Review

 

„Forrest Gump" kam 1994 auf einer Welle aus den USA zu uns in die Kinos geschwappt, die in erster Linie durch den Hype um die verwendete Technik getragen wurde, die beispielsweise ermöglichte, Tom Hanks und John F. Kennedy zusammen in einem bewegten Bild zu zeigen. 


Gepaart mit dem Namen Robert Zemeckis, der natürlich mehr für sein effektlastiges Unterhaltungskino, allem voran „Zurück in die Zukunft", bekannt war, sollte dies nun der nächste große Wurf eines mehr und mehr auf den Computer als Wundermittel zurückgreifendes Hollywoodkinos sein, den man einfach gesehen haben musste. 

1994 ging es also tatsächlich in der filmischen Rezeption und massenhaft produzierten Werbung primär um die sensationelle Technik. Heute redet wohl keiner mehr darüber, denn letztlich liefert „Forrest Gump" eine enorme Anhäufung zitierbarer Szenen, die sich in Windeseile allesamt in das kulturelle Gedächtnis westlicher Gesellschaften gebrannt haben. Bereits 1996 feuerten wir uns im Sportunterricht mit „Lauf, Forrest, lauf!" an und scheinbar kannte jeder den Film. Ich bekomme nicht mehr heraus, wann die Erstausstrahlung im Fernsehen war, aber nach dem großen Kinoerfolg wurde der Film offenbar auch ein großer Hit in den Videotheken und heute finde ich in meinem Dunstkreis nicht eine Person, die den Film nicht mindestens zwei Mal gesehen hat. Den zugrundeliegenden Roman hat hingegen niemand, den ich kenne, gelesen und „Forrest Gump" wird nur selten als die Literaturverfilmung gesehen, die er ja eigentlich ist. Der Film steht für sich. 

Insofern scheint es nicht überzogen zu sein, bei diesem Film von einem popkulturellen Phänomen zu sprechen. Dabei steht eben nun nicht mehr die Technik im Vordergrund, sondern vielmehr die ausufernde Geschichte, die einen Ritt durch die Geschichte der USA von den 1950ern bis in die 1980er darstellt, die zwar nur mit ihren Schlaglichtern aufgegriffen und mit der Lebensgeschichte des Protagonisten verknüpft wird, aber dennoch wie ein Versuch wirkt, dem Wesen der USA auf den Grund zu gehen. 

Forrest Gump ist zu 100% Amerikaner, der nach den Regeln und Werten der USA erzogen wird und heranwächst, die hier auf den Widerspruch zwischen Individualität und Anpassung, eine durchaus korrupte Zivilgesellschaft und die freiheitlichen Entfaltungsmöglichkeiten heruntergebrochen werden. 

Den zusammenhängenden roten Faden macht dabei die Beziehung zwischen Forrest und Jenny aus, die durch die unstete Geschichte der USA geprägt wird. 

Über Forrest werden Probleme in Folge von Andersartigkeit (Mobbing), aber auch der Neuartigkeit (Elvis), die Systeme der Karrieremaschinerie (Sport und Army), Traumata der USA (Vietnam und der Generationsbruch der Hippiebewegung, Watergate, zahlreiche Attentate auf politische Vertreter, institutionalisierter Rassismus...) und der amerikanische Traum (Reichtum durch Hingabe, Einsatz und Glück) thematisiert. 

Über Jenny sehen wir die Kehrseite der Medaille, wenn sie vom alkoholkranken Vater missbraucht wird und sich heimat- und haltlos den Ausschweifungen westlicher Lebensweisen hingibt. Dabei scheitert sie an einer frauenfeindlichen Kultur, egal ob sie auf ihre Körperlichkeit reduziert oder von einem selbsternannten Freiheitskämpfer geschlagen wird. 

Letztlich kann man sagen, Jennys Leben wird von der ausschweifenden Lebensweise geprägt und sie geht daran zugrunde, Forrest hingegen prägt ungewollt die Kultur der USA, kann aber in seiner Naivität seine große Liebe und das Zentrum seines Lebens nicht retten. 

Hierin liegt dann auch die Tragik, die bei der Grabrede am Ende des Films von einer permanent schwelenden Form plötzlich ins Manifeste wechselt. Dies ist die große Stärke des Films, der die weibliche Hauptfigur an Aids sterben lässt und sie letztlich zum Opfer ihrer Zeit macht und ja so konsequent dem Ansatz des Films folgt, dies aber nicht so plakativ wirken lässt, wie es dem Papier nach ist. Die Sentimentalität ist hier sehr übersteigert, aber Zemeckis gelingt es, dass sie dem Zuschauer als angemessen erscheint und bricht hier im richtigen Moment mit der manchmal etwas märchenhaften Struktur, um dann zu einem runden Schluss zu gelangen. Der trieft zwar vor Kitsch, findet schlägt aber den richtigen Ton für seinen Film an, der eben einen gelungenen Rhythmus zwischen Sentimentalität und Humor findet. 


 Fazit 

„Forrest Gump" ist ein wirklich einzigartiger und eigenwilliger Film, wie es meist nur Literaturverfilmungen sind, wenngleich der Film in der Rezeptionsgeschichte vollkommen unabhängig von seiner literarischen Vorlage existiert. Die Sentimentalität mag nicht jedermanns Sache sein, aber man muss festhalten, dass sowohl das Schauspiel sämtlicher Darsteller als auch die filmtechnische Seite eine herausragende Arbeit leisten. Das hier ist sogenanntes großes Hollywoodkino und als solches wirklich absolut gelungen.     

Details
Ähnliche Filme