Na endlich mal wieder ein Kinobesuch, bei dem ich hinterher nicht bereue 7,50 € investiert zu haben.
Regisseur Len Wiseman setzt seinen mit 20 Millionen Dollar Budget sehr günstigen Überraschungserfolg konsequent fort, erzählt die Geschichte rasant zu Ende und serviert mit einem aufgestockten Budget von knapp 48 Millionen ein mundendes Actionfest, wie es andere Regisseure nicht einmal mit 100 Mille hinbekommen würden. Ich nehme den talentierten Filmemacher jedenfalls ab jetzt im Abbo wahr, zumal angesichts der wiederum überzeugenden Einspielergebnisse einer Ausweitung zur Trilogie wohl in finanzieller Hinsicht auch nichts im Wege steht.
Aber was soll er jetzt noch erzählen? Neben einer Fortsetzung, der er in den letzten Minuten von „Underworld: Evolution“ auch Platz einräumt, aber die wohl dann eine Story bieten würde, die ich nicht unbedingt sehen möchte und eventuell die Reihe vermurkst, gibt es natürlich nach wie vor die Möglichkeit eines Prequels und wie das aussehen könnte, zeigt Wiseman in einer starken Opening Sequence, in der der Zuschauer mehr über den Ursprung der beiden Rassen und ihres ewig währenden Konflikts erfährt.
Der Zwist hat seinen Ursprung nämlich bereits im Mittelalter. Marcus (Tony Curran, „The 13th Warrior”, „Blade II”), der erste Vampir, und William (Brian Steele, „The Relic” „Doom”) , der erste Werwolf, haben den selben Vater. Die angeborene Unsterblichkeit hatte auf beide allerdings unterschiedliche Auswirkungen. William war als rasender Werwolf niemals in der Lage seine Wut zu unterdrücken und formte darauf unaufhörlich Bestien nach seinesgleichen, worauf Marcus mit dem im Sterben liegenden Viktor (Bill Nighy, „The Hitchhiker's Guide to the Galaxy“, „Stormbreaker“) einen Pakt einging. Für das Geschenk der Unsterblichkeit sollte Viktor mit einer Armee Unsterblicher, also Vampire, die Werwolf-Brut eindämmen und genau so ein Unterfangen zeigen die ersten Minuten.
Wisemans Auftakt nach Maß ist gleich ein heftiges Schlachtfest zwischen Vampir-Rittern, die ein massakriertes, verschneites Dorf mitten im Wald mit Schwert, Axt und Armbrust zu säubern versuchen und von den sich bereits in Werwölfe verwandelnden, toten Einwohnern überrascht werden. Es rollen Köpfe, Blut fließt in rauen Mengen und spritzt durchs Bild, Gliedmaßen werden abgehackt und Leichen durch die Gegend geschleudert. Für eine FSK 16 by the way bereits heftiger Tobak und Wiseman macht später mit blutigen Shootouts, herausgerissenen Kiefern, zermatschten und abgerissenen Köpfen genau so weiter. Sein R-Rating für “pervasive strong violence and gore, some sexuality/nudity and language” hat der Film sich jedenfalls redlich verdient.
Aus dem ohnehin mich faszinierenden Szenario bastelt Wiseman hier sogleich eine blutrünstige, wenn auch etwas zu schnell geschnittene Schlacht, deren Blutzoll beide Seiten arg dezimiert und dessen unterschiedliche Kampftaktiken ein paar sehr coole Momente zulassen. So springen die Werwölfe von Dächern die berittenen Recken an und werden Vampire gleich durch Häuser geschleudert. Darüber hinaus klärt sich endlich, wie Viktor Verrat an Marcus beging und ihn auf ewig ins Gefängnis verbannte.
Len Wiseman kehrt für seine Fortsetzung der düsteren, urbanen Gothic-Großstadt den Rücken und setzt noch mehr auf Atmosphäre – ein wichtiger Pluspunkt von „Underworld: Evolution“. Kanadas Wälder verwandelt er in die unheimlichen, verschneiten Karpaten, nutzt den prägenden, monochromatischen Blaufilter wieder sehr effektiv und kredenzt darüber hinaus ein paar feucht-schmuddelige, stimmungsvolle Burgruinen, Katakomben oder Gemäuer des Mittelalters, wohin er auch später das Finale verlegt.
