Als Action-Junkie hat man es heutzutage nicht leicht. Mit Wehmut blickt man auf die Achtziger zurück, als Selbstjustiz noch unverhohlen propagandiert wurde und gewaltverherrlichende Filme völlig over the top ihre fragwürdigen Ideologien unverblümt wie naiv zelebrierten. Die Handlung war Nebensache. Hauptsache reaktionär, konservativ, patriotisch und dazu auch noch ernst gemeint. Auf die Form der Präsentation kam es damals an und nicht auf den Inhalt. Doch dieses Kapitel des Actionfilms ist bekanntlich längst Geschichte, obwohl zumindest noch der B-Sektor in den Neunzigern diese Schiene recht erfolgreich fuhr.
Wann immer heutzutage sich so ein straighter Streifen traut, an alte Tugenden anzuknüpfen, erlebt er eine finanzielle Bruchlandung. Das heutige Publikum meidet diese Art von Filmen längst weitläufig. Das musste auch „The Marine“ feststellen, obwohl er bereits vorweg sicherheitshalber für eine PG-13-Freigabe konzipiert wurde und gar nicht krampfhaft an alte Traditionen anzuknüpfen versucht. Dabei trägt das Thema an sich natürlich immer noch die selben Charakterzüge wie damals. Auch die sogenannte „unrated“ – DVD zeigt übrigens rein gar nichts, das eine höhere Freigabe rechtfertigen würde.
WWE Films versucht nun schon seit 4 Jahren mit mäßigem Erfolg regelmäßig seine Wrestler als Kinostars zu etablieren und schickt nun den momentan angesagten Recken John Cena ins Feld. Man bleibt seiner Strategie also treu, muskelbepackte Hünen in Actionkomödien zu platzieren und darauf zu hoffen, dass die Wrestling-Fans schon genügend Publikum mitziehen, um die Kassen klingeln zu lassen. Das Konzept ging leider abermals nicht auf. Der Film blieb an den Kinokassen weit hinter den Erwartungen zurück, was nichts daran ändert, dass „The Marine“ ein sehr sympathischer Film geworden ist, dem ich lediglich seine harmlosen Actionszenen etwas übel nehme, weil im entscheidenden Moment immer ausgeblendet wird. Ansonsten kann mich der jüngste Spross WWE Films aber überzeugen.
Dabei fehlt Hauptdarsteller John Cena im direkten Vergleich mit seinem Kollegen The Rock („The Rundown“, „Walking Tall“),den ich persönlich nur zu gern auf der Leinwand sehe, leider so einiges. The Rock bringt stets eine Portion Selbstironie mit in seine Rollen, nimmt sich deswegen nie zu ernst, besitzt natürliches Charisma und darüber mehr hinaus schauspielerisches Talent, als man ihm allgemein zutraut. Auch wenn sich für seine Filme der finanzielle Erfolg noch nicht einstellen sollte, so hat er selbst in seinen Auftritten immer überzeugt. Cena besitzt dagegen nur physische Präsenz und sehr eingeschränkte schauspielerische Fähigkeiten. In den zünftigen Prügeleien darf er zwar auch sein Talent als Wrestler unter Beweis stellen, seinen Ex-Marine John Triton umreißt er indes aber nur mit den vom Drehbuch vorgeschriebenen Attributen. Für diesen Film reicht das aus. Ich kann mir hiernach trotzdem nicht vorstellen, dass er als der neue Action-Star etabliert werden kann. Besser als Hulk Hogan in seinen weniger gelungenen Ausflügen ins Filmgeschäft agiert er allerdings allemal und Regiedebütant John Bonito weiß ihn darüber hinaus auch entsprechend als „One Man Strike Force“ zu stilisieren.
Freuen darf man sich als Genrefan dabei über 80 Minuten sehr straighte Unterhaltung ohne großartige Überraschungen oder einen einfallsreichen Plot, dafür aber mit völlig übertriebenen Actionszenen und einem Robert Patrick („Terminator 2: Judgment Day“, „The Faculty“), der als Bösewicht ein Fass nach dem anderen aufmacht und hier munter abfeiert wie schon ewig nicht mehr. Dabei stiehlt er launig aufgelegt auch Cena locker die Show. Seine Bad Guy - Rolle hat ihm offensichtlich diebischen Spaß gemacht und wenn einer seiner Gefolgsleute während der Flucht vor Triton aufgeregt anmerkt „This guy is like the Terminator“, worauf man einen kurzen Moment lang Robert Patricks ernste Augen im Rückspiegel sieht, will man als Genrefan nur noch abklatschen. Yeah, das sind solche Gänsehaut-Szenen, die mir wieder zeigen warum ich solche Filme über alle Maßen liebe. Ideal zusammenmontiert, für die wissenden Fans gedacht und im Gegenzug mit einem breiten Grinsen dankend abgenickt. Mehr davon! Robert Patrick hält dann später in diversen Situationen immer wieder bravouröse Kommentare parat, bei denen man nur applaudieren möchte. Eigentlich ist er das Highlight des Films.
