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Die Mitte der 90er Jahre, in denen "Judge Dredd" entstand, sollten für Sylvester Stallone (Rocky Balboa) den Wendepunkt seiner Karriere bedeuten. Konnte er in den frühen 90ern mit Filmen wie "Cliffhanger" und "Demolition Man" noch ordentlich Kasse machen, so schaffte er nach "Judge Dredd" und dem genialen "Assassins" mit Beiträgen wie "Get Carter", "Cop Land" oder "D-Tox" sich noch gerade so über Wasser zu halten. Zu oft häuften sich Flops wie "Driven", "Avenging Angelo" und "Mission 3-D". Ob die (hoffentlich) bald anlaufenden Sequels von "Rocky" und "Rambo" da wieder die Wende herbeiführen bleibt abzuwarten. Nichtsdestotrotz zählt "Judge Dredd" zu den etwas besseren 90er-Werken Stallones.

Im Nordamerika des 22. Jahrhunderts leben die Menschen in drei Mega-Städten zusammengepfercht, in denen Anarchie und Chaos herrschen. Elite-Cops fungieren gleichzeitig als Richter, Geschworene und Vollstrecker. Der beste unter ihnen ist Judge Dredd (Sylvester Stallone), das Produkt eines geheimen DNA-Experiments. Sein Bruder, der Kriminelle Rico (Armand Assante), will Dredd aus dem Verkehr ziehen und hängt ihm einen Mord an. Von nun an muß Dredd - von allen gejagt - auf eigene Faust um Recht und Ehre kämpfen...

Stallone wird hier wahrlich nicht überfordert, da er die Rolle des wortkargen und knallharten Einzelkämpfers längst aus dem Effeff beherrscht. Anfangs wird sein minimales Mimenspiel noch von dem zur von Modedesigner Gianni Versace entworfenen Uniform gehörigen Helm behindert, doch wird dieser mal abgenommen, so zeigt Stallone einem immer noch lediglich die Grundaustattung seines schauspielerischen Könnens. Dass er zu mehr fähig ist, dass weiß man. Vielleicht hatte er auch zu Mehr keinen Bock. Sein lokaler Widersacher wird von Armand Assante (USS Charleston) verkörpert, der seinen Part solide über die Bühne zieht, aber kein herausragender Schurke ist. Als weiblicher Gehilfe und Love Interest fungiert hier Diane Lane (Mord im Weißen Haus), die einen zufriedenstellenden Job macht und sich im Finale mit Joan Chen (Auf brennendem Eis) einen fetzigen Girl-Fight liefern darf. Jürgen Prochnow (Air Force One) agiert hier noch in einer seiner besseren Schurkenrollen, und auch Altmeister Max von Sydow (Der Exorzist) kann überzeugen. Einzig und allein Pseudo-Komiker und Adam Sandler-Spezi Rob Schneider (Spiel ohne Regel) fällt hier überwiegend negativ auf. Als komödiantischer Sidekick Stallones stört er das ansonsten ernste Geschehen mit seinem nervenden Gequatsche und kann nur mäßig die Lachmuskeln antreiben. Auch nach über 10 Jahren hat Schneider noch nicht kapiert, dass er eben kein guter Komiker ist und meistens Adam Sandler zu verdanken hat, dass er überhaupt noch Rollen (meistens in Adam Sandler-Filmen und in welchen, die von diesem produziert werden) bekommt.

