Review

“Rohrkrepierer”

Wenn man an die seligen 80er Jahre zurückdenkt, geht jedem wahren Actionfan das Herz auf. Das waren noch Zeiten als Sly Stallone und Arnie abwechselnd und in schöner Regelmäßigkeit heute gemeinhin als „gemütlich“ verniedlichte Actionkracher raushauten. Genreperlen wie Der City Hai, Red Heat, Phantomkommando, Die City Cobra, Rambo II etc. versprühten einen rauen B-Charme und glänzten durch politische Unkorrektheit. Gut, die Plots waren am Reißbrett entworfen, die Schauspielleistungen eher dürftig und die Action maßlos übertrieben.
Aber was für einen Spass hat es gemacht, unseren Helden zuzusehen, wie sie zwischen markigen Onelinern ganze Heerscharen dumm brutaler Gegner kompromisslos ins Jenseits ballerten. Als Stallones Stern langsam im Sinken begriffen war und Arnold vornehmlich in familientauglicheren Megablockbustern auftauchte, konnten wir uns wenigstens noch auf einen sich fleischlos ernährenden Aikido-Meister verlassen. Steven, wir danken dir.

Spätestens Mitte der 90er Jahre setzte eine bis heute andauernde Dürreperiode für Liebhaber der guten alten B-Action ein. Weder die Stakkatoschnitte und Wackelkamera der neuen Actionfilmgeneration, noch die zum Teil unterirdische C-Direkt to DVD-Ware ehemaliger Actionhelden (Dolph, Jean Claude und leider auch Steven und Sly) konnten und können diese Leere füllen.
Um so mehr geht ein Raunen durch die ausgehungerte Fangemeinde, wenn sich ein Oldschool- Actioner für die große Leinwand ankündigt, der sämtliche sehnlichst vermissten Attribute mitzubringen scheint.
Einen in erster Linie durch physische Präsenz glänzenden Hauptdarsteller mit stark limitierten mimischen Fähigkeiten. Ein Storygerüst, das man auch noch nachts um 2 nach ausgiebigem Spirituosenkonsum problemlos nachvollziehen kann. Einen Gegner, der ausschließlich fies und brutal ist und im Idealfall dem Genrefan aus früheren Actionhighlights bereits ans Herz gewachsen ist.

Ein solcher Film ist - zumindest scheint es zunächst so -The Marine. Der ehemalige Wrestler John Cena hat die klassische Anabolikavisage aus der Anfangszeit des Governators. Auch in Liebesszenen ist er dermaßen aufgepumpt, dass er vorher mindestens drei Stunden trainiert haben muss. Emotionen zeigt er wenig, was daran liegen könnte, dass er nur über 1 ½ Gesichtsausdrücke verfügt.
Natürlich ist er ein ehemaliger Elitesoldat, der nach seiner Entlassung aus der Armee ein eher freudloses Dasein als Wachmann fristet. Dabei trifft er auf eine Bande alles kurz und klein schießender Juwelendiebe, die zu allem Überfluss auch noch seine Frau kidnappen. Ihren Anführer gibt ein äußerst spielfreudiger Jason -T 1000- Patrick als durchgeknallten Psychopathen.
Das klingt super? Da wird dem Actionnostalgiker warm ums Herz? Absolut! Aber leider nur für genau fünf Minuten.

Als John Triton (John Cena) zu Beginn des Films beinahe im Alleingang einen Frontalangriff zahlloser Feinde auf ein US-Militärlager im Irak abwehrt, knallen mit Sicherheit die ersten Sektkorken. In bester Phantomkommando-Manier gibt es knallige Explosionen und einen Helden, der sich gegen alle Gesetze der Logik kompromisslos den Weg frei ballert. Wäre der Film hier zu Ende, gäbe es ein neues Oldschool-Actionhighlight. Leider kommen noch weitere 83 Minuten.
Gut, dass die Story hirnrissig ist, wurde oben schon angedeutet und ist an sich auch kein Problem. Normalerweise wird man so gut unterhalten, dass man davon wenig merkt. Nicht so bei The Marine. Nach dem knalligen Beginn verliert der Film völlig an Fahrt und ermüdet mit einem stinklangweiligen Juwelenraub und dem Ehe- sowie Berufsalltag des unehrenhaft entlassenen Titelhelden. Das Zusammentreffen mit Robert Patricks Bande bei einer Tankstelle zieht sich endlos in die Länge. Als die Juwelendiebe besagte Tankstelle mitsamt einer keinerlei Verdacht schöpfenden Polzeistreife völlig unmotiviert in alle Einzelteile zerlegen - ok, die Explosionen sehen verdammt gut aus - , muss man erstmals ob der unfreiwilligen Komik lauthals loslachen. Aber es kommt noch schlimmer. Nachdem die Gangster sämtliche Anwesende in und um die Tankstelle ins Jenseits befördert haben, nehmen sie ausgerechnet Tritons Ehefrau (Kelly Carlson als schlechte Ashley Judd Kopie) als Geisel mit der debilen Begründung: Sie ist unsere Lebensversicherung. Natürlich heftet sich der wie durch ein Wunder völlig unversehrte Ex-Marine (Triton ist noch in der Tankstelle, als sie hochgeht) an die Fersen der Kidnapper.
Der Rest ist schnell erzählt: Triton mischt die Bande mehr oder weniger im Alleingang auf, wobei es wieder ein paar schön fotografierte Explosionen zu bestaunen gibt. Kurz vor Schluss gibt es noch einen völlig hanebüchenen Storytwist, der aber leider nicht lächerlich genug ist, um es schon wieder lustig zu finden. Da nicht auszuschließen ist, dass sich trotz Warnung doch noch jemand den Streifen antut, sei auf diesen „Spoiler“ verzichtet. Nach 88 Minuten - die einem wie 3 Stunden vorkommen - endet diese Gurke wie erwartet.

Fazit:
Trotz sämtlicher Attribute der guten alten 80er-Jahre-Actioner Marke Phantomkommando, City Hai oder City Cobra, ist The Marine ein klassischer Rohrkrepierer. Die strunzdumme Story fällt ob des völlig fehlenden Unterhaltungswerts leider überdeutlich auf. Es mangelt schmerzhaft an markigen Onelinern und Tempo. Die ereignislos dahinplätschernde Geschichte wird lediglich durch ein paar - zugegebenermaßen schön gefilmte - Explosionen und wenig aufregende Shootouts unterbrochen. Seagals C-DVDs mögen billiger produziert sein, sind aber als Filme keinesfalls schlechter. Titelheld John Cena besitzt weder Charme noch Selbstironie und macht die Qualitäten seiner auch nicht gerade mit Schauspielkunst gesegneten Kollegen wie Arnie, Steven oder The Rock erst so richtig deutlich .
Alles in allem eine hirnlose, fade und letztendlich ärgerliche Gurke.

(2/ 10 Punkten)

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