Ganze vier Jahre musste man nun darauf warten, dass Peter Thorwarth seiner Unna-Trilogie endlich ihren würdigen Abschluss spendierte. Der nach einigen Verschiebungen nun tatsächlich seinen Einstand im Kino feiernde „Goldene Zeiten“ ist aber letztlich sicher nicht das, was die meisten Zuschauer und Fans erwarten.
Um es gleich klarzustellen: Ich bin ein riesiger Fan von „Bang Boom Bang“ und „Was nicht passt, wird passend gemacht“, die sich so detailliert mit ihrem Milieu auseinandersetzen, war von „Goldene Zeiten“ allerdings sehr enttäuscht.
Nachdem Thorwarth sich nun schon den Kleinkriminellen und der Arbeiterklasse widmete, nimmt er sich hiermit den Neureichen an und bricht stilistisch mit einigen Traditionen der Vorgänger. Das prägende Lokalkolorit Unnas und die charmante, manchmal ruppige Ruhrpott-Mentalität werden zugunsten einer zerfahrenen Geschichte, die darüber hinaus bei einer Spielzeit von 130 Minuten mindestens 20 Minuten zu lang ist, um den Event-Manager Ingo Schmitz (Wotan Wilke Möhring, „Das Experiment“, „Antikörper“) und den Golfclub-Präsidenten Jürgen Matthies (Wolf Roth) nahezu gänzlich fallen gelassen.
Thorwarth wollte laut eigener Aussage keinen zweiten „Bang Boom Bang“ drehen, sich weiter entwickeln und einen „anderen“ Film drehen, was ihm mit „Goldene Zeiten“ sicherlich auch soweit gelungen ist – allerdings auf Kosten des Unterhaltungsgrads.
Denn so schrecklich viel bleibt nach 130 Minuten leider nicht hängen. Außer der Erkenntnis, dass man auf jeden Auftritt von Ralf Richter, im übrigen auch mit den besten Gags (Die Nuttenwertberechnung!, 60 Tage naturbedingter Urlaub...), als Zuhälter und Puffbesitzer Bullet-Harry fiebert, nimmt man aus „Goldene Zeiten“ leider so schrecklich viel nicht mit.
Darüber hinaus ist das Skript schrecklich zerfahren. Der Rhythmus und die Balance der einzelnen Figuren stimmen überhaupt nicht. Dem Drehbuch hätte deswegen eine Straffung sicherlich nicht geschadet.
Ein gutes Beispiel ist Alexandra Neldels selbstironisch gegebene Melanie, die während ihrer Rückkehr nach Unna nie wirklich Fühlung zur eigentlichen Handlung aufnimmt und ihr Mauerblümchendasein nur zu fristen scheint, damit ein paar Anspielungen auf „Bang Boom Bang“, insbesondere durch Mark Kampmann (Christian Kahrmann, „Ratten 2 - Sie kommen wieder!“), der inzwischen eine Porsche-Tuning-Werkstatt betreibt, platziert werden können.
Zudem hätte die Reduzierung der Figuren auch den Vorteil mit sich gebracht, ein paar urigen Charakteren wie Bauer Buschschulte (Hans Martin Stier) mehr Screentime zu widmen und sie zu pflegen. Denn solche amüsante Originale hat der Film nämlich leider nur wenige und seine Auftritte auf dem Traktor, insbesondere wenn er den Golf-Platz umzupflügen beginnt, sind kleine Highlights des Films.
Der gegenseitige Beschiss und die parallel ablaufenden Handlungen, zwischen denen Peter Thorwarth dann hin- und herschaltet entsprechen der Grundstruktur von „Bang Boom Bang“, ohne dessen grotesken Züge anzunehmen.
Auffällige Ausnahme ist natürlich Dirk Benedict, der als Douglas Burnett, angeblicher Star der U.S. - Serie John Striker, am Charity-Golfturnier teilnehmen soll und weitere V.I.P.s nebst großzügiger Sponsoren anlocken soll, in Wirklichkeit aber ein glatzköpfiger, zweitklassiger, deutscher Schauspieler ist, der den Starrummel schnell zu genießen beginnt, worunter Ingos Nerven alsbald, auch wegen seines angespannten Finanzrahmens, arg leiden. Vorgestellt wird er übrigens witzigerweise mit Szenen aus „The A-Team“.
Der Plan von Klubchef Matthies sieht allerdings nicht vor, die Spendeneinnahmen an ein osteuropäisches Waisenhaus zu überführen, sondern damit den Club zu sanieren. Letztlich nur eine von vielen Betrügereien...
