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Dass Independentregisseur Jim Jarmusch noch nie für ein überaus breites Publikum gefilmt hat, ist hinreichend bekannt. Auch "Night on Earth" konnte bislang noch nicht zu Weltruhm gelangen, doch dafür hat sich der Streifen schon längst seinen Platz im Herzen vieler Fans gesichert und zählt nicht umsonst zu Jarmusch's besten Werken. Das Drehbuch hierzu schrieb der Gute in nur acht Tagen und die eigentliche Intention war es nie, einen Streifen des Geldes wegen zu drehen. Dies ist sehr beachtlich, Jarmusch dreht immer nur Filme, die ihm auch selbst gefallen.

"Night on Earth" fällt auf den ersten Blick durch seine liebevolle, harmonische Aufmachung auf, hinter der man die Liebe fürs Detail des Regisseurs richtig spürt. Wenn gleich zu Beginn die melancholische Musik eines Tom Waits ertönt und das Bild dazu langsam auf eine Erdkugel heranzoomt, dann erzeugt das eine ganz eigene Stimmung. In der nächsten Einstellung richtet sich die Kamera auf fünf nebeneinander hängende Uhren, eine für jede Stadt, in der eine der Handlungsstränge spielt. Desweiteren, und das hat mir besonders gefallen, ist jede Episode in ihrer landespezifischen Sprache gedreht, für ein besseres Verständnis muss man also auf Untertitel zurückgreifen. So erzeugt Jarmusch fünf jeweils grundverschiedene Atmosphären, die jedoch alle eines gemeinsam haben: Sie verbinden jeweils zwei Menschen in einem kleinen Taxi, die sich hier manchmal näher kommen, manchmal streiten, manchmal voneinander lernen oder sich einfach nur Nähe schenken.

Es ist schwer, "Night in Earth" so zu erklären, dass die Faszination dieses Filmes transportiert wird, man muss ihn sich selbst ansehen. So viel sei aber gesagt: Wer kultige Dialoge à la Tarantino erwartet, dürfte mit diesem Werk nicht glücklich werden, es geht hier eine ganze Spur tiefgründiger zur Sache. Da bei vielen Betrachtern deshalb schnell Langeweile aufkommen könnte, ist es wichtig, im Vorraus zu wissen, mit was man es hier zu tun hat. "Night on Earth" ist das beste Beispiel für einen Film mit einem Minimum an Geschehen und einem Maximum an hervorgerufenen Gefühlen beim Zuschauer, sofern sich dieser darauf einlassen kann. Dieser Film lebt von seinen kleinen Höhepunkten, Momente voller Tragik und Komik, die die 120 Minuten permanent durchziehen. Während man in der einen Sekunde noch eine Gänsehaut bekommt, wenn man Helmut's Lebensweisheit lauschen darf: "I'm a clown. Money is not important for me, I need it, but it is not important" kann man sich in der nächsten Szene kaum halten, wenn der römische Taxifahrer von seinen sexistischen Erlebnissen erzählt und sich so sehr hineinsteigert, dass er gar nicht bemerkt, wie sein Fahrgast auf dem Rücksitz stirbt.

"Night on Earth" lebt einzig und allein von seinen Charakteren und so ist es natürlich nicht verwunderlich, dass Jarmusch eine ausnahmslos traumhafte Darstellerriege auf die Beine zauberte. Von Armin Mueller-Stahl, über Winona Ryder, bis hin zu Roberto Benigni gibt es nur ein passendes Wort, das dargebotene Schauspiel in Worte zu fassen - Perfekt!! Egal ob nun Taxifahrer oder Fahrgast, ein jeder bringt seine Rolle genau auf den Punkt und agiert symphatisch und glaubhaft.




"Night on Earth" ist eine zweistündige Taxifahrt durch fünf große Metropolen dieser Welt bei Nacht. Ein optisches Erlebnis, ein Zeugnis von Tragik, menschlichen Werten, zerissenen Charakteren, traurigen Schicksalen und Hoffnungen. Die hier zu Worte gebrachten Dialogen sprechen ehrlich aus dem Leben und wirken in keinster Weise gekünstelt oder unecht. Die Tatsache, dass Jarmusch tatsächlich in den entsprechenden Städten filmte und alle seine Darsteller die dortige Sprache sprechen ließ, verleiht dem Ganzen zudem noch einen sehr realen Grundton und die traurige Musik von Tom Waits sorgt für den richtigen Grad an Melancholie. Da die Schauspieler zudem noch jede einzelne Rolle genial rüberbringen, vergebe ich letztendlich perfekte

10 von 10 Punkten.

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