„10th & Wolf“ markiert das Regiedebüt des Oscar-Preisträgers Robert Moresco, welcher zuletzt an den Hits „Crash“ (Drehbuch) sowie „Million Dollar Baby“ (Produktion) beteiligt war, und stammt zugleich aus seiner Feder, was die Erwartungshaltung im Vorfeld doch leicht anhebt. Gleich zu Beginn wird erfrischend offen zugegeben, dass die Handlung (lose) auf den wahren Erlebnissen Joseph Pistone´s beruht, einem verdeckten FBI-Ermittler, der seine mitreißende Geschichte 1990 unter dem Titel „Donnie Brasco: My undercover Life in the Mafia“ als Buch veröffentlichte – vielen dürfte vor allem die 1997er Verfilmung mit Johnny Depp und Al Pacino bekannt sein. Für seine Version des Stoffes veränderte Moresco diverse Elemente, z.B. das zeitlichen Setting oder den beruflichen Hintergrund der Hauptfigur, und behielt nur wenige Grundmerkmale bei, die er selbständig ausschmückte bzw weiter sponn. Leider verließ er sich im Zuge dessen relativ stark auf Klischees und Archetypen des klassischen Gangster-Films, statt eigene, durchaus interessante Ansätze konsequent fortzuführen, was dem Gesamteindruck merklich schadet und eine erhebliche Menge an Potential ungenutzt lässt…
Seine gesamte Kindheit und Jugend hat Tommy Santoro (James Mardsen), Sohn eines Mafia-Angehörigen, in der Umgebung der Kreuzung „10th & Wolf“ im Süden Philadelphias verbracht. Nachdem er im Alter von 12 miterleben musste, wie sein Dad auf offener Straße erschossen wurde, schwor er sich, niemals in dessen Fußstapfen zu treten. Da seine Mutter bei der Geburt ihres zweiten Kindes, dem in Folge dessen geistig etwas zurückgebliebenen Vincent (Brad Renfro), verstorben war, nahm sich ihre Tante Tina (Lesley Ann Warren) den beiden Waisen an und zog sie, gemeinsam mit ihrem Sohn Joey (Giovanni Ribisi), wie drei Brüder auf. Als auch Joey´s Vater dem „Business“ zum Opfer fällt, bekommt jener von Matty (Dennis Hopper), einem Geschäftspartner und Freund der Familie, den Namen des im Milieu bekannten Mörders offenbart. Obwohl sich Tommy alle Mühe gibt, seinem Cousin das Vorhaben auszureden, tötet dieser den Killer – doch im Verlauf des kurzen Feuergefechts erleidet er selbst, der abseits stehend die Tat beobachtete, einen Bauchschuss, welchen er im Krankenhaus nur mit viel Glück überlebt.
Sieben Jahre später: Den Vorfall in jener Nacht hatte sich Tommy zum Anlass genommen, einen Schlußstrich unter die bisherige Ausrichtung seines Lebens zu ziehen, worauf er als Freiwilliger den Marines beigetreten war. Nun, im Februar 1991, erhält er, in einer Arrestzelle der Militärpolizei sitzend, Besuch der FBI-Agenten Horvath (Brian Dennehy) und Thornton (Leo Rossi). Neben der unehrenhaften Entlassung droht ihm eine unschöne Zeit hinter Gittern, da er während des ersten Golfkriegs nicht mit der Situation zurechtkam, dass die Politik den Vormarsch der US-Truppen kurz vor Bagdad stoppte und Saddam somit entkommen ließ – daraufhin hatte er sich betrunken, einen MP angegriffen, ein Fahrzeug gestohlen und war damit in die Wüste gerast, um den Diktator auf eigene Faust zur Strecke zu bringen. Kurz vor der irakischen Hauptstadt war er später, verkatert sowie mit einem leeren Tank, wieder aufgegriffen worden. Die zwei Feds informieren ihn über die aktuelle Lage daheim in Philly, wo man Matty kürzlich erschossen hat und Joey derweil zu einer wichtigen Person innerhalb der Organisation aufgestiegen ist, welche der einflussreiche Reggio (Francesco Salvi) mit eiserner Faust führt. Ihr letzter Informant hatte ihnen belastendes Material über eine Vielzahl Personen zukommen lassen, bevor er unter mysteriösen Umständen verschwand, und nun brauchen sie Tommy, um den Fall mit Hilfe eindeutiger Beweise abzuschließen. Zwar würde der eher im Gefängnis seine Strafe absitzen, als zu kooperieren, doch es gelingt ihm, einen Deal herauszuhandeln, der Vincent Straffreiheit sowie Joey mildernde Umstände zusichert, sofern er den Behörden Reggio auf einem silbernen Tablett liefert, was nur per Tragen eines Mikros geschehen kann – er folgt dabei der Überzeugung, seine beiden „Brüder“ ausschließlich auf diese Weise vor einem schlimmen Ende bewahren zu können.
