Review

"Der krankhaft spannende und intelligente Thriller erforscht die menschliche Psyche und findet sich ein in den dunkelsten und brutalsten Winkeln der Menschenseele"

So umschreibt der Klappentext den Film, und wenn man einmal die obligatorischen Superlative in ihre Grundform zurückführt, muß man sagen, daß das im Großen und Ganzen zutrifft (-wer die Superlative sucht, der guckt am besten Tagesschau). Die Stimmung ist geprägt von morbider Eingeschlossenheit in einem labyrinthisch-finsteren Raum, der nur durchleuchtet ist von der durchaus als solche wahrzunehmenden Schönheit der beiden "Nachbarinnen" Anna und Kim. Die Musik ist meist eindringlich ruhig und erinnert etwas an Suspiria, derweil das Eingeschlossensein in einem umgrenzten Raum Anklänge an Bergmanns "Viskningar och rop" hat. Der Regisseur hat sich bei der Raumgestaltung an der Kunst der 1920er Jahre orientiert, wozu auch das zu Beginn des Films sehr stark hervortretende Femme-fatale-Motiv recht hervorragend paßt. Gerade nach mehrmaligem Anschauen wirkt der Film sehr durchdacht, gewinnt mehr und mehr an aufklärender Intensität, und er enthält nur wenige handlungslogische Unstimmigkeiten, die sich jedoch gut inhaltlich rechtfertigen lassen. Das ist bei vielen, insbesondere bei solchen komplex strukturierten Psychofilmen, ja oftmals nicht der Fall.

Nun zum Inhalt: Ein Mann namens John bewohnt (scheinbar als neuer Mieter) eine Wohnung im fünften Stock eines Hauses. Als er eines Tages zu dieser seiner Wohnung zurückkehrt, begegnet er seiner Nachbarin, die ihn auch prompt bittet, ihr beim Umstellen eines Schranks zu helfen - eine schöner Vorwand, um ihn in ihre Wohnung zu locken. Dort angelangt, trifft er ebenfalls auf die schöne Kim, gespielt von Julia Schacht, die mit ihrer Ungreifbarkeit, ihrer kühl herablassenden Art und ihrer lasziven Hauchstimme sehr erregend wirkt. Im Zuge dieser versteckten Einladung entwickelt sich ein fieses und von erotischer Wucht geprägtes Katz-und-Maus-Spiel, in das sich John, unter zunehmendem Verlust seiner Willensgewalt, mehr und mehr verstrickt. Hinzu kommt, daß die beiden jungen Frauen allerlei intime Details über Johns verflossene Liebschaft kennen, die sich erst bei wiederholtem Anschauen und/ oder längerer Reflexion richtig einordnen lassen. Auch dies prägt die Genialität des Films: Während John sich zunehmend in der von den beiden Frauen geleiteten Welt verliert, gelingt es dem Film in einer parallel laufenden Gegenbewegung, den Zuschauer aus Johns Seelenwelt in die ihn umgebende Realität hinauszuführen und das Ganze aufzuklären. Der Schluß selbst kommt dann aber etwas plump daher, weil man sich während der finalen Minuten schon gut ausmalen kann, welches Bild man als letztes zu sehen bekommt. Was aber möglicherweise auch gewollt ist.

Auch die Interviews im Extramenü sind sehenswert, da sie sich deutlich vom normalen Hollywoodbrei abheben. Hier wird nicht nur gesagt, daß alles ganz toll und der Regisseur so nett und sowieso alles das Beste, das es jemals gab und geben wird - inklusive der gerade interviewten Person - sei, sondern man erfährt einige interessanten Dinge über die Entstehung des Films und über die Inspirationsquellen des Regisseurs und seiner Crew. (Zumindest in der norwegischen Originalfassung).

Grundsätzlich ist dies wohl nur ein Film für Leute, die über einen hohen Grad an Differenzierungsvermögen verfügen. Die kgl.-norw. 18er-Wertung ist dabei völlig gerechtfertigt. Auch die Ruhe und Handlungsarmut - Handlung ist eher durch Spannung ersetzt - werden nicht jedem zusagen. Ein baldiges Erscheinen in deutscher Version ist deshalb wohl nicht wirklich wahrscheinlich. Ein großer Vorteil ist jedoch, daß der Film als gedanklich sehr in sich verschachteltes Gebilde sich erst nach mehrmaligem Anschauen richtig erschließt.

10 von 10 Punkten

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