Review

           Macht ein schwarzer Handschuh einen Giallo?




Wie geil ist das denn? Fulci macht genau da weiter, wo er aufgehört hat!

Zumindest bei mir, denn eben hatte ich „Don`t Torture a Duckling" beendet und mich gleichermaßen über die finale Sturzszene geärgert wie amüsiert, da beginnt Fulci „Die sieben schwarzen Noten" mit einer ziemlich identischen Szene. Treffer, versenkt! 
Dabei liegen fünf Jahre und sechs Filme zwischen diesen beiden Gialli von Hand des Meisters sinnentleerter Horror-Splatter-Gore-Fantasien. Was für ein großartiger Zufall! Allerdings ist durch einen geschickteren Schnitt der blutige Sturz nicht ganz so dilettantisch wie im Film von 1972. 

Der Eindruck einer gediegeneren Qualität entsteht hier auch bereits beim deutschen Titel, der schlicht und geschmackvoll den Originaltitel übersetzt. Es wäre ja durchaus denkbar gewesen, dass der geldgeile deutsche Verleih dem mittlerweile auf Blut- und Brustsucht heruntergewirtschafteten deutschen Publikum das Geld mit dem Titel „Die sieben schwarzen Nutten" aus der Tasche hätte ziehen wollen.
Oder „Die bluttriefenden Todesnoten des Satans". Zumindest „Das Geheimnis der schwarzen Noten" hätte ich erwartet, aber vollkommen unerwartet übte man sich hier in Zurückhaltung.

Und das passt so auch ganz gut, denn mit einem auf die niedereren Instinkte abzielenden Titel hätte man ganz klar Erwartungen geschürt, die der Film nicht hätte halten können, was vor allem daran liegt, dass sich Fulcis Film den sehr repetetiven Strukturen des Giallos entzieht und es sich doch sehr eindeutig um einen Mysterythriller handelt, in dem lediglich der noch unbekannte Mörder einmal seinen schwarzen Handschuh in die Kamera halten darf. Aber macht ein schwarzer Handschuh wirklich einen Giallo? Hier müsste man doch mal die Frage stellen, welche Eigenarten das Subgenre denn definieren und meinem bisherigen Eindruck nach sind das andere als „Die sieben schwarzen Noten" liefert.

Der Fokus auf eine Mördersuche mittels seherischer Fähigkeiten spielt mit mystischen Elementen und webt ein Handlungsnetz, das sich auf das Spiel mit vergangenen und zukünftigen Ereignissen konzentriert und so einen erfrischenden Mix aus Psychothriller, Kriminalfilm und Horrorfilm bietet, das sich so vielleicht zu deutlich vom üblichen Verlauf des Giallos abhebt. Angesichts der mystischen Elemente ist dies ein recht typischer Fulci, ohne dass das Übernatürliche die überwiegende Kraft ist und trotz der Tatsache, dass auf ausgedehnte Darstellungen physischer Zerstörung verzichtet wird.

Aber die Art, wie Spannung und Atmosphäre aufgebaut werden, das Zusammenspiel von Musik und Bild, alles erinnert an die positiven Eindrücke, die konfuse Filme wie „Geisterstadt der Zombies" oder „Das Haus an der Friedhofsmauer" in ihren guten Momenten zweifellos erschaffen können, bevor man wieder an der wirren Handlung hängen bleibt wie an einem rostigen Nagel oder selbstzweckhafte Gewaltorgien den filmischen Flow zerschneiden.

Gerade die Musik weiß hier zu gefallen und neben dem durch Tarantino zu weltruhm gelangten Hauptthema von Fabio Frizzi empfand ich gerade die Mischung aus klassisch angelegter Instrumentalisierung und Sounds aus dem Synthesizer als äußerst gelungen. Zeitweise fühlte ich mich an Wendy Carlos erinnert.

Aber bevor ich in die komplette Lobhudelei abdrifte, muss ich Fulci ebenso wie schon bei „Don`t Torture a Duckling" vorwerfen, dass er den Spannungsbogen nicht konsequent unter Zug hält und den Film insgesamt etwas temporeicher hätte gestalten können. Fast scheint es so, als würde ihm dann höchstens überbordende Gewalt als Mittel einfallen, den Zuschauer aus dem Halbschlaf zurückzuholen, nachdem er ihn stimmungsvoll in diesen Zustand versetzt hat. Das verwundert gerade hier, denn die Story selbst als auch Fulcis Art die Geschichte zu erzählen hätten alle Möglichkeiten gehabt, hier und da einen kleinen Ausschlag zu nutzen, um zum Ende hin das Tempo anzuziehen. Stattdessen bewegt man sich stetig wie eine Wanduhr bis zum Abspann.


Fazit

Das ist bisher der beste Film, den ich von Lucio Fulci gesehen habe. Er weist alle (positiven) Merkmale des Regisseurs auf, verzichtet auf die mitunter lächerlichen Gewaltorgien und eine wirre und absurde Handlung. Bild und Ton sind in Einklang mit dem Universum und es gibt einige wunderbare Sequenzen zu bestaunen. Lediglich die Tatsache, dass Fulci den Film mit Tempo 110 im sechsten Gang über die Ziellinie fährt, trübt gerade den Gesamteindruck für mich, so dass es wohl etwas dauern wird, bis ich den Film ein zweites Mal in den Player schieben werde.
Aber meine schlechte Meinung über Fulci ist heute dafür schon ein zweites Mal revidiert worden. Das ist doch auch was!

Ist es möglich, dass zwischen diesem Film und seinen berühmt-berüchtigten Werken der Regisseur unbemerkt einen Schlaganfall erlitten hat?

Eine Warnung: Wer den Film nicht kennt, sollte nicht den US-Trailer zu "The Psychic" sehen. Der spoilert so, dass eine dramatische Wendung aus dem letzten Drittel des Films schon vorweggenommen wird. Also sowas!!!

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