„Rocky“ war nicht nur Stallones erster großer Erfolg, sondern dürfte auch sein persönlichster Film sein, da er das Drehbuch selbst verfasste.
Rocky Balboa (Sylvester Stallone) lebt in ärmlichen Verhältnissen in Philadelphia. Er boxt unter dem Namen Italian Stallion, doch das Preisgeld ist gering, weshalb er als Geldeintreiber für den Mafioso Gazzo (Joe Spinell) arbeitet. Rocky lebt in einer kleinen Wohnung, indem ihm nur seine Haustiere Gesellschaft leisten und in der eine alte, zusammengedrückte Matratze als Boxsack dient. Doch trotz der Darstellung ärmlicher Verhältnisse drückt „Rocky“ glücklicherweise nicht auf die Tränendrüse, sondern präsentiert das Geschehen nüchtern wie realistisch.
In dieser Situation bietet sich jedoch eine große Chance für Rocky, da der Weltmeister Apollo Creed (Carl Weathers) nach dem Ausfall seines eigentlichen Gegners gegen einen Newcomer um die Weltmeisterschaft boxen will – und seine Wahl fällt auf den italienischen Hengst…
„Rocky“ ist der Klassiker des Boxerfilms und das, obwohl hier kaum geboxt wird. Ein kleiner Kampf zur Einführung und das große Finale, das war’s. Doch die Inszenierung der Kämpfe wirklich schweißtreibend, die Choreographie nicht immer realistisch, aber das merkt man kaum. Der Endkampf wird nicht komplett gezeigt und das ist auch gut so, denn auf die Dauer würde das Boxen ermüden. Stattdessen finden Autor Stallone und Regisseur John G. Avildsen genau das richtige Maß zwischen zuviel und zuwenig.
Der Rest des Films befasst sich mit zwei Dingen: Dem Leben Rocky und mit seinen Vorbereitungen auf den Kampf. Letztere haben Filmgeschichte geschrieben, wie z.B. das Boxen auf Rinderhälften oder Trainingsläufe zu dynamischer Musik. Dazu kommen Dispute mit dem alten Trainer Mickey Goldmill (Burgess Meredith), der Rocky vorwirft, er habe zuvor sein Talent vergeudet und ihn durch eine harte Schule schickt – aber genauso ideal auf den Kampf vorbereitet. So verbildlicht „Rocky“ den Kampf des Working Class Helden, der quasi chancenlos zum großen Kampf antritt und dessen einziger Wunsch es ist die 15 Runden durchzuhalten. Dementsprechend sieht die Welt am Ende des Films für Rocky nicht von jetzt auf gleich rosarot aus, sondern er hat nur Achtungserfolge errungen – aber genau das war wichtig für ihn.
Auf der anderen Seite zeigt sich „Rocky“ als Milieustudie: Balboa versucht in seinem Armenviertel dafür zu sorgen, dass die Kids nicht zuviel rumhängen, und ist auch als Geldeintreiber sehr freundlich – doch statt Bewunderung erntet er oft nur Undank und Spott. Er gilt als dumm und auch er selbst bezeichnet sich öfter so. In der Liebe ist er ebenfalls bescheiden, er umwirbt mit Mühe Adrian (Talia Shire), die unscheinbare Schwester seines Freundes Paulie (Burt Young). All das zeigt das Leben in erfrischend realitätsnaher Perspektive, wirkt dramatisch und scheint nie gekünstelt.
So bleibt die Große Schwäche von „Rocky“ nur die Darstellung von Creed und seiner Truppe. An denen lässt man kaum ein gutes Haar, sie kommen viel mehr wie geldgeile Schwätzer rüber. Creeds Selbstinszenierung ist einfach over the top und sicher gibt es im Promisport viele arrogante Leute, aber hier wirkt es doch zu moralisierend – gerade im Vergleich zu der schön nüchternen Milieustudie.
Sylvester Stallone wirkt hier noch recht unheroisch und liefert eine der besten Performances seiner Karriere ab: Kaum Muskelspiele, zurückhaltend und doch auf ganzer Linie überzeugend. Talia Shire und Burt Young sind fast ebenso gut, Carl Weathers gibt sich redlich Mühe und Burgess Meredith als kauziger Trainer ist auch Klasse.
„Rocky“ ist ein lebensnahes, kurzweiliges Boxerdrama, das mit seiner nüchternen Art überzeugt. Schade, dass man bei der Charakterisierung von Apollo Creed und seinen Leuten etwas tief in die Klischeekiste griff.