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Mit dem Erreichen der Volljährigkeit und der Auszahlung ihres Erbes beauftragt Lucy Crale den belgischen Detektiv Hercule Poirot, den Mord an ihrem Vater Amyas Crale aufzuklären. Ihre Mutter Caroline wurde 14 Jahre zuvor dafür verantwortlich gemacht. Doch sie ist unschuldig, wie sie Lucy in einem Brief versichert. Poirot nimmt den Auftrag an und beginnt zu ermitteln… 

Fast 10 Jahre hat es gedauert, nachdem VOX letztmalig die ersten 4 Staffeln von „Agatha Christie’s Poirot“ gesendet hat, bis es 3 neue Folgen aus der 9. Staffel der (europaweit sonst sehr populären) Serie in synchronisierter Fassung ins deutsche TV geschafft haben. Eine große Pause, in der auch die Poirot-Serie einige Veränderungen durchgemacht hat. Da der Löwenanteil der Produktionskosten nun aus amerikanischer Hand kommt (den Rest zahlt Hauptdarsteller David Suchet aus eigener Tasche), wurden einige stilistische Änderungen vorgenommen. Vorbei sind die humorvollen Intermezzi mit Poirots Helfergarde (Hastings, Japp, Miss Lemon), vorbei ist es mit der liebevollen Art-Deco-Atmosphäre und nicht zuletzt der Werktreue. Während in den alten Folgen die Kurzgeschichten um kleinere Nebenplots ergänzt wurden, um sie für das 50-Minuten-Format zu qualifizieren (ohne dabei den Kriminalfall an sich anzutasten), war man bei den Romanen doch immer um größtmögliche Werktreue bemüht.
Sicher, auch die drei neuen Folgen, deren erste „Das unvollendete Bildnis“ ist, halten sich noch an ihre Vorlage, doch die Anbiederungen an den amerikanischen Geschmack haben der Serie nicht gut getan. Der hier zugrunde liegende Kriminalfall ist Christietypisch interessant und erinnert in seiner Konstruktion an Kurosawas „Rashomon“, indem die (dem Originaltitel entsprechenden) „Five Little Pigs“ (die Zeugen der Vorfälle vor 14 Jahren) jeweils ihre Erinnerungen an den Mordfall Crayle vortragen, dabei allerdings nicht immer bei der Wahrheit bleiben. Inszeniert wird das ganze dann per illustrierenden Rückblenden, wobei die Gegenwart düster und verregnet ist, während die (vermeintlich glückliche) Vergangenheit strahlend hell und weichgezeichnet wird. Soweit, so gut, dann braucht ja nur noch der Krimi (dessen Handlung ich hier bewußt nicht vollständig wiedergebe) abzurollen – doch leider steht da der amerikanische Geschmack vor. Im Roman stirbt die verurteilte Caroline Crayle im Zuchthaus, hier muß sie in einer Teasersequenz (natürlich effektvoll mit geschorenem Kopf und schwarzer Kapuze) aufgehängt werden. Des weiteren wird aus einem Charakter ein Homosexueller gemacht, was die vollständige Glaubwürdigkeit eines anderen Charakters (Caroline) untergräbt, weil eine Szene aus dem Buch komplett umgedreht werden mußte, um diesen überflüssigen Aspekt hineinzuprügeln. Und natürlich die „dramatische“ Sch(l)ußszene nach der Auflösung.
So etwas verärgert den Romankenner und läßt den mitdenkenden Zuschauer kopfkratzend zurück, da diese Details einfach nicht in den ansonsten sehr ordentlich aufgearbeiteten Christie-Plot passen, und so steht diese Verfilmung etwas hinter der Neuverfilmung von „Tod auf dem Nil“ zurück, der zwar gelegentlich auch auf die Schmalzdrüse drückte, aber nur eine gravierende „dramatisierende“ Änderung aufwies (für Kenner: Rosalie und Tim), da Christies eigener Schluß schon genug nasse Taschentücher hergab.

Dennoch – im Zeitalter der immer wiederkehrenden Psychokiller-Plots nehmen sich solche „Old-Fashioned-Whodunits“ direkt erfrischend aus, und selbst die ärgerlichen Veränderungen nimmt man dann billigend in Kauf. Und Christie-Fans kennen (und schätzen) die Serie sowieso. Bleibt nur zu wünschen und zu hoffen, daß es noch einige – wenn schon nicht alle – Folgen irgendwann auf die deutschen Bildschirme schaffen.

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