Ich wage es, Steven Spielberg zum einen Mut, zum anderen Respekt entgegenzubringen. Die Verfilmung einer realen Geschichte, die sehr erhitzte Gemüter zurückgelassen hat, ist mit Sicherheit kein Zuckerschlecken und birgt Risiken. Spielberg war sich dessen bewusst und wollte das Vorhaben trotzdem in die Tat umsetzen. Offenbar nicht, um Stellung zu beziehen, denn der Film ist meiner Meinung nach recht neutral gehalten, sondern um eine universelle Botschaft zu vermitteln, die man grob zusammenfassen kann mit den Worten "Gewalt erzeugt Gegengewalt". Viele Kritiker sind der Überzeugung, dass der Film antiisraelische Züge zeigt. Das kann ich nicht wirklich nachvollziehen, da Spielberg sich selber in einer jüdischen Gemeinschaft befindet und wohl alles Andere im Sinn hatte, nur nicht, gegen sie Stellung zu beziehen. Im Anbetracht der Härte der Bilder, die er während der Geiselnahme zeigt, hat sich meine Meinung hierzu gebildet.
1972 fand im Rahmen der olympischen Spiele in Deutschland die angesprochene Geiselnahme statt. Die Gruppe "Schwarzer September", die ich als terroristische Palästinenser bezeichnen möchte, schlich sich in der olympische Dorf ein. Die Sicherheitsvorkehrungen waren dort bewusst niedrig gehalten, um das deutsche Bild nach den Spielen 1936 zurechtzurücken. Sie machten sich schwer bewaffnet zur israelischen Olympiamannschaft auf, um diese zu geiseln. Dabei wurden sofort 2 getötet. Die weiteren neun verloren ihr Leben beim Flughafen Fürstenfeldbruck, wo eine desaströse Vorstellung der deutschen Polizei vielen weiteren Menschen den Tod brachte. Auch 5 der 8 Terroristen mussten ihr Leben lassen. Die anderen drei konnten sich über eine spätere Flugzeugentführung befreien. Daraufhin setzten die Israelis die sogenannte "Mossadeinheit" ein, die für Vergeltung sorgen sollte. Die offizielle Begründung für die Einheit war natürlich nicht Vergeltung, es sollten wichtige Personen in einem terroristischen Netzwerk zur Strecke gebracht werden.
Spielbergs Film beschäftigt sich nun mit der Arbeit dieser Einheit und verwendet teilweise sogar echte Nachrichtenbilder aus dieser Zeit. Fiktion und Realität verschwimmen allerdings, die Trennung ist vor allem für Unwissende nicht möglich, was ebenfalls von vielen Kritikern angebracht wurde. Auch hier stimme ich nicht zu, da es sich um die künstlerische Freiheit Spielbergs handelt. (Das betonte er selbst auch mehrmals) Es ist nunmal keine Dokumentation, sondern ein Film. Im Mittelpunkt steht der ehemalige Leibwächter Avner (Eric Bana) der israelischen Ministerin Golda Meir (Lynn Cohen), der den Racheauftrag - ich nenne ihn jetzt einfach mal so - ausführen soll. Dabei wird ihm ein mehrköpfiges Team zur Verfügung gestellt, dem bekannte Schauspieler wie Daniel Craig oder Hanns Zischler angehören. Sogar Moritz Bleibtreu darf eine kleine Nebenrolle übernehmen. Es werden nun die tatsächlich durchgeführten Anschläge in filmischer Form dargestellt und die damit verbundene psychische Verkommung der Beteiligten. Avner wird am Ende völlig paranoid und Spielberg will uns zeigen, wie unsinnig Gewalt doch sein kann.Ich stimme ihm hiermit vehement zu, will das aber nicht zu sehr vertiefen, weil es erstens zu weit führt und zweitens die Fronten in dieser Hinsicht wohl niemals vereint werden können. Aber eines Tages wird der Mensch über seinen stolzen Schatten springen und auf Vergeltung verzichten müssen, sonst wird die Gewalt nie ein Ende finden können. Täter müssen bestraft werden, aber eigenhändige Rache wird niemals ein geeignetes Mittel sein.
Die Kritiker, die scheinbar nichts Anderes als die intrafilmischen Stellungnahmen vertiefen, vergessen, dass man auch andere Punkte kritisieren kann. Beispielsweise ist der Film deutlich zu lang. 50 % der an meinem gestrigen Videoabend Beteiligten mussten gegen Ende mit dem Schlaf kämpfen, die Hälfte hat verloren. Anfangs wird in sehr brutaler Weise das Vorgehen der Entführer gezeigt, das hat mir gut gefallen, weil es mit großer Wahrscheinlichkeit der Realität nahe kommt. Dann kommt Avner in’s Spiel und die anfängliche Ausführung seiner Mission wird mit intensiven und beeindruckenden Bildern dargestellt. Gut gefallen hat mir beispielsweise die abwechslungsreiche Kameraführung. Nach den ersten drei Anschlägen, unter anderem in Paris, wird der Film zäher und zäher. Nach einiger Zeit bemüht sich Spielberg offensichtlich nicht mehr primär um die Gewaltdarstellung, sondern um die moralische Erörterung des Themas und den Einfluss auf die Psyche des Menschen. Da er hier sehr vorsichtig vorgehen musste, um sich keine Feinde zu machen, nehmen diese "Frontenrechtfertigungsabschnitte" viel Zeit in Anspruch, bildlich und dialogtechnisch. Das schmälerte für mich enorm den Gesamteindruck des Films.Die Musik von John Williams ist wie üblich tadellos, hält sich dezent im Hintergrund und wurde für einen Oscar nominiert. Insgesamt wurde "München" für 5 Oscars nominiert, auch in der Kategorie "Bester Film". Zudem für das adaptierte Drehbuch, für die Musik, für den Schnitt und für die Regie. Für Musik, Schnitt und Regie hätte ich keine Einwände für eine Oscarvergabe vorgebracht, bei den beiden anderen Kategorien hätte ich wie oben erörtert protestiert.
Fazit: Spielberg hat sich mit "München" an ein heikles Thema der Geschichte herangewagt. Die Umsetzung bemüht sich um Neutralität und das wird dem Film zum Verhängnis. Denn es ruft beinahe unerträgliche Längen hervor, besonders wohl bei Menschen, die sich mit dem Thema noch nicht intensiv beschäftigt haben, daher rate ich selbigen vom Filmgenuss ab. Die erste Hälfte des Films ist äußerst spannend und wird von harten Bildern begleitet. Gegen Ende lässt Spielberg spannungstechnisch nach. Schauspielerisch ist das Ganze überzeugend und die Botschaft ist unverkennbar. Insgesamt schwanke ich zwischen 6 und 7 Punkten, entscheide mich jedoch gerne für 7. EuerDon