Die am 27.November 1951 in San Carlos geborene Kathrin Bigelow war im Jahr 2010 die erste Frau, die mit dem im Filmbusiness begehrtesten Preis als Regiesseurin bedacht wurde, ihr Kriegsdrama "Tödliches Kommando - The Hurt Locker" erhielt insgesamt 6 Oscars unter anderem auch die Auszeichnung für die beste Regie. Auch ihr Solo Regiedebut aus dem Jahre 1987, der Vampir Western Near Dark - Die Nacht hat ihren Preis konnte bereits einen Titel gewinnen, 1987 bekam der Film den silbernen Raben auf dem Brussels International Fantastic Film Festival und Bigelow wurde 1988 für den Regie Saturn Award nominiert. Near Dark sollte ursprünglich als reiner Western fungieren, auf Grund Finanzierungsschwierigkeiten entschied sich Bigelow jedoch Western und Vampirfilm miteinander zu kombinieren, um spendable Geldgeber für Ihr Projekt zu finden.
Das finale Skript schrieb sie zusammen mit Eric Red, der sich bereits ein Jahr zuvor für das Drehbuch des Rutger Hauer Hits "Hitcher - The Highwaykiller" verantwortlich zeigte. Die Vampir Lady Mae (Jenny Wright) trifft nachts auf Beutezug vor einer Kneipe auf den Farmersohn Caleb Colton (Adrian Pasdar). Schnell fühlen sich beide zueinander hingezogen und Maes flüchtiger Abschiedsbiss hat weitreichende Konsequenzen für Caleb, er verwandelt sich in einen unsterblichen Vampir, der das Blut der Menschen zum Leben braucht. Mae nimmt den Neuen in ihren 5 köpfigen Vampir Clan unter Protest der anderen Mitglieder auf, vor allem der Anführer Jesse Hooker (Lance Henriksson) und der charismatische Severen (Bill Paxton) können den Frischling auf den Tod nicht leiden. Mae zeigt dem widerspenstigen Caleb, was es heißt ein Vampir zu sein und das er töten muss um zu existieren, doch als die Gruppe auf dessen Familie stößt, eskaliert die Situation und endet in einem blutigen Fiasko...
Die Faszination der Nacht visualisiert durch kontrastreiche Bilder mit optimaler Abstimmung von Licht und Schatten, endlose Highways, abgefahrene Charaktere, blutgierende Vampirwesen und eine variable Tempodynamik irgendwo zwischen gemächlich ruhig und actionreich rasant, dass alles sind Attribute, die Near Dark verinnerlicht und die unter der führenden Hand der begnadeten Regisseurin hervorragend inszeniert wurden. Dabei wird Gewalt nie selbstzweckhaft zelebriert, sondern als Stilmittel unterstreichend dosiert, wodurch sich die Besonderheiten der dezent verteilten Ausbrüche für den Zuschauer spannend und wirkungsvoll heraus kristallisieren. Wer die technische Realisierung der graphischen Wunddarstellung und die unterschiedlichen Metamorphose Phasen der Vamps als großes Effektkino bezeichnet, macht sich unsachgemäßer Übertreibung auf keinen Fall schuldig, hier konnte man trotz überschaubarem Budget mit toller Maskenarbeit ein hervorragendes Ergebnis erzielen.
Einen großen Teil Ihrer Darstellerriege lieh sich Katrin Bigelow von Ihrem zukünftigen Ehemann James Cameron aus, vom Ensemble des Welthits Aliens - Die Rückkehr (1986) stammen Lance Henriksen (Jesse Hooker), Bill Paxton (Severen) und Jenette Goldstein (Diamondback). Michael Biehn wurde ebenfalls ein entscheidendes Mitwirken angeboten, dieser lehnte jedoch mangels Interesse dankend ab. Die Leistungen der einzelnen Protagonisten hingegen kann man gar nicht genug loben, Adrian Pasdar spielt den "menschgebliebenen" Vampir Caleb absolut glaubwürdig und macht seine moralischen Zweifel für das Publikum förmlich greifbar. Jenny Wright sieht als junge verführerische Vampirdame mit Herz förmlich zum Anbeißen aus, sie weiß, wie sie ihre Reize einsetzen muß, während sich Henriksen und Paxton in Punkto Ausstrahlung und Charismatik ein Wettrennen liefern, wer den Zuschauer am meisten begeistern kann. Joshua Miller als kleiner, leicht durchgeknallter Vampirjunge Homer konnte mich mit seiner Verrücktheit ebenfalls überzeugen und rundet den in seiner Gesamtheit als absolut gelungen zu bewertenden Cast komplettisierend ab.
Ob nun eine alleinige Blutransformation eine elementare Artenverwandlung rückgängig machen kann, ist selbst nach mystischer Blutsaugerlogik mindestens stark anzweifelbar und grotesk, was meines persönlichen Erachtens auch den einzig wirklichen vorwerfbaren Kritikpunkt an Near Dark darstellt und das Finale in ein leicht unglaubwürdiges Licht mit nicht immer geglückten Wendungen rückt. Das ist so ähnlich, wie wenn ein Redner bei einem ansonsten gelungenen Vortrag gegen Ende hin zum Stottern anfängt, oder ein Schüler sich mit der mündlichen Abschlussprüfung die Gesamtnote "verschlimmbessert", hier haben sich Bigelow und Red definitiv keinen Innovationspreis verdient, so geht Near Dark letzten Endes nur als "gut" und eben nicht als "sehr gut" durch, was bestimmt möglich gewesen wäre, wenn man das ansonsten beeindruckende Stück Zelluloid einmal review betrachtet.
Mit einem Kostenaufwand von knapp 5 Millionen Dollar spielte Bigelows Frühwerk seinerzeits lediglich 3,3 Millionen Dollar an den amerikanischen Kinokassen ein, erst durch die spätere Videoauswertung gelang es dem Film wirtschaftlich schwarze Zahlen zu schreiben. Mittlerweile konnte sich Near Dark in Fankreisen einen gewissen Kultstatus erhaschen und Entertainment Weekly bezeichnete Near Dark einst sogar als gruseligsten Film des 21. Jahrhunderts. Ich persönlich würde da nicht ganz so weit gehen, der phantasievolle Genremix aus Horror, Western, Action & Vampire bietet zwar dank überzeugend auftretender Schauspieler, seiner gelungenen düsteren Inszenierung sowie den geschickt eingestreuten Gewaltspitzen spannende, wiederansehbare Abendunterhaltung, für den ganz großen Wurf reicht es aber wegen des aus meiner Sicht logikfremden, ausbaufähigen Showdowns nicht ganz. 8 von 10 Punkte.