerechtfertigt gewesen, denn selten gab es so viele verschiedene und noch nicht gesehene Figuren in einem Disney, die alle mehr Filmminuten verdient hätten. Atlantis selbst ist ein Genuß, der sich ebenfalls in immer neuen Spezialeffekten erbricht, einer bombastischer als der andere. Der Plot, die Logik und der Erzählfluß bleiben dabei jedoch des öfteren auf der Strecke. Wie das Prinzip Atlantis funktioniert, warum und woher dort immer das Wasser fließt und die Showdowngeschehnisse um den Kristall bleiben ungeklärt, wenn man genauer nachfragt.
Wie aus einer Wundertüte werden immer neue Attraktionen hervorgezogen, eine überdeckt die andere, Bilder zum Staunen, aber ohne die Möglichkeit einer notwendigen Verdauung.
Wichtig scheint, daß der Film zum Ziel kommt und das verfolgt er wie eine Lawine, so daß die schließlich rettenden Riesenroboter ungeklärt bleibt und die Erklärung um die antike Katastrophe beinahe nebenbei untergeht.

Stattdessen steuert der Film figurentechnisch auf einen üblichen Gut/Böse-Fight zu, der mit beachtlicher Brutalität geführt wird. Der Anführer der Söldner bringt mit bloßen Fäusten den Atlanterkönig um, zaubert dann noch diverse Kämpfer für den Endkampf (1.World-War-style) aus dem Hut, die nur zum Zwecke der Entmenschlichung Gasmasken tragen und los geht die finale Schlacht, die die zwei Hauptbösen en detail sterben sieht.

Damit kann der Witz natürlich nicht im Vordergrund stehen, der im Falle der Hauptfigur an Harold Lloyd und andere Slaptstickhelden gemahnt und sonst charakterinduziert ist. Highlights sind dabei sicher der französische Sprengstoffspezialist und das Grab-Faktotum Bauddelaire (oder Buddler), eine Figur von besonders absurder Art. Die Art des Witzes ist ebenso wie der Rest des Films eher auf Er- und Heranwachsende zugeschnitten, wenn auch angenehm trocken.
Ungewöhnlich auch der herb-grobe, kantige Zeichenstil, mehr im Stil bekannter Abenteuercomics als von der klassischen Disney-Art. Gefällt er? Mir ja, meiner Begleitung weniger.

"Atlantis" läßt einen atemlos zurück, berauscht, aber eben nicht gesättigt, so daß eine Parallele zu modernen Popcornblockbustern durchaus gerechtfertigt scheint. Aber wenn mir das so geht, wie müssen sich dann die Kinder fühlen oder die sich sonst mit Romanzen begnügenden Elternteile.
Ergo ist das die falsche Mischung - irgendwie für jeden und keinen, denn im Grunde kann man sich "Atlantis" problemlos ansehen, nur sollte man bekannte Standards oder Erwartungshaltungen begraben. Fakt ist, daß sich bei Disney was ändern muß, denn das hier ist nur die Zeichentrickversion eines Sonntagnachtmittagfantasyabenteuers, der als Realfilm allerdings gut 150 Millionen gekostet hätte. Wohin der Weg führt, bleibt spannend.
Disney als Dampfwalze - ganz was Neues. (7/10)

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