Ähnlich wie bei meinem Fave Michael Mann („Heat“, „Collateral“) trifft Len Wisemans Inszenierung genau meinen Geschmack und das unverbrauchte Thema sagt mir erneut zu. So und nicht anders wollte ich die düstere Fortsetzung sehen. Das gesamte Setdesign könnte nicht idealer sein. Da passt einfach alles zu einem Mosaik zusammen.
Ohne sich an größenwahnsinnige Sperenzchen zu wagen, tritt er aufs Gaspedal, glänzt mit leckerer Action, stimmigen, düsteren Bildern und einer Heldin, die ich ständig in jeder Kampfszene lauthals anfeuern möchte.
Erzählerisch setzt er dafür genau dort an, wo „Underworld“ aufhörte und lässt, wie sich damals bereits ankündigte, Marcus frei, der wutentbrannt aus seinem ewigen Verlies ausbricht, Viktors gesamte Sippe vernichtet und sich auf die Suche nach seinem Bruder macht. Dessen Verbannungsort kennt ausgerechnet, wenn auch im Unterbewusstsein vergraben, Selene (Kate Beckinsale, „Pearl Harbor“, „Van Helsing“), die sich mit Hybrid Michael Corvin (Scott Speedman, „Dark Blue“, „xXx: State of the Union“) nach wie vor auf der Flucht befindet und nicht schlecht guckt, als plötzlich Marcus Silhouette am Nachthimmel flattert und ihr zu Leibe rückt, während sie noch gar nicht weiß, was er Vampiroberste überhaupt von ihr will.
Erstaunlich hierbei, ist vor allem die Tatsache, dass Wiseman das Tempo konsequent hoch halten kann, die hochfrequentierte Action, meist aus wüsten Schießorgien, Schlabbereinlagen oder Kämpfen zwischen Michael und Marcus bestehend, mit dem alles zu Ende erzählenden Plot in Einklang bringt, die nötigen Hintergrundinformationen ohne lange zu fackeln oder einzuhalten kurz und bündig in wabernde Flashbacks verpackt und nebenher noch der Romanze zwischen Selene und Michael ihren Platz einräumt, aber nur soviel wie nötig. Wobei der rassenübergreifende Geschlechtsverkehr wohl in seiner sinnlichen Darstellung von Wiseman pure Angabe nach dem Motto „Hey, guckt mal, mit was für einer Frau ich verheiratet bin“ ist. Aber wer kann es ihm verübeln? Ich nicht... *gg*
Sei es drum, die Actioneinlagen sind wirklich klasse. Wieder wird mit viel Gunplay, vornehmlich made in Germany (Die modifizierten G-36 sind wieder am Start), einiges, ab und an auch beidhändig feuernd, perforiert, natürlich vorwiegend Werwölfe. Marcus bekommt aber natürlich auch ein paar Magazine reingejagt.
Dann gibt es regelmäßiges Wrestling zwischen Michael und Marcus, die sich beide auch herzlich wenig schenken und Kate Beckinsale, in engem Latexanzug erneut purer Sex, die sich in Reminiszenzen übt. Wer „Underworld“ kennt, wird in einigen Momenten ein Déjà-vu erleben. Vorwiegend dann, wenn sie hoffnungslos überforderte Polizisten im Wald verprügelt.
Die kühle, kompromisslose Art, die die abgeklärte Todeshändlerin (Deathdealer im O-Ton klingt doch etwas besser...) schon im Original auszeichnete, findet auch hier wieder Anwendung und wird mit etwas mehr Charakterdevelopment verknüpft, wobei Scott Speedman neben ihrem Charisma wieder erneut blasser wegkommt und verwandelt dann auch gleich einen besseren Eindruck hinterlässt.
Dazu gibt es natürlich einige fulminante Explosionsorgien, deren Ursprung, wofür ich dankbar bin, nicht der Rechenknecht ist, sondern die auf handgemachter Pyrotechnik fußen. Überhaupt setzt Len Wiseman erneut CGI nur da ein, wo es unvermeidbar, sinnvoll, ergänzend und wenig störend ist. Hilfreich ist dabei natürlich die Tatsache, dass Creature-Designer Patrick Tatopoulos („Underworld“, „I, Robot“) nach seiner langweiligen Arbeit für „The Cave“ wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat und ein paar rasende Zottelwüteriche loslässt, die ich auch nicht unbedingt nachts allein auf der einsamen Landstraße ohne Silber im Gepäck anfahren würde.
