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Dem Großteil der Kinogänger und gewöhnlichen Filminteressierten dürfte Regisseur Steven Spielberg in Verbindung mit Blockbustern wie „Jurassic Park“, „E.T. - Der Außerirdische“, „Der Soldat James Ryan“ oder dem gerade im vergangenen Kinojahr 2005 angelaufenen Science-Fiction-Remake „Krieg der Welten“ bekannt vorkommen. Spielberg gehört zweifelsohne zu den einflussreichsten Größen im Filmgeschäft und konnte nun schon seit über 40 Jahren seine Produktivität und Vielseitigkeit als Filmemacher, Produzent und Drehbuchautor in unterschiedlichsten Filmrichtungen unter Beweis stellen. Allerdings liegt es ihm nicht nur sein Publikum leicht zu unterhalten, sondern er ist auch im Stande sich ernsteren Themen zu widmen, wie er es uns z.B. mit „Schindlers Liste“ eindrucksvoll gezeigt hat. Sein neues thrillerartiges Terror-Drama „München“ geht wieder deutlich mehr in diese Richtung. Denn Gegenstand des Films ist kein minder heikles und kontroverses Thema, welches mit dem heutigen Ausmaß an Terrorismus aktueller kaum sein könnte.

September 1972: Die Geiselnahme von israelischen Sportlern durch acht palästinensische Attentäter während der 20. Olympischen Sommerspiele in München mündete in einem regelrechten Blutbad. Zwei der elf Mitglieder der israelischen Olympia-Mannschaft wurden bereits im Mannschaftsquartier erschossen und neun weitere als Geiseln genommen. Die Gruppe der Extremisten, die sich „Schwarzer September“ nannte, forderte die Freilassung von 232 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen, ebenso wie die Freilassung der deutschen Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Die israelische Regierung machte klar, dass mit Terroristen nicht verhandelt wird; die deutschen Behörden lehnten das israelische Angebot, die Geiseln von einem israelischen Antiterrorkommando befreien zu lassen, ab. Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck, zu dem die Geiselnehmer samt ihren Geiseln nach Scheinverhandlungen ausgeflogen worden waren, kam es schließlich zum Massaker, als schlecht ausgebildete deutsche Scharfschützen einen wenig koordinierten Befreiungsversuch starteten. Dabei kamen alle Geiseln sowie alle bis auf drei der Terroristen ums Leben.

Doch der eigentliche Schwerpunkt des weiteren Verlaufs ist nicht der Schauplatz München, sondern die heimliche Vorbereitung eines Vergeltungsschlags seitens der israelischen Regierung, der die verantwortlichen Köpfe hinter der Terrorvereinigung „Schwarzer September“ zur Strecke bringen soll. Zu diesem Zweck wird ein Killerkommando unter dem Decknamen „Operation Zorn Gottes“ von insgesamt fünf Mitgliedern zusammengestellt, beauftragt die elf Hintermänner des Olympischen Attentates zur Strecke zu bringen. Kopf des Kommandos ist der inoffizielle Mossad-Mitarbeiter und Patriot Avner, überzeugend gespielt von Eric Bana („Hulk“, „Troja“, „Chopper“). Von seinem Vorgesetzten Ephraim (dargestellt von Geoffrey Rush, u.a. bekannt aus „Fluch der Karibik“) wird er instruiert, alle Kontakte abzubrechen, seine schwangere Frau zu verlassen und sich in Europa mit seinem Team zu treffen: dem Südafrikaner Steve (gespielt vom künftigen Bond-Darsteller Daniel Craig, „Layer Cake“), dem Deutschen Hans (Hanns Zischler, „Kommissar Beck“), dem bedächtigen Carl (Ciáran Hinds, „Die Journalistin“) sowie dem Sprengstoffexperten Robert (Mathieu Kassovitz, „Das fünfte Element“). Ein deutscher Kontakt (Moritz Bleibtreu, „Solino“, „Lola rennt“) vermittelt Avner an den Franzosen Louis (Mathieu Amalric), der sie mit Namen und Hinweisen versorgt, so dass sich die Gewaltspirale unweigerlich in Gang setzt.

