Filme und Angora-Pullover. Eine dieser Leidenschaften teile ich mit Edward D. Wood, dem „schlechtesten Regisseur aller Zeiten“. Welche das ist? Dazu später mehr…
Ed Wood bereitete sich mit seinem ersten Spielfilm „Glen or Glenda“ sein eigenes Coming-Out. Er verfasste nicht nur das Drehbuch und führte Regie bei diesem Streifen, sondern verpasste sich selbst gleich die Hauptrolle als Glen, der sich selbst nur in Frauenkleidern so richtig wohl fühlt. Für das Jahr 1953 sicherlich ein reichlich brisanter Stoff, der jedoch zum größten Teil durch den schlechten Ruf des Regisseurs nur wenig Beachtung und dadurch auch nicht die erwarteten Aufschreie seitens der übermächtigen konservativen Lager hervorrief.
„Glen or Glenda“ ist durch den autobiographischen Anstrich der wohl persönlichste Film des Regisseurs, der gerade durch diese persönliche Note wohl auch sein bester Film ist. Entgegen „Plan 9 from outer space“ und „Bride of the monster“ weiß die Geschichte über den innerlich zerrissenen jungen Mann nicht nur dadurch zu überzeugen, dass er aus heutiger Sicht köstliche Trash-Unterhaltung ist, sondern in erster Linie überwiegt der Eindruck, dass Wood bei dieser Arbeit mit seiner ganzen Leidenschaft dabei war, da er damit ein Thema behandelte, das ihn selbst zutiefst beschäftigte. Die Leidenschaft für das Medium Film zieht sich zwar wie ein roter Faden durch die Filmographie Ed Woods, doch wurde sie nie so deutlich wie im hier vorliegenden Fall. So entwickelt der Filmemacher von Beginn an ein Plädoyer für die Toleranz gegenüber Transvestiten, eine schon fast flehende Bitte, der Zuschauer – die Gesellschaft – möge doch ihm und seinen „Leidensgenossen“ Verständnis entgegenbringen. Das manifestiert sich zum einen durch eine pathetisch wirkende Texttafel zu Beginn des Filmes, zum anderen durch den versuchten wissenschaftlichen Touch, den Wood dem Film geben möchte, indem er einen vermeintlichen Psychologen das Geschehen aus dem Off heraus kommentieren lässt. Hier jedoch begeht Wood den Fehler, zu viele Wiederholungen in die Argumentationskette seines Kommentators einzubauen, die sich ab und an gar selbst widerspricht. Dadurch entsteht eine gewisse Monotonie, die es dem Zuschauer sehr schwierig macht, mit derselben Freude am Gesamten dran zu bleiben, wie es Wood selbst wohl war. Konzeptlosigkeit, fehlende dramaturgische Entwicklung, zu starke, zu lange Fokussierung auf Sachverhalte, die bereits nach wenigen Augenblicken dem Zuschauer einleuchten… das alles sind Punkte, die man Ed Wood trotz seiner zweifelsfrei vorhandenen tiefgründigen Intention vorwerfen muss.
Trotz dieser Negativ-Punkte wäre es schön gewesen, wenn er sich auf das Vortragen dieses Plädoyers beschränkt hätte. Doch er musste ja auch seinen Freund Bela Lugosi irgendwie in den Film einbauen. Als an Dr. Frankenstein erinnernder Märchenonkel kommentiert er – parallel zum bereits erwähnten Psychologen – die Geschehnisse um Glen(da), das alles immer mit soviel theatralischem Pathos in der Stimme, untermalt durch wilde Gesten, dass es aus heutiger Sicht nur noch lächerlich wirkt. Was diese Einschübe mit dem gesamten filmischen Geschehen verbindet, wird auch bei genauerer Betrachtung des Filmes nicht so wirklich ersichtlich. Amüsant ist es allemal. Mindestens genauso „amüsant“ wie der recht expressionistisch erscheinende Einschub gegen Ende des Films, in dem sich in einer musikalisch untermalten Szene ein Mann minutenlang an einer sich auf einem Sofa räkelnden Frau „vergeht“.
Wood selbst merkt man bei seinem Schauspiel die gleiche Leidenschaft wie beim Filmemachen an, und doch wird auch hier klar: als Schauspieler ist er ebenso talentfrei wie als Regisseur und Drehbuchautor. Seinem großen Vorbild Orson Welles konnte er also nur bedingt nacheifern.
Edward D. Wood Jr. wollte mit seinem „Glen or Glenda“ bereits zu Beginn seiner Karriere sein Publikum aufrütteln. Moralisch gelang ihm dies jedoch nur mit Abstrichen, da das „Aufrütteln“ wohl in diesem Fall eher mit einem „Vor Lachen Schütteln“ gleichzusetzen ist. Nichtsdestotrotz muss man den Hut vor Wood ziehen, der hier großen Mut bewies, zum einen ein totgeschwiegenes Thema auf die Leinwand zu bringen und zum anderen dabei seine eigene Leidenschaft offen zur Schau zu tragen. „Glen or Glenda“ ist Trash, der zu amüsieren weiß, jedoch nicht wirklich für den gemütlichen „Trash-Themen-Abend“ bei Bier und Popcorn geeignet ist. Dafür hat der Film eine doch zu ernsthafte Intention.
Ach ja… um die Eingangsfrage noch zu beantworten: ich bevorzuge Baumwolle… 6/10