Review
von Leimbacher-Mario
Beim Sterben hilft kein Doktortitel
Aus einer Zeit, in der selbst „B-Movies“ noch enorm Klasse hatten... „Rituals“ war lange Zeit schwer erhältlich und nur unter Insidern bekannt, er wird noch immer oft als dreiste „Deliverance“-Kopie abgetan und er liefere nicht unbedingt die „Goods“ was Gore und Killer anginge. Doch nahezu all dem könnte ich kaum vehementer widersprechen! Jeder, der „Rituals“ einmal gesehen hat, vielleicht und im besten Fall sogar auf der Leinwand, und sich wirklich auf ihn eingelassen hat, bekommt einen Prototyp-Backwood-Slasher mit super surrealen Survivalzügen, dessen Aura und Atmosphäre man sich nur schwer entziehen kann. Teilweise ist das gar dichter und apokalyptischer als im „großen Bruder“. Außerdem hat das Ding eine enorme Wucht und Reife, die in den 70ern scheinbar sogar für solche „B-Ware“ reserviert war. Wir folgen ein paar älteren Herrschaften, Doktoren ihrer zweiten Lebenshälfte, die sich ein paar Tage in der „Wildniss“ gönnen und alleine durch Wald und Dickicht stapfen und krakseln wollen. Blöd nur, dass sie das nicht sind und es eh schon Spannungen in der in die Jahre gekommenen Gruppe gibt...
„Rituals“ könnte man als eine Kreuzung aus dem vielgenannten Boorman-Meilenstein und dem später entstanden Slasher „Just Before Dawn“ beschreiben. Die Aufnahmen der Natur sind mehr als eindrucksvoll, geradezu majestätisch, die gut betagten und betuchten Herrschaften sind das Gegenteil von hektischen Teenagern und die unübersehbaren Anti-Kriegs-Untertöne samt psychedelisch-höllischem Finale brennen sich ein. Die Meinungsverschiedenheiten und das untergründige Brodeln in der Altherrenclique bauschen sich immer mehr auf, brechen mit tödlichen Konsequenzen an die Oberfläche. Ein Gefühl zwischen Misstrauen, verdrängter Wut und Schatten der Vergangenheit macht sich breit. Da wird die eigentlich Bedrohung fast zur Nebensache und man kann mit den wenigen, höchstens andeutenden Infos über den entstellten, sie jagenden Veteran fast leben. Die gestandenen Darsteller heben alles nochmal auf ein packenderes Niveau, spielen äußerst emotional und realistisch, und obwohl hier weder vergewaltigt noch allzu grausam geschnetzelt wird, ist das Endergebnis ein echter Höllenritt in die Abgründe einer Generation und von älteren Herrschaften allgemein.
Fazit: gar nicht mal viel schwächer als das große Vorbild... wow! „Rituals“ ist ein atmosphärischer, bodenständiger Backwood-Survival-Leckerbissen, ein ganz früher Slasher und eine Anti-Kriegs-Parabel in einem. Und in allen drei Kategorien ist er nicht von schlechten Eltern. Warum kennen den nicht mehr?! Warum gibt’s den nicht auf neueren Heimkinomedien?!? (Eine Blu-Ray ist international mittlerweile immerhin erschienen)