Ein Film wie "Relative Strangers" , für den sich in Deutschland nicht einmal Jemand einen deutschen Titel ausgedacht hat a lá "Achtung, Fertig, Loslassen..." kann einiges verdeutlichen, weshalb ich eine Besprechung des sonst kaum aus der Versenkung herauskommenden Films als sinnvoll erachte.
Nachdem zuletzt Klasse-Filme wie "Lucky Number Slevin" , "High School Confidential" oder auch "The Ice Harvest" an unseren Kinos vorbei direkt in der Videothek landeten, weil irgendwelche Verleiher dem deutschen Publikum scheinbar gar nichts mehr zutrauen, so lagen sie hier immerhin richtig. "Relative Strangers" hat im Kino trotz einer semi-prominenten Besetzung mit Kathy Bates, Danny DeVito, Neve Cambell und in der Hauptrolle Ron Livingston nichts zu suchen.
Es zeigt sich aber auch, daß qualitative Komödien wesentlich schwerer herzustellen sind als Actionfilme. Diese finden selbst bei primitivster Machart und einer jegliche Logik verweigernden Story noch genügend Abnehmer, die sich am "Krach, Peng, Bumm" delektieren können. Bei Komödien ist aber der Grad zwischen "lustig" und "nicht lustig" so schmal, daß ein falsches Timing schon zum kompletten Niedergang führt, der bei Ansicht schmerzhafte Gefühle erzeugt.
Ganz so schlimm sind die "Relative Strangers" nicht, aber das Thema hätte - obwohl nicht neu - genügend Ansätze für eine vergnügliche Story geboten. So ist Ron Livingston geradezu prädistiniert für den verklemmten, unsicheren Mitbürger. Zuletzt als Schullehrer mit pädophilen Neigungen in "Highschool Confidential" war er ein Prachtstück an einem um äußerliche Coolness bemühten Möchte-Gern-Pädagogen, dessen zuckenden Gesichtszüge seine unterdrückten Gefühle verdeutlichten. Hier ist er ein "Political-Correctness" Fanatiker, der als Psychologe seinen Mitbürgern klar machen will, daß alles nur einer inneren Autosuggestion bedarf, um Wut und Ärger loszuwerden. Nämlich mit der von ihm vorgegebenen Formel "Achtung, Fertig, Loslassen...", die er versucht erfolgreich in einem Psychoratgeber an den Mann zu bringen.
Schon in dieser Charakterzeichnung zeigt sich die Schwäche des Films, denn sie ist furchtbar plakativ und erfüllt sämtliche Vorurteile über selbsternannte "Gutmenschen" .Hier entsteht keinerlei Identifikation mit dem Zuschauer ,besonders da Livingston im Zusammenspiel mit Neve Campbell, die seine Braut spielt, ständig noch eine wuschelweiche Superbeziehung demonstriert, mit minütlich wiederholten "Ach was sind wir glücklich"-Parolen.
Um das satirisch nachzuempfinden hätte man einen Maßstab zur Normalität gebraucht, aber den gibt es hier nicht. Richards (Ron Livingston) Adoptiv-Eltern sind die typischen reichen Snobs, denen jegliche menschliche Wärme fehlt, und Richards "echte Eltern" (Kathy Bates und Danny DeVito)sind hinterwäldlerische Hill-Billys, denen das gerigste Einfühlungsvermögen fehlt. Als ob eine einfache Herkunft gleich mit Primitivität und "sich-offen-zur-Schau-Stellung" einhergeht, hier wird die Satire zur reinen Verunglimpfung.
In den ersten 30 Minuten ist die "Komödie" deshalb kaum erträglich, weil hier sämtliche Protagonisten wie Knallchargen auftreten, hauptsache laut und geschmacklos - Differenzierungen, gar Brüche im Charakter werden nicht gezeigt. Man fragt sich ernsthaft, warum so renommierte Schauspieler sich für einen solchen Mist hergeben, der weder lustig ist noch satirisch verzerrend.
Glücklicherweise verändert sich das im Mittelteil des Films ,weil er in ruhigeres Fahrwasser gerät. Hier liegt auch Livingstons stärkster Auftritt, in dem er seine wahren Gefühle zeigt und seine vorher gezeigte "Political Correctness" als verlogen outet. Wenn ihn Alpträume plagen und er im Kleiderschrank seiner "echten Eltern" nach seiner Uhr sucht, dann blitzen tatsächlich kurz komische Momente auf.
Doch im letzten Drittel ist dann endgültig Schluß mit Lustig (tut mir leid, aber eine andere Formulierung paßt nicht zu diesem Werk) und alles geht seine gewohnten Pfade - getreu der amerikanischen Ansicht von Psychotherapie, das wenn etwas nach außen harmonisch wirkt, Keinen mehr die tatsächlichen Gedanken und Gefühle interessieren. Spätestens hier outet sich jegliche Satire Behauptung als verlogen - der Film ist noch angepaßter als alle hier dargestellten Charaktere.
Fazit : Mißlungene Komödie mit guten Darstellern, die hier aber schwach agieren. Sollte man die erste halbe Stunde durchhalten, wird es noch leidlich lustig und zuletzt typisch harmonisch, aber nicht übertrieben kitschig - dann doch dank der sperrigen Charaktere. Dafür gibt es von mir gut gemeinte (3/10).