Es war 1966, das Jahr von Sergio Corbuccis Ur - „Django“, der enormen Einfluss auf den Italo-Western haben sollte und gleichzeitig die findigen, deutschen Vertriebe auf den Plan rief, nahezu jeden zweiten Western aus Italien mit einem Titelhelden namens Django auszustatten, egal ob es passte oder nicht. Die deutsche Synchronisation wurde notfalls eben so umgestaltet. Besonders oft erwischte es Neros Western, denn „Django - Sein Gesangbuch war der Colt“, der eigentlich „Tempo di massacro“, also Zeit des Massakers, heißt, hat beispielsweise genauso wenig wie „Django 2“ aka „Texas, addio“ mit dem Original zu tun. Soviel dazu, um irgendwelchen Irrtümern vorzubeugen. Im folgenden Review belasse ich es aber beim Namen Django, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften, obwohl Neros Figur eigentlich Tom Corbett heißt.
Bemerkenswert an diesem Film ist natürlich vor allem sein Regisseur Lucio Fulci, den ich aufgrund seiner, in meinen Augen absolut widerlichen und meist streng plakativen, sich schon locker jenseits der Grenze zum guten Geschmack bewegenden Gore-Einlagen in seinen späteren Horror-Werken am Liebsten links liegen lasse. Der Mann war allerdings universell tätig, konnte sich den Filmtrends anpassen und hat neben Komödien eben auch ein paar Italo-Western (u.a. noch „Um sie war der Hauch des Todes“, „Silbersattel“ und den Spätwestern „Verdammt zu leben – Verdammt zu sterben“) gedreht, wobei „Django - Sein Gesangbuch war der Colt“ den soweit gelungenen Auftakt darstellt.
Nero, wie immer eine schauspielerische Bank, gibt hier den von zu Hause ausgezogenen Django, den plötzlich die Nachricht ereilt, er möge doch schnellstmöglich in seine Heimat zurückkehren. Dort angekommen, muss er feststellen, dass die lukrative Ranch seines Bruders, genau wie die halbe Stadt, das Logo von Mr. Scott (Giuseppe Addobbati, „Ein Loch im Dollar“, „Django - Gott vergib seinem Colt“) trägt, der alles und jeden unter seinem Namen knechten lässt. Seinen Bruder findet er als Säufer vor und weil alle Einwohner vor Scotts Sohn Jason (Nino Castelnuovo, guckt so angestrengt verkniffen psychopatisch, als hätte ihm wer einen Regenschirm in den Hintern geschoben und aufgespannt) Angst haben, ist es mit Informationen und Unterstützung sowieso mal essig.
Wer nun glaubt es handele sich hierbei um einen Simpel-Plot, indem Django mal fix Scott und seine Mannen in den staubigen Wüstensand beißen lässt, der soll sich täuschen, denn Schreiberling Fernando Di Leo („Navajo Joe“, „Das Gold von Sam Cooper“) gehört zu den Besseren seiner Zunft. Di Leo, der auch an Leones „Dollar“ – Filmen mitschrieb, offenbart hier eine Geschichte mit ungeahnten Verwicklungen der auf den ersten Blick doch so klar voneinander getrennten Seiten. Ohne viel verraten zu wollen, der Film hat intelligente Wendungen, die man in diesen Ausmaßen innerhalb des Genres meist vergeblich sucht.
Fulcis vor allem in der ersten Hälfte stattfindende Stilisierung Djangos (ganz in schwarzer Kluft), steht im Widerspruch zur eigentlichen Figur, die zwar klug ist und mit dem Schießprügel umgehen kann, aber keinesfalls über den Dingen steht und ohne Hilfe seines Bruders Jeff (George Hilton, hier darf er mal zeigen was er kann, „Django und Sabata - Wie blutige Geier“) erstmal nicht voran kommt, sich zusammen mit seinem volltrunkenen Bruder mit Scotts Schergen prügelt, ansonsten aber Lehrgeld zahlen muss.
Hier tritt dann auch Fulcis zügelloser, exzessiver und unwirsch die Gefühle verletzender Umgang mit Gewalt in Erscheinung. Als Django Mr. Scott zur Rede stellen will, warum er die Leute so aussaugt, verpasst sein psychopathischer Sohn ihm minutenlang schmerzlichen Nachhilfeunterricht in Sachen Peitschenschwingen. Django entkommt entstellt, blutbesudelt und mit letzter Kraft nur, weil der Vater beziehungsweise sein Leibwächter dazwischen geht. Erschossene Kinder und die klar überdurchschnittlich harte Saloon-Prügelei weisen ebenfalls deutlich auf Fulcis Handschrift hin.
Auch wenn ich den Mann nicht für einen politischen Filmemacher halte, so lässt sich auch hier passagenweise Gesellschaftskritik ausmachen, da die Farm der Scotts wohl so eine Art Wochenend-Sanatorium für die Upper-Class darstellt. Eine Art kurzfristiger Urlaub auf dem Lande, um zu relaxen, seine „Sorgen“ zu vergessen und sich pikiert über solche dreist hereinplatzenden Typen wie Django zu zeigen. Eine ähnliche Sprache spricht ja auch die Opening-Sequence, die wilde, unmenschliche Jagd auf einen zerlumpten Mexikaner, ganz als ob (beispielsweise) die Briten auf Fuchsjagd gehen würden. Ähnlich unmenschliche Umgänge, vor allem mit den damals oft wie Sklaven ausgenutzten Mexikanern, lassen sich in unzähligen Genrekollegen wiederfinden.
Da „Django - Sein Gesangbuch war der Colt“ etwas unüblich zu einem Großteil auch bei Nacht spielt, was vor allem zu Beginn das Warten auf etwas Ungewisses, weil Unsichtbares, gleich metaphorisch zu einer spannenden Angelegenheit macht, kann er für sich zeitweise einen düsteren, unheimlichen Bildstil für sich verbuchen. Humor ist zwar dezent vorhanden und ein chinesischer Sidekick hellt das Geschehen als gewitzter Informant immer wieder auf, grundsätzlich hat man es hier allerdings mit bitterbösem Filmstoff zu tun.
Der endet, wie sollte es auch anders sein, in einer ausufernden Schießerei auf Scotts Ranch, wo es neben expliziten Make Up-Effekten (u. a. Headshots), auch akrobatische Einlagen (u.a. Salto) zu sehen gibt und das Ende so roh, drastisch und erbarmungslos daherkommt, wie es zu der Zeit sich wohl nur Fulci traute. Es gibt also kein finales Schießduell mit schweißtreibender Musik und verkniffenen Blicken. Der Film ist da wesentlich direkter und menschlicher.
Fazit:
„Django - Sein Gesangbuch war der Colt“ ist grundsätzlich Fulci und das meine ich hier einmal positiv. Der wirklich überraschende, sich klar über Genrestandard ansiedelnde Plot von Fernando Di Leo und Fulcis unbeschminkt harter Realismus vermischen sich zu einem Italo-Western der besonderen Art. Frei von unüberwindlichen Revolverhelden und dem simplen Gut/Böse-Konstrukt erweist sich Fulcis Westerndebüt als überaus spannender, in seiner Mittel nicht zimperlicher, ehrlicher Genrebeitrag, in dem weit mehr steckt, als man nach den ersten Minuten vermutet.