Ein Blick in die Rekordbücher der Oscar Verleihung genügt, um die Besonderheit von „Driving Miss Daisy“ erkennen zu können. Unter anderem konnte der Film die Kategorie „Best Picture“ für sich entscheiden, obwohl der Regisseur Bruce Beresford nicht nominiert war. Darüber hinaus ist Jessica Tandy mit damals 81 Jahren die bisher älteste Gewinnerin für den Preis der besten Schauspielerin.
Entgegen der Erwartung ist die Story an sich aber alles andere als außergewöhnlich. Im Prinzip verrät der deutsche Titel „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ alles, denn viel dreht sich um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem schwarzen Chauffeur Hoke (Morgan Freeman) und der alten, jüdischen Lady, Miss Daisy (Jessica Tandy). Von einer freundlichen Beziehung kann allerdings zunächst nicht die Rede sein. Nur widerwillig akzeptiert die resolute Südstaatenlady, dass sie nicht mehr Auto fahren sollte, nachdem sie wieder einmal einen Luxuswagen zu Schrott gefahren hat. Ihr Sohn Boolie (Dan Aykroyd), ein wohlhabender Unternehmer, engagiert daraufhin Hoke (Morgan Freeman) als Chauffeur. Allerdings denkt die Prinzipienreiterin Miss Daisy nicht im Traum daran diese Dienste in Anspruch zu nehmen. Doch zwischen Ignoranz und Geduld entwickelt sich langsam eine ungewöhnliche Freundschaft, die noch lange andauern sollte.
Schwer ist der Beginn allerdings nur in Hinblick auf die Freundschaft, denn für den Betrachter ist der die Welt der Miss Daisy schnell zugänglich, was durch wunderbare, stechend scharfe, zeitgemäße Bilder und den Südstaaten Flair, gelingt. Begleitet von fröhlich lockeren Hans Zimmer Klängen, die zwar noch nicht so perfekt abgerundet wie heutzutage wirken, wird eine ansprechende Grundstimmung erzeugt. Ideale Vorrausetzungen für eine interessante, komplizierte Freundschaft, die sich immer auf einen schmalen Grat zwischen Toleranz und Verständnis bewegt. Was zunächst wie ein Verhältnis zwischen Prinzipienreiterin und geduldigen, nach Verständnis suchenden Bediensteten aussieht, wird, ehe man es sich bewusst wird, zu einer komplizierten Beziehung, bei der selbst Rassen- und Religionskonflikte eine Rolle spielen.
Es ist erstaunlich, wie man aus der simplen Konstellation eine derartig komplexe Geschichte schmieden kann. Geprägt von Konflikten, meist aufgrund grotesker Ticks und Prinzipen der alten Lady, erlebt man, wie sich Miss Daisy und ihr Chauffeur immer mehr zu einem Paar entwickeln und gemeinsam altern. Der Kitschsektor wird dabei nie ernsthaft berührt, vor allem, weil die beiden den letzten Schritt zur gewöhnlichen Liebesbeziehung nie vollziehen.
Ebenso außergewöhnlich ist die Schauspielerei, wobei auch hier die Darsteller der Protagonisten jeden in den Schatten stellen. Jessica Tandy atmet den Geist von Miss Daisy. Darüber hinaus präsentiert sich Morgan Freeman als Chauffeur großartig, speziell bei Szenen in denen seine Geduld von der alten Dame auf die Probe gestellt wird, ist die Gestik und Mimik der Perfektion nahe. Es ist unverständlich, dass Freeman 16 weitere Jahre auf den verdienten Lohn warten musste, zumal „Driving Miss Daisy“ mit 9 Nominierungen hoch im Kurs bei der Oscar-Jury war. Aufgrund der Leistungen der Hauptdarsteller ging Dan Aykroyd mehr oder weniger unter. Lediglich als Feuerlöscher fungierend, wenn seine Mutter wieder einmal über die Stränge schlug, sorgt er für Highlights, indem er versucht zwischen Miss Daisy und Hoke zu intervenieren.
Ungeachtet der Auszeichnungen und Rekorde darf man getrost von einem gelungen Film über eine der außergewöhnlichsten Beziehungen der Filmgeschichte sprechen. Berücksichtigt man allerdings die starke Konkurrenz bei der damaligen Oscar Verleihung in „Der Club der toten Dichter“, so ist zumindest der Gewinn der „Best Picture“ Kategorie fragwürdig, wenngleich nicht ungerechtfertigt. Dennoch überzeugen vor allem die Schauspieler und eine schöne Atmosphäre im Rahmen eines an sich einfach gestrickten Plots, der aber gekonnt auf interessante Themen ausgedehnt wird. (6,5/10)