In den Jahren 1969 bis 1974 befand sich Sam Peckinpah auf der Höhe seines Schaffens, eine Zeit, in der er ein Meisterwerk nach dem anderen abliefern konnte und trotz strenger Restriktionen von Seiten der Studios die wohl bedeutsamsten Western der Filmgeschichte schuf. Gleich zweimal hintereinander verabschiedete sich ‚Bloody Sam’ vom Mythos des amerikanischen Westen. Nach dem spektakulär-epochalen „The Wild Bunch“, mit dem sein Regisseur eine neue Gewaltästhetik im amerikanischen Kino etablierte, folgt mit „The Ballad of Cable Hogue“ ein Film, der seinem Vorgänger oberflächlich betrachtet völlig entgegen steht, im Kern aber die gleichen Gedanken und Gefühle transportiert. Ebenso sentimental wie nihilistisch war „The Wild Bunch“ ausgeklungen, hatte das Sterben in nie gekannter Drastik ästhetisiert.
Auch „The Ballad of Cable Hogue“ startet mit einer Szene voller Gewalt, aber gleich wird klar, das komödiantische Elemente Eingang gefunden haben in das Western-Universum Peckinpahs. Ein einziger Schuss zerfetzt die Eidechse, über die sich der hungernde Cable Hogue hermachen will, ein böser Scherz von seinen beiden scheinheiligen Kumpanen, die ihn daraufhin alleine und ohne Wasser oder Pferd in der Wüste zurück lassen. Cable geht dem sicheren Tod entgegen doch nach tagelanger Odyssee geschieht das Wunder: Er findet Wasser im Niemandsland zwischen zwei Städten und die Quelle liegt zufällig direkt an einer Hauptstraße für Reisende und Postkutschen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sichert er sich das Land und baut eine Raststätte auf, die sich sofort als Goldgrube erweist.
Das sonst so pessimistische Weltbild Peckinpahs deutet auf eine dramatische Entwicklung voller Gier, Misstrauen und Verrat, sowie auf eine zynische Rachegeschichte. Nichts von alldem ist aber zu spüren in der melancholischen Atmosphäre dieses tiefsinnigen Spät-Westerns, sogar eine romantische Geschichte findet Platz in der komplexen Handlung. Stella Stevens spielt ihre Figur hinreißend gut, in ihrer Selbstbestimmtheit bleibt sie ein durchweg positiver und ehrlicher Charakter. Die üblichen Vorwürfe bezüglich eines misogynen Weltbildes bestätigt Peckinpah hier also keineswegs. Der Film macht deutlich, wie sinnlos der jahrelange Rachedurst ist und das er kein Seelenheil verspricht, während die Liebe zu Hildy (Stella Stevens) für Cable Hogue der Ausweg aus seiner Sinnsuche ist.
Jason Robards spielt das Rauhbein Cable Hogue augenzwinkernd und mit treffsicherer Lakonie, ohne jemals den aufgesetzt coolen Westernhelden zu verkörpern. Seine Figur ist müde von der Suche nach Seelenfrieden, gealtert und in keiner Beziehung überzeichnet. Hogue ist ein einfacher Mann mit Stolz, doch er kann nicht lesen und scheint zu gutmütig zu sein für die Welt, in der er lebt. So erwartet der von unzähligen Rache-Western konditionierte Zuschauer eine möglichst lustvolle Bestrafung der Verräter, doch auch hier wartet Hogue ab bis er sein eigenes Leben verteidigen muss. Die Musik von Jerry Fielding unterstreicht den wehmütigen Charakter des Films nicht nur sondern bestimmt diese Atmosphäre durch zärtliche Kompositionen.
Die Sterbeszene Cable Hogues könnte keine größere Symbolkraft entfalten: Überrollt von einem Auto, wird er Opfer des technologischen Fortschritts, dem er nicht mehr gewachsen ist. Sein Tod kündet aber nicht nur von einem neuen Zeitalter und dem Verschwinden seines Typs Mann sondern auch von der Unmöglichkeit eines Arrangements zwischen alter und neuer Welt. Wie schon das Ende in „The Wild Bunch“ und später auch in „Pat Garrett and Billy the Kid“ deutlich zeigen, muss die alte Welt weichen zugunsten einer neuen, von Korruption und Industrialismus geprägten Landschaft, die schon bald ihr Gesicht für immer verändern würde.
Peckinpahs Blick auf einen dieser letzten harten Männer mag romantisierend und auch sentimentalistisch sein, doch eben diese Kriterien trägt seine filmische Ballade von Anfang an. Das Verrat und Missgunst auch hier die Menschen erfüllt spart er ebenso wenig aus wie die konservative Starrsinnigkeit der Dorfgemeinschaft. Letztlich bleibt aber klar, wo die Sympathien des Regisseurs zu suchen sind, der bei „The Ballad of Cable Hogue“ ungewohnt viel Freiheit von Seiten des Studios erhielt. Diese nutzt er aus um die gesamte emotionale Bandbreite des Spät-Westerns zu spannen, ohne seinen Film auch nur in einer Szene überladen wirken zu lassen. Ganz nach Belieben changiert er clever zwischen komödiantischen, spannenden und wehmütigen-melancholischen Momenten, verliert dabei nie seine erzählerische Leichtigkeit. Peckinpah identifiziert sich unverkennbar mit Cable Hogue, sieht sich selbst als alten Haudegen, für den eine Anpassung an neue Werte sehr schwer ist und durch äußere Umstände letztlich unmöglich gemacht wird. Der Film erzählt also auch von einem vergeblichen Kampf gegen eine alles verschlingende Filmindustrie, deren Romantik unverkennbar zu entschwinden droht.
Seine selbst vorgetragene Grabrede unterstreicht den einfachen Charakter der Person Hogues denn von einer ikonischen Figur erhebt er seinen Hauptprotagonisten zu keinem Zeitpunkt. Dessen Schicksal steht exemplarisch für den Untergang des mystifizierten „Wilden Westen“ und all jener Menschen, die infolge der gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzung auf der Strecke geblieben sind. Da sich die Technik vor knapp 100 Jahren aber noch nicht so schnell entwickelte und die Zeit der Hochgeschwindigkeits-Fortbewegung per schnellem Auto, Zug oder Flugzeug noch bevor stand, setzt Peckinpah auf ein gemächliches Tempo, erzeugt eine atmosphärische Ruhe, welche dem Publikumsgeschmack zuwider lief. Die verdiente Beachtung bleibt bis heute leider weitestgehend aus, „The Ballad of Cable Hogue“ führt ein unverdientes Schattendasein, überstrahlt vom Ruhm solcher Werke wie „The Wild Bunch“ und natürlich „Pat Garrett“.
10 / 10 für ein Meisterwerk von seltener Perfektion.