Review

Als ich den Titel zum ersten Mal sah, dachte ich mir meinen Teil (es kamen darin unter anderem die Worte "Möchtegern" und "Splatter" vor, genau in dieser Reihenfolge und mit einem Bindestrich dazwischen). Als ich dann einige Rezensionen gelesen hatte, strich ich schon mal das "Splatter". Nachdem ich den Film nun endlich gesehen habe, kann man das andere Wort getrost auch vergessen. Der Film ist weder eine Blutorgie (die Gewalt wird SEHR dosiert eingesetzt) noch billig.

Grundsätzlich haben wir wieder einen Vampirfilm, der das interessante und häufig in jedweder Form umgesetzte Phänomen benutzt. Dabei steht er weder auf Seiten der Menschen noch auf Seiten der Vampire (auch wenn es zwischendurch fast so scheinen mag), sondern befindet sich mittendrin. Genauer gesagt geht es um den unfreiwillig mutierten Caleb, einen Cowboy vom Lande, der sich auf einmal mit der "Familie" des Mädchens, das ihn gebissen hat, herumschlagen muss. Einerseits gehört er nun zu den Vampiren, andererseits trauen sie ihm nicht und halten ihn für ein Weichei. Er weigert sich nämlich, Menschen zu töten, um an ihren Lebenssaft zu kommen. Die anderen Vampire haben damit deutlich weniger Probleme, es macht ihnen sogar Spaß (nur das Mädchen, Mae genannt, hält sich ein wenig zurück). Ihr losgelöstes Vagabundenleben, das jeder Konstante außerhalb der Gruppe entbehrt, lässt Menschenleben zur Nebensache werden. Die Gruppendynamik, das Schwanken von Caleb zwischen Außenseitertum und dazu-gehören-wollen, ist ein Merkmal, das diesen Vampirfilmen von ähnlichen Titeln abhebt. Wir haben hier keine in Stein gehauene Hierarchie der Blutsauger wie z.B. in Underworld, auch sind die Vampire keine ultracoolen Überwesen. Zwar sind sie äußerst stark und haben regenerative Kräfte, dafür aber auch eine ausgeprägte Sonnenlichtallergie. Diese geht sehr schnell und heftig zu Werke und hinterlässt nach kürzester Zeit nur noch ein Brikett. Die andere Schwäche der Vampire dieses Films ist ihre Menschlichkeit. Trotz ihrer Gnadenlosigkeit merkt man ihnen innerhalb der Gruppe deutlich an, für wen das Herz schlägt und worauf ihr Ego aufbaut. Sie sind also schon psychisch verletzlich (ich wage, diese Tatsache Kathryn Bigelow zuzuschreiben; ein Mann hätte die Vampire womöglich wieder hochstilisiert). Ihre Natürlichkeit drückt sich auch darin aus, dass seht wohltuend auf alle Vampirklischees (bis eben auf das Sonnenlicht) verzichtet wurde. Danke!

Auch der Look hebt den Film von anderen Produktionen ab. Nur John Carpenter's Vampire entspricht in seiner staubig-trockenen Optik in etwa diesem Streifen. Unter der heißen Wüstensonne im Süden der USA ziehen die Vampire umher, immer sorgfältig darauf bedacht, jede Ritze ihres derzeitigen Wagens abzudecken, um ja kein Licht hereinzulassen. Im Kontrast dazu gibt es viele Szenen, die sehr langsam gefilmt die hitzegelähmte Ruhe des Tages widerspiegeln sollen. In der Nacht geht es dafür oft umso hektischer daher. Auf und abseits der Straße, in Motels und einer Bar geht es immer wieder drunter und drüber, wenn es darum geht, sich die nächste Ration Blut zu sorgen. Dann schnellt auch der Gewaltpegel in die Höhe. "Hochschnellen" kann ich aus zwei Gründen sagen. Erstens: Der Film ist generell recht blutleer. Zweitens: Auch in diesen teils sehr brutalen Szenen wird häufig abgeblendet, vieles der Phantasie des Zuschauers überlassen. Dieses subtile Spiel mit der Gewalt beherrscht Bigelow sehr geschickt; es kommt dem Film wirklich sehr zugute, da die gut gezeichneten Charaktere so viel stärker zur Geltung kommen, ohne in Effekten zu versinken. Besonders der kleine Junge hat es mir angetan, der trotz "Bad Boy"-Attitüden (er tötet liebend gern, raucht, spielt, ...) sich letztendlich nur nach jemandem im gleichen Alter sehnt.
Klingt das jetzt ein bisschen zu sehr nach Drama? Dem ist nicht so. Das Tempo wird stets im richtigen Moment nach oben geschraubt und der Film versteht es, seinem Ziel (unterhaltsamer Horrorfilm) treu zu bleiben und nicht zu einer Charakterstudie zu werden (womit sowieso wohl niemand gerechnet hätte).

Im Gegensatz zu den Stärken des Films stehen einige Ungereimtheiten. Ja, es geht um die Heilung von Caleb. Nun ja, gerade nach dem Realismus, den der Film sonst anschlägt, stinkt diese beinahe plumpe Szene gewaltig ab. Es gibt dann auch schließlich ein Happy End, dieses habe ich aber nur mit Vorwarnung überstanden, ohne einen Zuckerschock zu bekommen. Auch die Dummheit der Menschenfamilie ist zum Haareraufen, wenn sie sich, als wäre nichts gewesen, wieder ins Haus zum Schlafen begibt, wie die Lämmer zur Schlachtbank traben... Nur durch diese grenzdebile Handlung kann das Finale überhaupt beginnen. Ohne diesen schwachen Schluss, der dem Rest des Films völlig zuwiderläuft, wäre noch einiges mehr drin gewesen. Schade...

Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Jeder, der sich ansatzweise für das Blutsaugergenre interessiert, sollte sich Near Dark einmal ansehen, da hier eine erfrischend andere Sichtweise auf die Dinge gezeigt wird. Obwohl zum Schluss hin die Sympathien wieder klar verteilt sind, gefällt der Großteil des Films durch seine neutrale Haltung, bei der nie klar ist, auf wessen Seite der Zuschauer stehen soll. Kathryn Bigelow hat wirklich gute Arbeit geleistet!

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