Spielberg lässt sich sehr viel Zeit für die Exposition und versorgt uns dabei mit den tragischen und bedrückenden Bildern des Attentats, die teils aus Originalmaterial, teils aus nachgestellten Szenen bestehen. Die zahlreich eingesetzten Berichterstattungen sorgen für die nötige Distanz und Authentizität, die zwischendurch eingeschobenen Aufnahmen aus dem Geschehen für Dramatik und Betroffenheit. Eine genauere Schilderung hebt man sich für Rückblenden auf, die später im Film zum Einsatz kommen. Wurde man ausreichend mit den damaligen Vorkommnissen vertraut gemacht, folgt die nach außen streng linear und monoton wirkende Abarbeitung der israelischen Racheakte bis ins Detail, die stets unter Beobachtung der Protagonisten, den Mitgliedern des Killerkommandos, in nächster Nähe zum Geschehen stattfindet. Wobei man die dazwischen liegende Zeit verkürzt, spätestens aber bei der Vorbereitung des nächsten Attentats wieder eingeblendet wird. So verzichtet Spielberg wahrscheinlich mit Absicht auf einen großen Spannungsbogen, lässt lieber die Ereignisse und die Charaktere für sich sprechen. Zu Beginn erscheint das sehr gewagt, doch mit der Zeit begreift man, dass es nicht vordergründig um die Anschläge geht. Vielmehr bleibt der Fokus auf den Protagonisten, deren Verhalten, deren Zweifel und Ängste, deren Veränderung während ihres Auftrags. Für die ausreichende Spannung und Dramatik sorgen die aufeinanderfolgenden Exekutionen der Hintermänner, die dabei auftretenden Risiken und Vorfälle und die Fehler und Unachtsamkeiten der Einzelnen aus dem Team, die meist dazu führen. Nach und nach gerät die Operation in Gefahr, je mehr der Verantwortlichen hinter „Schwarzer September“ hingerichtet werden, umso mehr ist auch die eigene Organisation gefährdet. Die Jäger werden zu Gejagten, das Leben der Mitglieder der Gruppe wird zunehmend deutlicher bedroht. Hinzu kommen Selbstzweifel, Schuldgefühle, Unsicherheit und Paranoia, der Avner wohl am meisten zum Opfer fällt. Und aus all dem wird dem aufmerksamen Zuschauer nur eins zu bewusst: Gewalt ruft nur noch mehr Gewalt hervor. Oder wie es im Film in ähnlicher Weise heißt: Jede getötete Zielperson wird durch noch schlimmere Nachfolger ersetzt. Dieses Prozedere am Beispiel des ewigen Kriegs zwischen Israel und Palästina weist auf etwas Allgemeines hin und ist aktueller denn je: Ein nicht enden wollender Konflikt, ein Teufelskreis der gegenseitigen Vernichtung. Allein schon die abschließend gewählte Szenerie vor dem Hintergrund des World Trade Centers besitzt große Ausdruckskraft und spricht Bände.

Die Darsteller ordnen sich allesamt ihrer Aufgabe unter, keiner drängt sich mehr in den Vordergrund als nötig, jeder Akteur verhält sich zweckgemäß. Dabei können die schauspielerischen Qualitäten durchweg überzeugen, auch wenn man nichts Außergewöhnliches zu sehen bekommt. Aber hervorstechende Einzelleistungen sind auch gar nicht vom Drehbuch vorgesehen.