Von der Action her kann sich der vom Briten Danny Cannon (Phoenix) gedrehte SciFi-Actioner durchaus sehen lassen. Ständig geht irgendwo die Post ab und Dredd hat demzufolge auch allerhand zu tun. Als Fleisch gewordener Robocop kennt er in den Actionsequenzen dann auch nur ein Gesetz. Und zwar seines. Dieses übt er dann größtenteils mit einer stimmaktivierten 14-Stufen-Wumme aus, die wohl der Traum eines jeden Waffenfreaks sein dürfte. Die hier gebotene Action gestaltet sich überraschend hart, wenngleich aber noch keine "Rambo 2"- oder "City Cobra"-Ufer angesteuert werden. Weggeballert wird dennoch immer Irgendeiner von Irgendwem, und Fratzengeballer ist auch hier keine Mangelware. Einziger Tiefpunkt im Actionbereich ist die lächerliche Verfolgungsjagd auf den fliegenden Motorrädern. Und der zu kurz geratene Showdown in der Klonanlage erinnert irgendwie an "Demolition Man". Dafür können sich aber immerhin der gigantische Kampfroboter und das Stadtdesign sehen lassen. Letzteres wurde ähnlich bunt und futuristisch gestaltet wie in "Das fünfte Element" und "Star Wars: Episode 2". Hätte nur noch eine übertrieben pazifistische Gesellschaft a'la "Demolition Man" gefehlt. Glücklicherweise ist dies hier das Gegenteil. Und die Handlung selbst gestaltet sich leider nur selten abwechslungreich. Rico und Griffin pinkeln Dredd halt ans Bein, weshalb dieser eines Mordes beschuldigt wird. Darauf zieht Dredds Mentor wie einst Obi-Wan in die Wüste hinaus, und der Gesetzesvollstrecker selbst wird samt Nervbacke Fergie in einem Fluggerät in Richtung Knast befördert. Unterwegs werden sie aber von einer kannibalistischen Outlaw-Sippe, die dem "Texas Chainsaw Massacre" entsprungen sein könnten, vom Himmel geholt. Es kommt wie es kommen muss: Dredd und Fergie überleben den Absturz und die Konfrontation mit dem missratenen Wüstenpack als einzige, und machen sich wieder auf in die Heimat, wo Rico allmählich beginnt auf die Kacke zu hauen, wobei sämtliche Judges ihr Leben lassen. Zusammen mit Kollgenschnitte Hershey wird zum finalen Gegenangriff geblasen. Am Ende sind alle bösen Buben in die ewigen Jagdgründe befördert worden und dem Aufbau einer neuen Gesellschaft steht nichts mehr im Weg. Was den Handlungsablauf betrifft sind den Schreiberlingen William Wisher und Steven E. de Souza nicht gerade viele neue Innovationen eingefallen, zumal die beiden für Drehbücher solcher Genremeilensteine wie "Terminator 2" oder "Stirb langsam" verantwortlich zeichnen. Da hätte man mehr von ihnen erwarten können, um den Film etwas zu strecken und abwechslungsreicher gestalten zu können. An Cannons ordentlicher Inszenierung liegt es nämlich mal nicht, dass "Judge Dredd" im Endeffekt doch nur gutes Mittelmaß ist. Auch bezüglich Setdesign, Kostüme, Vehikels, Waffen und Gegnerwahl wurde wenig falsch gemacht. Was "Judge Dredd" halt den genitalen Tiefschlag verpasst, ist eben das dürftige Drehbuch, das zudem mit allerlei Klischees angereichert wurde. Vielleicht wollten beim Schreiben Wisher und de Souza auch nur testen, wer die bescheuertsten Genreklischees kennt und einbauen kann. Denn Ernsthaftigkeit kann man dem auf einem Comic basiernden Drehbuch nur im Actionbereich zusprechen. Ähnlich heroisch wie Hans Zimmers "The Rock"-Komposition ist dann auch der Score ausgefallen, der jedoch weniger negativ auffällt wie das Skript und sich daher gut in das Szenario einfügen kann.

So kann man guten Gewissens sagen, dass "Judge Dredd" keiner von Stallones Tiefpunkten, aber auch keinen seiner Höhepunkte, in dessen Karriere darstellt. Halt schickes und flottes SciFi-Fastfood mit anständiger Action, netten Designs, großen Knarren und überwiegend passablen Darstellern.

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