Review
von Alex Kiensch
Die Story dieses 70er-Jahre-Survival-Reißers dürfte Horror-Fans ziemlich bekannt vorkommen: Fünf Männer treffen sich zu ihrem alljährlichen Camping-Ausflug in die Wildnis. Diesmal verschlägt es sie in die weiten Wälder Ontarios. Allerdings lauert hier ein unheimlicher Feind: Schon in der ersten Nacht werden ihre Schuhe gestohlen. Und das ist nur der Anfang - mitten im Nirgendwo sehen sie sich plötzlich immer heftigeren Attacken und Fallen eines unsichtbaren Gegners ausgesetzt. Ihre verzweifelte Flucht entwickelt sich zu einem erbarmungslosen Kampf auf Leben und Tod.
Ähnlichkeiten zu dem 71er-Klassiker „Beim Sterben ist jeder der Erste" sind sowohl offensichtlich als auch kaum Zufall. Dennoch entwickelt „Rituals" mit der Zeit eine ganz eigene, simple aber brutale Dynamik - und dürfte in mancher Hinsicht ein Initialzünder für ähnlich gelagerte Backwood-Slasher der späten 70er und 80er sein.
Was den Film besonders interessant macht und ihn auch von der Masse an späteren Genre-Nachfolgern abhebt, ist die extrem zurückhaltende Inszenierung des Killers. Tatsächlich sieht man ihn im ganzen Film nur wenige Augenblicke lang. Bis zum drastischen Finale bleibt er beinahe völlig unsichtbar, nur hin und wieder taucht seine Silhouette an entfernten Berghängen auf oder nimmt die Kamera seine Perspektive ein, wenn er um die Männer herumschleicht (schon das ein prototypisches Element späterer Genre-Klassiker à la „Freitag, der 13."). Ansonsten werden immer nur die Folgen seines unbemerkten Auftauchens gezeigt - gestohlene Ausrüstung, aufgestellte Fallen, hinterlassene Symbole. Auch hier findet eine Steigerung statt: Vom Kopf eines erlegten Hirschs samt umgewickelter Schlange hin zum abgetrennten Kopf eines seiner Opfer - eine der grausigsten Szenen des Films, die arglosen Zuschauern lange im Gedächtnis bleiben dürfte.
Diese ungewöhnlich rare Darstellung der Hauptbedrohung hat zwei Folgen: Zum einen entsteht in kürzester Zeit eine extrem intensive Atmosphäre der ungreifbaren Bedrohung. Diese wird verstärkt durch fantastische Landschaftsaufnahmen der rauen, beinahe völlig unberührten Wildnis, die an sich schon eine gefährliche Herausforderung darstellt. Auch die grobkörnigen Kameraaufnahmen (wohl eher bedingt durch das begrenzte Budget) tragen dazu bei, das sich stetig steigernde Geschehen authentisch und beängstigend realitätsnah wirken zu lassen.
Und zum anderen fokussiert sich der Film auf seine Hauptcharaktere - „Rituals" ist für weite Strecken vor allem das packende Psychogramm einer Männerclique, die nach und nach an der psychischen Härte der Ereignisse zerbricht. Der Kampf gegen Naturelemente (man denke an die sehr lange Szene am reißenden Fluss) und gegen die eigenen Egos nimmt hier enorm viel Raum ein und erzeugt dank der überzeugenden Darsteller eine intensive psychologische Spannung. Und je weiter der Film sich entwickelt, je drastischer die Todesfälle und die unheimliche Bedrohung durch den unsichtbaren Killer werden, desto entmenschlichter wirken auch die Charaktere, bis sie (nicht nur äußerlich) zum brutalen Finale hin kaum noch von ihrem wilden Gegner zu unterscheiden sind. Der Großteil der immer fesselnder werdenden Spannung ergibt sich hier aus dem Zerbröckeln der Menschlichkeit der Hauptfiguren, bis nur noch die primitivsten Überlebensinstinkte übrig sind. In dieser Hinsicht ist „Rituals" ein absolutes Genre-Highlight in Sachen Grausamkeit und Intensität.
Dass die ganze Produktion offensichtlich als B-Picture geplant und umgesetzt ist - samt schwächelnder Dialoge im ruhigen Anfangsteil, unsauberer Schnitte und ziemlich grobkörniger Kameratechnik - stört da keinesfalls. Im Gegenteil verleiht es dem Film einen besonderen, rauen Charme, der dem Gezeigten weit mehr Authentizität verleiht, als es gelackte Hochglanzbilder aus teurer Produktion hätten tun können. Auch der stellenweise eher primitiv eingesetzte Soundtrack (krachende Schockmusik beim Anblick der grausigen Hinterlassenschaften des Killers) passt da durchaus rein. In technischer Hinsicht gehört „Rituals" sicher eher zum Bereich des Trashs, auch wenn er mit psychologischer Dichte und enorm intensiven Bildern der gnadenlosen Natur und des brutalen Überlebenskampfes immer wieder beeindruckt und bis zum überaus drastischen Finale zu fesseln weiß. Für Genre-Fans dürfte unzweifelhaft feststehen: ein früher, wegweisender Klassiker des Backwood-Slashers, der viele prototypische Elemente vorwegnimmt.