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Die Kamera fängt zu Beginn von „Mord mit kleinen Fehlern“ mehrere Szenarien ein, die alle eine Buchsequenz des berühmten Krimiautors Andrew Wyke (Laurence Olivier) darstellen. Der Schwenk endet bei einem aristokratisch wirkenden, abgebildeten Schloss. Der Vorhang öffnet sich, ein weiteres Stück, das lebendig wird, folgt. Das Synthetische wird plastisch.

Milo Tindle (Michael Caine) betritt die Bühne, gleichermaßen das inszenierte Spiel. Er trifft sich mit Wyke in den dessen Anwesen, um über seine Frau zu sprechen. Er ist der Liebhaber, der Romanschreiber ist sich dessen bewusst und macht auch nicht den Anschein, als ob er den beiden Steine in den Weg legen will. Stattdessen soll ein vernünftiges Gespräch zur Lösung führen. Im Dialog zeigt sich allerdings, dass Tindle als mehr oder weniger angesehner Frisör, den Kaufdrang der fordernden Lady auf Dauer nicht finanzieren könnte. Der Krimiautor schlägt nun einen Deal vor, den kleinen Versicherungsbetrug, von dem beide profitieren würden. Damit wären alle glücklich. Schließlich weiß der Autor, der seinen fiktiven Detektiv schon brillante Fälle lösen ließ, wie man so etwas plant. Der Vorhang öffnet sich für Spaß, Dramatik im Rahmen eines hervorragenden Drehbuchs, das Anthony Shaffer, als Erfinder des darauf basierenden Bühnenstücks, selbst schrieb.

„Mord mit kleinen Fehlern“ ist trickreicher als viele Krimis und parodiert gleichermaßen die Strukturen des Detektivs, der meint, er habe die Weisheit mit Löffeln gefressen. Die Polizei ist dabei immer ein Haufen von blöden Stümpern, die auf die Hilfe eines Außenstehenden angewiesen ist - Agatha Christie lässt grüßen. Auf der einen Seite steht Autor Wyke, der in selbstverliebter, exzentrischer Manier genau diesen Part verkörpert. Alle sind bescheuert, seine Pläne gehen auf, weil er den Erfahrungsschatz seiner Krimis verinnerlicht und die provinziellen Ermittler ohne weiteres aussticht.

Dagegen wirkt Tindle wie ein naiver Trottel, der den Anweisungen des Planers Folge leistet und damit den kleinen Betrug ermöglichen möchte. Daraus ergibt sich Slapstick pur, Tindle irrt im wahrsten Sinne des Wortes clownesk umher und tritt in sämtliche Fettnäpfchen. Der Einbruch wird zu Farce, Täter und Mittäter sinnieren lässig über die Abfolge und liefern sich Gespräche, die urkomisch erscheinen, wenn man bedenkt, dass hier Ehemann und Liebhaber der gleichen Frau Hand in Hand arbeiten.

Das Ganze wirkt wie ein Spiel, mit spielfreudigen Darstellern, die sich großkotzig bzw. tollpatschig Bälle der Schauspielkunst zuwerfen. Spiele haben aber nicht nur einen freundlichen Charakter und der erste Eindruck täuscht, wenn die Karten dann langsam auf dem Tisch liegen. Der Schein trügt, wenn der erste Plottwist folgt und aus Spaß wird ernst – oder doch nicht?

Regisseur Joseph L. Mankiewicz kann sich auf ein hervorragendes Drehbuch von Anthony Shaffer berufen, das wirklich alles vereint und so facettenreich und tiefgründig ist, dass man es weder als Spaß noch als kriminalistisches Meisterleistung bezeichnen kann. Es ist schlichtweg beides. Eine Achterbahnfahrt, die dementsprechend inszeniert wurde und mit den grandiosen Charakterdarstellungen von Caine und Olivier fast zum Selbstläufer wird. Es ist schwer nichts vorweg zu nehmen, aber es steht die Erkenntnis, dass Spiele noch nicht zu Ende sind, wenn es den Eindruck hat. Grundsätzlich gibt es immer jemanden, der besser ist, auch wenn er nicht damit kokettiert, es zu sein. Es folgen nach und nach Wendungen und Plottwists, die bis ins letzte Detail ausgeklügelt sind. Schließlich ist die Absicht eine andere, als die Versicherungen zu prellen. „Mord mit kleinen Fehlern“ hat viele Gesichter, Seitenhiebe und Finten parat.

Das filmische Pokerface löst sich schrittweise und baut dabei eine atemberaubende Spannung auf. Einerseits merkt man dem Film seine Herkunft an, das Haus ist die Bühne und wenige Darsteller verdichten den Eindruck eines Kammerspiels. Wenige Charaktere bedeuten aber nicht wenig Abwechslung, zumal Masken den Durchblick trüben und Rollenwechsel vollzogen werden. Die beiden Protagonisten stehen auf dem Prüfstand, man weiß nicht unbedingt auf was sie getestet werden, aber der Film strahlt so eine Eleganz aus, das man sicher sein, auf raffinierte Motive und Hintergründe zu stoßen. Langweile ist insofern ein Fremdwort.

Das Werk gibt viel Grund zur Freude – trockener Humor und sarkastische Andeutungen würzen das Krimi-Geschehen. Wyke ist so aristokratisch britisch, dass Tindle, der als Halbitaliener dann schon mal schlicht „Makkaroni“ genannt wird, einigen kritischen Zündstoff in diese Richtung ablässt. Der Krimigott sitzt auf seinen selbst erbauten Thron, meint Herr der Gewalt zu sein. Er ist der Autor einer dieser typisch britischen Detektive, die die Dummheit der Polizei aufdecken und in deren Romane, wie Tindle bei einer passenden Gelegenheit bemerkt, Schwarze nur als Staffage dienen. Die eigene Engstirnigkeit wird dem Krimiautor schließlich noch zum Verhängnis.

Es geht um Inszenierung, doch wer von beiden Hauptcharakteren ist der Regisseur? Klar ist lediglich, dass beide etwas im Schilde führen und Spiele zu ihrem Zweck nutzen, doch was dahinter steckt, bleibt zunächst hinter der Fassade, die Häppchenweise ihre Pracht durchblitzen lässt. Der eine spielt für sein Leben gerne, er will demütigen, der andere spielt, um zu läutern und der hochnäsigen Oberschicht symbolisch den Spiegel vorzuhalten. Der Punkt, an dem beides aufeinander trifft ist der pure Zweikampf um das Gewinnen. Verlierer und Sieger wechseln bezeichnend oft ihre Rollen, weil das Spiel erst aus ist, wenn der Regisseur es beendet.

Am Ende fällt der Vorhang wieder symbolisch, die Lösung ist erbracht und es wird Täter und Opfer geben. Der anfängliche Betrug ist nur Nebensache, das Folgende ist größer und weitaus bedeutender. In gewissem Sinne sehen wir ein Spiel des Lebens im Kontext angewandter und parodierter Krimikunst. Es lohnt sich in Mankiewicz' filmische Achterbahn einzusteigen und unvoreingenommen die Loopings und Kurven zu genießen. Es ist nicht nur ein Spiel, sondern viel mehr als das. (9,5/10)

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