Wieder in der alten Nachbarschaft angekommen, wird er herzlich empfangen und findet schnell Anschluss, muss allerdings schon bald erkennen, dass Joey nicht nur tief im Drogengeschäft mit Reggio steckt, sondern eigene Pläne schmiedet, die Macht völlig an sich zu reißen, da er den Boss für den Tod seines Mentors (Matty) verantwortlich macht. Je tiefere Einblicke Tommy erlangt, desto innständiger hofft er, wenigstens Vincent heile aus der Sache herauszuhelfen, doch jener hat sich inzwischen an die kriminelle Lebensart gewöhnt und leitet in Joey´s Auftrag einen Nachtclub zusammen mit dem misstrauischen Junior (Dash Mihok), welcher den letzten Informanten auf dem Gewissen hat. Ohnehin innerlich zwischen Moral und Loyalität hin und her gerissen, verkompliziert eine zunehmende Anzahl Gegebenheiten die sowieso angespannte Lage beständig: Horvath setzt ihn immer stärker unter Druck, verwendbare Ergebnisse zu liefern, es entwickeln sich Gefühle zwischen ihm und Brandy (Piper Perabo), der Witwe des FBI-Spitzels, auf welche Junior ebenso (nach dem Mord an ihrem Mann) einen Blick geworfen hat, verschiedene Gewalttaten lassen die ganze Situation zu einem gigantischen Pulverfass avancieren – und das fatale Lüften eines Familiengeheimnisses im falschen Moment entzündet die Lunte letzten Endes unaufhaltsam…
Wem Werke wie „Goodfellas“, „State of Grace“ oder die „Sopranos“ bekannt sind, von „Donnie Brasco“ mal ganz zu schweigen, dem dürfte „10th & Wolf“, gelinde ausgedrückt, ungemein vertraut vorkommen – das beginnt mit dem Genre-typischen Einstiegs-„Voice Over“ („We all grow up looking for Somebody to believe in. For me it was my Father. He was my Hero. The Day after my 12th Birthday, I found out my he killed People for a Living…“) und findet vor dem Abspann kein Ende. Die Tatsache, dass Tommy nicht der Polizei angehört, stellt eine der wenigen Abweichungen vom gängigen Schema dar und resultiert aus Moresco´s Bestreben, der Story einen „frischen“ Background zu verleihen, weshalb die Ansiedlung um 1991 herum so wichtig ist, wo hingegen der echte Pistone zwischen 1976 und 1981 undercover ermittelte. Der Film eröffnet in der irakischen Wüste – ein Humvee bahnt sich seinen Weg über hohe Sanddünen, am Horizont brennen Ölquellen, schwarzer Rauch verdunkelt den Himmel – bevor Tommy aufgegriffen, inhaftiert und verhört sowie im Anschluss die Vorgeschichte in Form eines längeren Flashbacks aufgezeigt wird, nach welchem sich die Handlung (ab der Ankunft im alten Viertel) fortan linear entfaltet. Wie ein roter, aber nicht sehr kräftiger Faden ziehen sich Assoziationen zu dem unbefriedigenden Ausgang jener Militäraktion nun durch die Geschehnisse – ein interessanter Grundgedanke, den Moresco jedoch leider nicht vollständig in den Griff bekommen hat: In beiden Fällen wird es als wichtiges, symbolträchtiges Ziel angesehen, den Führer einer Organisation auszuschalten (Hussein/Reggio), nur kann man sich auf dem Weg dorthin auf keinen Entscheidungsträger vollends verlassen, denn diese besitzen scheinbar die Angewohnheit, ihre jeweilige Agenda schnell zu verändern, sobald andere Faktoren ins Spiel kommen, denen sie mehr Gewicht zuordnen. Die Einstellung der Kampfhandlungen direkt vor den Toren Bagdads empfanden viele als riesige Verarsche seitens der Regierung, daheim drängen die Beamten ihre Kontaktperson per Druck und Drohungen, immer neue Punkte anzugehen, weit über die eigentliche Vereinbarung hinaus, und wenn jemand der Mafia lästig wird, sind dessen Stunden ein für alle Mal gezählt, egal ob er zur eigenen Familie gehört oder nicht. Tommy fühlt sich von diesen drei Parteien verraten, auch im Angesicht diverser auf der Strecke gebliebenen Leben, weshalb er sich irgendwann gegen sie wendet. Das Konzept, Politik, Staatsgewalt und organisiertes Verbrechen (moralisch) auf eine Stufe zu stellen, ist allerdings viel zu wage bzw grob gestrickt, so dass es schlichtweg nicht aufgeht. Für den Zuschauer bleibt all das nebensächlich, da Moresco diesen Ansatz selbst wenig intensiv angeht – auf diese Weise kann man ihm zumindest kaum vorwerfen, er hätte dem altbekannten Ablauf kein eigenes Geistesgut hinzugefügt, selbst wenn die Integration nicht ausnehmend durchdacht von statten ging.