Optisch macht „München“ einiges her. Entfremdet und unterstrichen mit optischen Farbfiltern fängt die Kamera einen visuell bestechenden, ziemlich erlesenen Siebziger-Jahre-Look ein, wofür sich nicht zuletzt auch das hervorstechende Produktionsdesign verantwortlich zeichnet.
Die Bilder erfüllen stets ihre Funktion: Sie wirken authentisch und realitätsnah, stimmen nachdenklich und ruhig oder vermitteln Hektik und Dramatik, und sind dabei immer an die jeweilige Situation angepasst und nie fehl am Platz. Geht bei einem Anschlag etwas schief, wird in einer hektischen Montage zwischen den Reaktionen der Teammitglieder, die sich immer in der Nähe zum Tatort befinden und bereithalten, und den eigentlichen Vorgängen hin und her geschnitten. Beginnt ein Charakter zu handeln, folgt ihm die Kamera meist in einer unruhigen Fahrt, nah positioniert zum Darsteller, wobei die Schnittfrequenz in Abhängigkeit der jeweiligen Situation entweder sehr hoch bzw. niedrig gehalten ist.
Gegen Ende werden in einer Sequenz während eines Liebesaktes zwischen Avner und seiner Frau, die erschütternden Bilder des Fiaskos auf dem Flughafen in München, wo die Geiselnahme ihr blutiges Ende fand, in kurzen, nahezu bruchstückhaften Rückblenden dazwischen geschnitten, als würden sie wie nie da gewesene Erinnerungen vor unserem geistigen Auge ins Gedächtnis gerufen. Den eigentlichen Ausgang der Geiselnahme, der die israelischen Racheakte überhaupt erst hervorrief, bewahrte man sich damit für den Schluss auf. Denn diese Ereignisse wurden dem Zuschauer bis zu diesem Zeitpunkt vorenthalten.

Die Musikuntermalung, komponiert und arrangiert von keinem geringeren als Filmkomponisten John Williams, drängt sich dem Zuschauer in keiner Weise auf, bleibt den ganzen Film über stimmig und wird sehr dezent und nur wenn nötig mit viel Dramatik an den angebrachten Stellen eingesetzt, ganz nach dem Prinzip: weniger ist mehr.

Somit sorgen Kamera und Score für ein gelungenes Ambiente und dank der kostspieligen Ausstattung auch für eine passende und authentische Atmosphäre, die das Publikum ohne Weiteres in die Vergangenheit zurück versetzt.

Fazit:

Was Steven Spielberg mit „München“ in Angriff genommen hat, ist nicht nur aus historischer Sicht gewagt, sondern mit Blick auf den heutigen Konflikt umso mehr politisch brisant und darüber hinaus erfrischend vielschichtig. Entgegen den üblichen Erwartungen ist der Film kein reines Kommerzprodukt und längst nicht so massentauglich wie sonstige Spielberg-Verfilmungen. Nach langem zeigt er mal wieder, dass er auch anders kann, als nur Unterhaltungskino am Fließband zu produzieren, das entweder stark effektorientiert ist oder häufig zu ergreifendem Hollywoodkitsch mit Happy End neigt. Aus dem Grund kommt München auch als sehr untypisch für Spielbergs Schaffen daher. Ausnahmsweise verzichtet er mal auf ein wohlbekömmliches und zufriedenstellendes Ende, viel bedeutsamer ist ihm die Botschaft, die der Film übermitteln soll. Und die macht „München“ keinesfalls leicht verdaulich und dürfte nicht jedem schmecken. Diesen Weg hätte ich ihm nicht zugetraut und das rechne ich ihm positiv an.
Einziger Wehrmutstropfen ist die Tatsache, dass sich der Film teilweise unnötig in einigen Details verläuft, so dass gewisse Hänger und Längen in Sachen Spannung und dem Vorantreiben der Handlung automatisch vorprogrammiert sind. Erst recht der Schluss ist für meinen Geschmack zu lang geraten. Man hätte den Plot daher zugunsten der Sehgewohnheiten der breiten Masse ein wenig straffen können, um einen Leerlauf von vorn herein zu vermeiden. Wer sich jedoch voll und ganz auf den Film einlässt, wird seinen Gefallen an den Einzelheiten finden.
Was „München“ letztlich insgesamt zu einem herausragenden Film fehlt, ist die nötige Hochspannung, die ein kontroverser und alles andere als leichtfüßig zu bezeichnender Film mit Überlange nun mal unbedingt braucht, und welche leider nur in gewissen Szenen, jedoch nicht durchgängig, eingehalten wird. Trotz alledem bleibt er überdies sehr sehenswert, sorgt für unangenehme Betroffenheit und regt vor allen zum Nachdenken und Innehalten an. Und gerade der letzte Aspekt ist bei Filmen dieser Art sehr von Bedeutung.

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