Abseits solcher Szenen wird der Zuschauer zu Beginn mit der vollen patriotischen Breitseite konfrontiert, die sich allerdings verflüchtigt, sobald Triton aus der Armee entlassen wird, ein kurzes Intermezzo als Sicherheitsmann gibt, um dann mit seiner hübschen Frau Kate (Kelly Carlson, „Starship Troopers 2: Hero of the Federation“, „Nip/Tuck“) spontan in den Urlaub zu fahren. An einer Tankstelle nehmen der Diamantendieb Rome (Patrick) und seine Bande kurz nach ihrem Überfall auf einen Juwelenladen Kate als Geisel und flüchten. Triton wird indes nur kurz außer Gefecht gesetzt und nimmt die Verfolgung auf...
Ja und um viel mehr geht es in „The Marine“ eigentlich auch nicht. Deshalb ist er nach rund 80 Minuten auch schon wieder vorbei. Flott hangeln sich die Charaktere an dem dünnen Handlungsfaden von der einen übertriebenen Actionszene zur nächsten. So sehr es Cena an Humor mangelt, der Film selbst besitzt sie im Überfluss. Rome hat mit seiner Truppe nämlich seine liebe Müh’, weil insbesondere Morgan (einfach herrlich: Anthony Ray Parker, „The Matrix“) ständig zu Überreaktionen neigt und die dicksten Kaliber hervorholt. Als Resultat endet quasi jede Actionszene in einer riesigen, völlig übertriebenen Explosion. Diese Auskopplungen physikalischer Gesetze sind ohnehin eine Spezialität von „The Marine“. Hier fliegen Autos in völlig unmöglichen Bahnen durch die Luft und werden Stunts hingelegt, dass man als Zuschauer entweder nur noch mit dem Kopf schüttelt oder genüsslich das nächste Bier aufmacht. Dazwischen gibt es nichts.
Humor wird also schon groß geschrieben, resultiert aber nur aus witzigen Anspielungen (der Camaro mit seiner „Donated by your local drug dealer“- Aufschrift) und dem Zusammenspiel der Bösewichter rund um den entnervten Rome. Seine Gefolgsleute gehen auch schon mal aufeinander los, platzen mit den unmöglichsten Aussagen heraus (immer wieder Anthony Ray Parker...) und benehmen sich gern wie kleine Kinder.
John Cena nimmt die Angelegenheit indes ungleich ernster, darf sich dafür in den Schlägereien mit Wrestling-Moves und wüstem Gehaue in Szene setzen. Die Autoverfolgungsjagd, in der fast sein gesamtes Fahrzeug durchsiebt wird, ist auch ganz nett, krankt aber an den zu offensichtlichen CGI-Tricks. Im übrigen mag ich nicht glauben, dass dieser Film tatsächlich nur günstige 15 Millionen Dollar gekostet hat. Der Film sieht doch deutlich nach dem doppelten Budget aus und davon dürfte einiges Miller gesponsort haben, da vornehmlich direkt in die Kamera Genuine Draf gesoffen wird.
Das explosive Finale gestaltet sich recht brutal und bewegt sich überraschend am Rande des PG-13-Ratings, wobei ich nicht ausschließen will, dass der Film dort tatsächlich Federn ließ, weil er ähnlich wie die Intro-Sequenz im Irak verdächtig unflüssige Schnitte aufweist, die etwas ungelenker wirken als die Montages des restlichen Films. John Bonito muss man als Debütant aber gratulieren eine so herrlich flotte Actionkomödie abgeliefert zu haben, die mit fetzigen Tracks und einer attraktiven Optik eigentlich alles mitbringt, was man nach dem überzeugenden Trailer erwartet hat. Die erfahrenen Mannen der Second Unit (u.a. Andy Cheng) dürften ihm dabei zugespielt haben, aber letztlich steht er ja für den Film gerade. Ein bisschen weniger CGI hätte ich zwar schon gern gesehen, aber allein die pyrotechnische Megalomanie macht „The Marine“ sehenswert.
Fazit:
Klar der Film hat Plotholes und Logiklöcher noch und nöcher, aber das interessiert hier nun wirklich keine Sau. „The Marine“ ist endlich mal wieder ein Actionfilm, bei dem man als Genrefan so richtig abfeiern kann. Robert Patrick hat in seiner maßgeschneiderten Bad Guy - Rolle daran einen gehörigen Anteil, während sich John Cena so solide aus der Affäre zieht, wie man das von ihm erwartet.
Speziell die genüsslichen Actionszenen mit einigen ganz tollen Momenten, der urkomische Anthony Ray Parker mit seinen eigentümlichen Ansichten und die ausufernde Arbeit der Pyrotechniker wird jedem geneigten Zuschauer das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Echt ’ne geile Show mit mächtig viel Krawumm, coolen Sprüchen und einer Alibistory. Wie ich solche Filme vermisse und daher gleich umso mehr schätze.
P.S.: Kann mir irgendjemand mit Sicherheit bestätigen, dass die Szenen des Kampfhelikopters eingangs nicht aus „Rambo III“ stammen?