James Marsden („Disturbing Behavior“) stand schon immer in dem Ruf, eher ein Schauspieler der blasseren Art zu sein, welcher in der zweiten Reihe besser aufgehoben ist – siehe „Superman returns“ oder die „X-Men“-Franchise. Hier kann er zwar die erste Nennung in den Credits aufweisen, doch Tommy´s Verhalten ist überlegt, zurückhaltend und recht passiv, so dass er sich nie energisch in den Vordergrund drängen muss – ein der Einschätzung Marsden´s Darbietung zugute kommender Umstand. Giovanni Ribisi (“Boiler Room“/“Heaven“) hinterlässt einen starken Eindruck in einer Rolle, die früher sicher an Joe Pesci gegangen wäre. Er verströmt permanent eine nervöse, bedrohliche Energie, die vermeintlich jederzeit in Gewalt umschlagen kann, behält aber zugleich diese ansatzweise jugendlich-leichtsinnige Ausstrahlung bei, welche die Empfindung vermittelt, dass er in dieses kriminelle Leben förmlich hineingedrängt wurde, ohne im richtigen Moment den Absprung geschafft zu haben. Das erhöht natürlich die Tragik des ganzen Dilemmas, denn inzwischen gibt es für ihn keine Alternative mehr – sein Pfad ist geradezu schicksalhaft vorherbestimmt. Dritter im Bunde ist Brad Renfro (“Deuces Wild“/“the Jacket“), der nach „the Mummy an´the Armadillo“ erneut überzeugend einen geistig Minderbemittelten mimt. Vincent hatte ebenfalls nahezu keine Wahl – nach dem Fortgehen seines großen Bruders blieb letztendlich nur noch die Möglichkeit, sich an Joey zu halten. Aufgrund seiner Behinderung begreift er kaum, was für eine Tragweite die Deals und Operationen um ihn herum tatsächlich besitzen. Er lebt die Werte seines Umfelds naiv nach – so schwarzweiß sie auch gestrickt sein mögen. Dash Mihok (“Hollywoodland“/“Basic“) verkörpert den energischen, gewalttätigen Junior genau richtig. Man weiß nie, was er gerade im Schilde führt oder ob seine Treue Joey gegenüber echt ist. Mit ihm sollte man sich besser nicht anlegen, das ist sicher. Gewohnt ein wenig überdreht bei der Sache ist Lesley Ann Warren (“Color of Night“/“the Limey“), was ich bei ihr bislang nie sonderlich leiden konnte, Dennis Hopper (“Blue Velvet“/“Land of the Dead“) bringt seine wenigen Minuten Screen-Time routiniert über die Bühne, Brian Dennehy (“Rambo“/“Assault on Precinct 13“) ist große Klasse als erfahrender FBI-Mann, der Reggio unbedingt zur Strecke bringen will. Zwei Cameos sind zwar der Rede wert, bloß nicht aus positiver Sicht heraus: „Mötley Crüe“-Rocker Tommy Lee (!) stolpert für einige Sekunden als geistig arg unterbelichteter Schläger durchs Bild, Val Kilmer (“Wonderland“/“Spartan“) besitzt einen deplatziert aus dem Gesamteindruck herausragenden, übrigens in einer „Kiss Kiss Bang Bang“-Drehpause abgelieferten Kurzauftritt. Er, ein langhaariger Kriegsgegner, dessen Sohn gerade gefallen ist, sitzt betrunken an der Bar, scherzt zuerst unfreundlich mit der Dame hinterm Tresen, bevor er über den Einsatz am Golf zu wettern beginnt und schließlich in Tränen ausbricht. Allein schon wegen Kilmer´s schäbigen Aussehen ist die Szene geradezu bizarr – in meinen Augen hätte man sie