Einen überbordenden Einsatz von Stilmitteln erspart sich Wiseman darüber hinaus auch. Slowmotion kommt nur dort zum Einsatz, wo sie der Ästhetik der Action zuträglich ist, so wie ich das von einem Actionregisseur sehen will. Insbesondere der Helikopter-Jump in Zeitlupe und das wenig später sich nach unten richtende MG-Dauerfeuer zeugen doch von seinem Verständnis für lechzende Actiongeeks.
An sich ist „Underworld: Evolution“ ansonsten zum Großteil eine typische Fortsetzung des modernen Kinos. Im Vergleich zum Erstling wurde das Plotkonstrukt deutlich an Handlung reduziert, was dem flotten Ablauf zugute kommt.
Die Integration von Alexander Corvinus (Derek Jacobi, „The Odessa File“, „Gladiator“), der auf seiner schwimmenden Hightech-Stützpunkt und der dort stationierten, bis an die Zähne bewaffneten Privatarmee das Treiben von Werwölfen und Vampiren überwacht, und später einiges an Hintergrundinformationen preisgibt, ist die sinnvollste Ergänzung, während Selenes Besuch beim verräterischen, verbannten Vampir-Chronisten Tanis (Steven Mackintosh, „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“, „The Jacket“) zwar ein paar schicke Fights gegen Werwölfe bereithält, ansonsten dem Handlungsablauf aber nur wenig einbringt.
Damit fallen komplizierte Konspirationen innerhalb und unterhalb der Clans konsequent weg und werden die Beteiligten auf ein überschaubares Maß zusammengeschrumpft, was mir persönlich entgegenkam. Denn, wenn ich etwas an „Underworld“ auszusetzen hatte, dann war es bisweilen die Verschleppung des Tempos.
Während Marco Beltrami nach seiner schwachen „Red Eye“ – Arbeit wieder in sein Metier, den Actionfilm, zurückgefunden hat und einen temporeichen Score beisteuert, kann man sich Len Wiseman auch damit rühmen dezent mit Situationskomik umzugehen, ohne gleich eine ganze Szene lächerlich zu machen und mit Marcus, der nie lange fackelt, einen schier unüberwindbaren Gegner aufzubauen, dem Selene zunächst nur mit knapper Not entkommen kann. Freut mich ohnehin für den schottischen Marcus-Darsteller Tony Curran, einer meiner Lieblinge des unterschätzten „The 13th Warrior“, dass er mal in einer größeren Rolle ran darf, auch wenn er meist unter einer Maske steckt.
Fazit:
Geil! Ich habe an „Underworld: Evolution“ eigentlich nichts Wesentliches auszusetzen. Der Schnitt könnte ab und an weniger hektisch sein und zum Schluss schwirrte mir auch der Kopf von den vielen Namen ein wenig, aber insgesamt betrachtet, muss ich ganz ehrlich sagen, ist Len Wiseman mit seinem zweiten Actionfantasyhorror-Spaß ein Film gelungen, für den ich das Eintrittsgeld gern investiert habe – auch weil die wummernde Soundkulisse überzeugte.
Meine Erwartungen wurden nach dem Trailer voll und ganz erfüllt.
Wirkliche Spannung fällt in diesem düsteren Actionfestival natürlich flach, aber dafür wird der erste Teil hiermit logisch zuende erzählt und überbieten sich die brachialen, möglichst CGI-freien Actionszenen gegenseitig mit Sperrfeuer, Pyrotechnik, brutalen Dezimierungsmaßnahmen und stylishen Manövern.
Wiseman lässt zudem dank des hohen Tempos und hohen Actionanteils zu keiner Sekunde lange Weile aufkommen, trifft mit seinen verschneiten, mittelalterlichen Ruinen, in denen sich das meiste abspielt, genau den richtigen Ton und setzt die stimmungsvolle Bildästhetik seines Erstlings fort.
Wahrlich ein Testosteron-Film, den ich mal wieder so richtig bis in den letzten Frame genossen habe.
Wenn ein dritter Teil denn nun tatsächlich Not tut, bitte ein Prequel in der Arts des Prologs. Da müsste Kate Beckinsale vermutlich zwar außen vor bleiben, aber dieses Medieval-Szenario hätte echt was...