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Auch wenn die CCC-Produktion Schreie in der Nacht darauf angelegt zu sein scheint, mit Joachim Fuchsberger und Marianne Koch als Wallace-Epigone oder neuzeitlich auch Giallo in falsche Erwartungshaltung zu versetzen, so nützt ein offenes Gemüt manchmal wenig, sich mit dem Genrecocktail anfreunden zu können. Antonio Margheritis Film ist ein orientierunsarmer Bastard, der den Eindruck erweckt, als habe sich die Mutter eines Hammer-Regisseurs nicht mehr erinnern können, ob sie von Vittorio De Sica oder doch Mario Bava geschwängert worden ist.
Diese Identitätskrise beschert uns einen diffusen Blick auf das Leben eines Erben in den 1920er Jahren und seine enge Gesellschaft. Eine zeitlang hält sich Margheriti zurück, läßt seine trockene Einführung den zähen Tonus von Schreie in der Nacht bestimmen. Erst als die Kerngruppe bei einer Autofahrt durch Wind und Wetter des Nächtens im Morast stecken bleibt, arbeitet er auf mysteriöse Weise die Spannungen unter den Personen aus.

Unter Verwendung eines anstrengend repitativen Musikthemas findet man Unterschlupf in einem Hause, welches durch Jagdtrophäen und eine in Trance verharrende alte Frau nicht gerade einladend erscheint. In die Seance eingebunden erlebt die Gruppe neue Einblicke in sie alle belastende Missetaten, unterbrochen von lesbischem Begehren, welches zu Gunsten der Figurenzeichnung von Schreie in der Nacht bis auf eine kurze Episode nicht graphisch wird.
Antonio Margheriti schafft wenig Leitlinien, die eine Unterscheidung zwischen Realität und Surrealismus, eine Aufschlüsselung der internen Logik ermöglichen. Wären diese, gerade für eine Besetzung Fuchsbergers ungewöhnlichen, durchweg von negativen Schwingungen belasteten Rollenbilder eingängiger behandelt, anstatt man sich für Schreie in der Nacht mit scheinbarer Willkür und um Kreativität bemühter Kamera beholfen hätte, es wäre wohl ein weniger gefühlskalter Eindruck von handlungsführender Hilflosigkeit entstanden, wie Figuren im Angesichts des Todes ihrer Taten bewußt werden, als Margheriti das Kammerspiel in einer Schlammesflut von der Bildfläche spült.

Sich so sperrig einer zuschauerfreundlichen Dichte verweigernd, kann Schreie in der Nacht sehr zäh für sein Publikum werden. Im Vergleich scheinen Dialogkürzungen des deutschen Verleihs da nur konsequent, obschon die italienische Fassung in den längeren Sequenzen von einer natürlicheren Schwere profitiert. Das Ergebnis erzielen beide Versionen ähnlich durchdringlich als ein matt schillerndes Kuriosum über den Niedergang, welches dem Filmfreund für eine ungehemmte Konzession sehr viel Demut abverlangt.

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