Etikettenschwindel.
Mangels besserer Vermarktungsmöglichkeiten haben findige (oder windige) Verleiher dem französischen Film „Wie sehr liebst du mich?“ mal eben das Prädikat Romantikkomödie aufgedrückt und jubeln es so dann auch dem Publikum unter, das dann angesichts des vollständigen Films reichlich Ohrensausen bekommt.
Denn der französische Altmeister Betrand Blier erzählt hier zwar eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, präsentiert sie aber nicht erzählend, wie das allgemeine Publikum sie nun mal gewöhnt ist.
Die Geschichte von dem kleinen Angestellten, der die von ihm verehrte Hure mit einem Lottomillionengewinn zum gemeinschaftlichen Zusammenleben ködert, um ihre Liebe zu gewinnen, ist nämlich nicht narratives Kino, sondern ein in Filmbilder umgesetztes Stück absurdes Theater, das auch mit den dafür typischen Stilmitteln umgesetzt wird.
Absurd, aber nicht abstrakt – so dass man der Geschichte ohne größere Probleme folgen kann, aber bisweilen eben doch symbolisch oder metaphorisch überhöht und deswegen immer wieder in satirisch-kuriose Komik flüchtend.
Diese Mischung aus Verfremdungseffekten, klassischer Lovestory und Operndramatik ist extrem gewöhnungsbedürftig und schreckt durch häufige Stilwechsel immer wieder ab, wenn einem nicht zufällig sowieso der Sinn nach Skurilitäten steht.
Es kommt also durchaus vor, das normal gespielte Szenen, plötzlich einen klischeehaft-platten Anstrich in den Dialogen bekommen, die mit geradezu kolportageähnlicher Plattheit herausgeschleudert werden, während im Hintergrund donnernde Opernmusik das große Drama akzentuiert.
Je länger die Geschichte geht, desto absonderlicher werden die Bilder, denn ruhige erotische Passagen wechseln ab mit Gesprächen, die so verfremdend symbolisch aufgesagt werden, dass man „Botschaft“ in Balkenletter darübertätowieren könnte.
Nur der Humor rettet dann für den Zuschauer die Situation, denn immer wenn der Film unerträglich zerfahren zu werden scheint, flüchtet man sich in den absurden, aber treffenden Humor und relaxt in Lachkaskaden.
Gegen Ende verfremdet sich alles zu einem beinahe surrealistischen Kunstspiel, wenn die komplette Riege an Arbeitskollegen des Protagonisten Francois daheim vorbei schaut, um seine Frau kennen zu lernen und eine spontane Disco-Party mit Danielas Zuhälter und einer schrägen Nachbarin zu einem artifitiellen Sammelsurium abgedrehter Ideen wird.
Die darstellerischen Leistungen zu bewerten ist schwer. Monica Bellucci schwankt drehbuchgemäß in ihrer Hurenrolle zwischen sauberem Spiel, Spiel als Hure im Spiel und vollkommen überzogener Elemente, während Bernard Campan als Francois dem Zuschauer stets ein Rätsel, ein unlösbares Chiffre bezüglich seiner Motive und Absichten bleibt.
Gerard Depardieu als Danielas Gangsterehemann trifft den Theaterton jedoch am besten, liefert eine einwandfreie Leistung neben der Spur ab und beweist in dem zerfahrenen Film noch am ehesten Kontinuität.
Und um was geht es nun?
Das ist kaum endgültig zu definieren, eine Menge wäre hineinzudeuten. Das Bekenntnis zur persönlichen Freiheit, die Suche nach dem wahren Willen, die Grenzenlosigkeit der menschlichen Liebe, alles ist drin.Gesellschaftssatirische Episoden sind gut eingebunden, jedoch wirkt die Spielerei mit der Wirkung und dem Umgang mit der Erotik ziemlich althergebracht.
Die Frage ist nur: funktioniert es?
Da jedoch hapert es beachtlich.
Als Theaterstück wäre das Stück für ein interessiertes Publikum ein amüsanter Leckerbissen mit Tiefgang zum Weiterdiskutieren. Als Film wirkt er befremdend, weil er eben nur wenig Verfremdungseffekte besitzt (grelles Licht und Opernmusik in den überspannten Szenen), ansonsten die Übergänge zwischen den spielerischen Tonlagen meistens nicht erkennbar für den Zuschauer sind.
Man kann Theater nicht einfach als Film adaptieren oder umsetzen, der Stil und die stetigen, unerwarteten Tempowechsel stehen einer konzentrierten Rezeption im Weg.
Zum kompletten absurden Eskapismus ist der Film noch zu linear (auch wenn die ständig aus der Bluse hüpfenden Riesenbrüste der Bellucci Dreh- und Angelpunkt sind), für die wilde und emotional springende Erzählweise braucht es ein offenes und williges Publikum und das ist im Kino selten.
Und nicht zuletzt haben Theater und Kino eine relativ unterschiedliches Kino.
Insofern habe ich als Amateurschauspieler den Film streckenweise durchaus genossen, sehe diese Theatermechanismen in einer Filmversion jedoch leider als gescheitert an. (4/10)