Von russischen Bodyguards, Nutten, Zuhältern, abgewrackten Hollywood-Stars, verlogenen Weibern bis zu prolligen Machos tauchen zudem einige mehr oder weniger kriminelle Elemente wieder auf, wie man sie schon zum Teil aus den Vorgängerfilmen kannte, ohne das sie sich hier so entfalten dürfen. Das liegt aber auch daran, dass die „normalen“ Protagonisten genug illegale Energien entwickeln und sich in einem Netz aus Betrug und Lüge verstricken, dass sie kaum noch weitere Hilfe benötigen. Zum Schluss wartet dann freilich auch der Super-GAU, wenn das wackelige Konstrukt eines jeden großflächig zusammenbricht und der Film einen unentschlossenen Ausgang nimmt, nicht alle Fragen beantwortet und den Zuschauer schon ein wenig ratlos zurücklässt. Ein brausender Applaus wollte sich beim Abspann jedenfalls nicht einstellen...
Denn der Funke springt dabei einfach nicht über. Der Wortwitz hält sich in Grenzen, das Ende ist trivial und der abschließende, kommentierende TV-Spot ein wenig ungelenk als Fazit der vorangegangenen zwei Stunden eingebaut.
Die Ambitionen Thorwarths scheinen indes uneffektiv durch, doch ich hätte ehrlich gesagt lieber einen Abschluss in der Tradition der Vorgänger gesehen, denn danach hätte er sich immer noch einem neuen Projekt mit seinen neuen Richtlinien widmen können. Ich bezweifele nebenbei bemerkt auch stark, dass „Goldene Zeiten“ den Erfolg seiner Vorläufer wiederholen wird. Dafür ist er einfach zu schwerfällig. Um zum Nachdenken anzuregen, ist er nicht intelligent genug und um einfach nur zu unterhalten, fehlt ihm die konsequente Lust am Schabernack.
Gleichermaßen überladen mit Handlungssträngen und Charakteren bleibt auch deswegen „Goldene Zeiten“ irgendwo im Mittelmaß mit viel Platz nach unten und oben stecken. Dass Peter Thorwarths Geist noch drin steckt, erkennt man schon noch, aber er verblasst hier leider zusehends in einer zerfahrenen Geschichte voller Figuren, die, um ihren Ruf und ihren Status fürchtend, skrupellos nicht mal vor Mord Halt machen, amoralisch handeln und trotzdem nicht verhindern können, dass der Strick sich um ihren Hals langsam zuzieht. Dass der Film trotzdem immer wieder ein paar tolle Momente (Ludger Pistor ist z.B. klasse) hat, will ich dabei nicht verschweigen, nur der Großteil des Films erscheint eben relativ trivial und verbleibt kaum in Gedächtnis. Mit einem meist dezent ironischen Unterton gehen eben einmal dramatische und dann wieder traurige Episoden einher, die von etwas Gewalt unterbrochen werden und nur ganz wenige Überraschungen zutage fördern, dabei allerdings nie in irgendeiner Form Kultpotential entwickeln. Leider...
Fazit:
Nach „Bang Boom Bang“ und „Was nicht passt, wird passend gemacht“ entpuppt sich „Goldene Zeiten“ als zwar ambitionierter, aber auch genauso enttäuschender Abschluss der Unna-Trilogie von Peter Thorwarth. Den Flair der beiden Vorgänger meist vermissen lassend, verbleibt Thorwarth zwar narrativ auf gewohntem Terrain, versucht sich aber aus dem Komödiensektor zu lösen, was ihm hier auf Kosten des Unterhaltungsgrads wenig erfolgreich gelingt. In diesem Verwirrspiel voller lügender, scheiternder Figuren bleibt einzig und allein der unverwechselbare Ralf Richter nachhaltig in Erinnerung. Ansonsten ist „Goldene Zeiten“ leider ein Film, der wenige Eindrücke hinterlässt, unentschlossen sein Ziel nicht findet und über seine im Ansatz ambitionierten Ideen (z.B. Melanie und ihre gescheiterte Karriere) nicht hinaus kommt. Aufgrund des Wiedersehens mit lieb gewonnen Filmfiguren und vielen Sympathien für den Filmemacher Peter Thorwarth kommt am Ende das gesicherte Mittelmaß bei heraus. Seine Nachricht ist zumindest angekommen und er betonte sie ja auch noch einmal vor der Vorstellung: "Im Leben nicht abheben, sich stets auf seine Herkunft besinnen und selbst treu bleiben".