weglassen sollen, da sie überflüssig, zusammenhangslos und rein deshalb vorhanden ist, um die Irak-Thematik wiederum aufzugreifen. Mein persönliches Highlight stellt, wie in jüngster Zeit häufiger, Piper Perabo`s (“the Cave“/“Edison“) Performance dar. Obgleich das Drehbuch Brandy hauptsächlich dazu verwendet, eine angehende Romanze sowie zusätzliche Verstrickungen ins Spiel zu bringen, gelingt es Perabo, dieser weitestgehend eindimensionalen Figur Gefühl und Stärke einzuhauchen. Ihr ist ein solches Leben genauso widrig wie Tommy, nur hat sie angesichts des Todes ihres Mannes, inklusive der Notwendigkeit, für ihr Kind zu sorgen, keine Wahl bzw Chance, das Viertel hinter sich zu lassen und woanders neu anzufangen, weshalb sie ihre Lage wohl oder übel ertragen muss. Ihre finale Szene ist zudem die beste des ganzen Films.
Robert Moresco hat mit der gerade mal acht Millionen Dollar teuren Produktion ein handwerklich kompetentes Regiedebüt vorgelegt. Die Inszenierung ist hochwertig, dem Inhalt angepasst bodenständig und schön altmodisch, was ebenso für den (vornehmlich kalte Farbtöne nutzenden) visuellen Stil gilt. Das Problem ist nur, dass obwohl derartige „Old-School“-Gangsterfilme immer seltener das Licht der Welt erblicken, ihre Inhalte allgemein bekannt sind, weshalb der „Frischefaktor“ nicht sonderlich hoch ist: Lokale Konflikte zwischen Italo-Amerikanern und „echten“ Sizilianern, Spitzel, die für entschlossene Regierungsstellen ihr Leben riskieren, um eine Veränderung herbeizuführen, das zusammenhaltende Ehrgefühl innerhalb dieser Kreise – und so weiter, bis hin zu einem klaren Grad an Sympathie für die betroffenen Beteiligten als Katalysator der beabsichtigten tragischen Dimension. Männer sind aktiv, Frauen zumeist passiv. An einem bestimmten Punkt treten letztere jedoch gewöhnlich aus dem Schatten ihres Daseins hervor und stehen entschieden für etwas ein – das ist hier nicht anders. Die nötigen Bestandteile sind allesamt existent: Unter anderem klassische Locations (Bars, Schlachthöfe, geheime Treffen am Flussufer, die noble Villa des Bosses etc), Ansichten und Verhaltensweisen (á la Prügeleien, bei denen man Flaschen an den Köpfen der Gegner zerschlägt) oder spontane, harte Gewaltausbrüche (mein Favorit: ein einbeiniger Killer prügelt das Opfer mit seiner Beinprothese zu Tode) – dass dabei die Grenze zu einem Klischee mal überschritten wird, wie bei dem ehrwürdigen Paten, der bei einer Opernarie seinen Tränen freien Lauf lässt, mag kaum zu verhindern sein. Die Zutaten stimmen, nur hat man das Gericht zuvor schon ziemlich oft serviert bekommen – und der Versuch, es mit dem Golfkriegs-Kontext neu zu würzen, führt eher zu geschmacklichen Irritationen. So lässt sich „10th & Wolf“ mit einer typischen Salami-Pizza des Italieners an der Ecke vergleichen – das, was man in beiden Fällen vorgesetzt bekommt, mundet einem durchaus und stillt für eine gewisse Weile den Hunger, nur handelt es sich keinesfalls um eine kulinarische bzw cineastische Köstlichkeit, die man nachhaltig in Erinnerung behält … „6 von 10“