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Fasziniert von den Aufzeichnungen eines Frauenmörders beschließt Antonio Frau nur wenige Tage nach Verbüßung einer Haftstrafe für den Mord an seiner Geliebten, in dessen Fußstapfen zu treten. Das heruntergekommene Stundenhotel, welches er von seiner entfernten Tante erbt und die Zweckehe mit der Krankenschwester Francisca geben ihm den bürgerlichen Rahmen, um während ihrer Nachtschichten Treber, Fixer und Huren in sein Haus zu locken und mit Vorsatz zu töten. Die Vorstellung der Reinigung des Abschaums der Menschheit ist sicher niemandem neu und vor allem in der Realität nicht halb so verbreitet wie in der Filmwelt, was solche Serientäter angeht. Frei nach seinem Vorbild erzählt Antonio mit einem detailreichen Tagebuch seine gottgegebene Mission, die er zu verfolgen glaubt, seine blutigen Taten versteht er als gutes Werk an den Sündern und kommentiert dieses. Ausführlich will sein Voice Over neben den Dialogen mit seinen Opfern und mit seiner Frau, die ihn offensichtlich betrügt, Erklärungen sammeln, über sein Leben und seine Vergangenheit, während die langsamen Kamerafahrten die Gräueltaten mit und ohne Kettensäge einfangen. Für ein goreverliebtes Publikum ist das trotzdem kaum erquicklich, schließlich sägt es nur außerhalb des Blickwinkels, außer dem Einsammeln einiger fleischiger Teile und viel Blut an den mit Plastikplanen verhangenen Wänden des Raumes 6 vermeidet man hier explizite Darstellungen, die den Film in die drastische Ecke gestellt hätten. Bei aller Liebe zu den guten Darstellern und den Bemühungen, die karge, schmutzige Atmosphäre und das ebenso kaputte Milieu transportieren zu wollen, fehlt dem Film leider über weite Strecken eines, nämlich den Zuschauer zu berühren, zu fesseln oder auch tatsächlich zu schockieren. Selbst bei den Vergewaltigungen fragt man sich aufgrund der teils plumpen Inszenierung, ob diese tatsächliche oder nur angedeutete Aktionen darstellen sollen, weil sich die Produktion in heiklen Szenen immer wieder zurücknimmt und einem gewissen Anstand sowie einem Mindestmaß an Sauberkeit treu bleibt, so bleiben die Höschen in präkeren Situationen an. Sonderlich Tempo gewinnt der spanische Regiedebütant Martín Garrido Barón damit nicht, doch während die Einführung noch fast vergnüglich mit makaberem Humor durchsetzt ist, macht sich zumindest manch mulmiges Gefühl im Mittelteil breit. Umso verwunderlicher ist es, dass dieser Film im weiteren Verlauf weder an Sickohärte noch an Tiefgang in der Charakterzeichnung gewinnt und am Ende sogar zu einem konventionellen Thrillerende gelangt, wie man es aus Hollywood kennt. Denn zunächst verspricht "H6", jener Raum in der leerstehenden Pension, mehr, als das Drehbuch wirklich hält und bleibt immer im üblichen Rahmen, in dem wenig wahnsinnig wirkende Triebtäter mit klassischer Musik zu gepflegtem Rotwein beginnen, über das Leben zu philosophieren, eine Mär, die ebenfalls im Filmgeschäft schon öfters die Runde machte. Die Abgründe der menschlichen Seele hingegen beleuchtet auch dieser Serienkillerflick nicht, obwohl er manchmal den Anschein eines solchen Anspruchs erweckt. Bildlich versucht er etwas auf den Arthousespuren artverwandter Beiträge europäischer Herkunft zu wandeln, narrativ bleibt er allerdings hinter den Erwartungen zurück. Das schlichtweg oftmals Gewöhnliche am Protagonisten hätte eigentlich zu einer realitätsnahen Betrachtung gepasst, wäre da nicht die oberflächliche Faszination für solche Verbrechensmuster, die immer wieder durchschlägt, jedoch nicht so recht in das Konzept passen will.

Fazit: Es gibt wahrlich doofere Serial-Movies unter der Sonne, mehr als einmal braucht man diesen jedoch nicht zu sehen. 5/10 Punkten

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