Die Berufung von William Malone in den „Masters of Horror“-Zirkel hat sicher etliche Leute erstaunt – schließlich ist er einer breiteren Masse eigentlich nur aufgrund seiner letzten beiden Werke bekannt: 1999 inszenierte er „House on Haunted Hill“, die erste Produktion der „Dark Castle“-Schmiede, 3 Jahre später folgte die High-Tech-„Ring“-Variante „Fear Dot Com“. Beide Werke wurden von der Presse nahezu einhellig verrissen, letzteres darüber hinaus noch von der Horror-Fangemeinde negativ gebrandmarkt, was insgesamt in einem finanziellen Desaster mündete. Ich selbst stehe dazu, dass mir beide (noch heute, also nach mehrfachem Sichten) durchaus gut gefallen. Zwar sind sie jeweils (von der Story her) nicht sonderlich intelligent oder originell, dafür allerdings in einer (über-) stilisiert modernen, dem Auge eine Unmenge visueller Köstlichkeiten präsentierenden Bildersprache umgesetzt worden, vor der ich begeistert meinen (imaginären) Hut ziehe. Bei „Fair-Haired Child“ setzt er all diese Techniken ebenfalls ein, doch dieses Mal kommt ihm die verkürzte Laufzeit unterstützend zugute, denn im Rahmen des Episoden-Formats lässt sich auch eine weniger komplexe Geschichte durchaus ansprechend über die gesamte Länge (von unter einer Stunde) verteilen. Soviel kann ich an dieser Stelle bereits verraten: Malone hat die sich ihm bietende Chance genutzt – dank der Konzentration auf seine Stärken gehört sein Beitrag zweifelsohne zu den Highlights dieser ansonsten recht durchwachsenen ersten Staffel…
Tara (Lindsay Pulsipher) ist 13 Jahre alt, hübsch, nett und intelligent – zugleich allerdings eine Außenseiterin an ihrer Schule, da sie weitestgehend in sich gekehrt ist, modisch nicht den neusten Trends folgt, Comics zeichnet und sich gerne mal in Tagträume flüchtet, weshalb sie von ihren Mitschülern offen als „Freak“ bezeichnet wird. Die Wurzeln ihrer konstant traurig-hintergründigen Stimmungslage liegen zweifelsohne bei ihr daheim, wo ihre allein erziehende Mutter den Großteil des Tages benommen von irgendwelchen Pillen verbringt. Ihre Gedanken-versunkene Art wird ihr jedoch irgendwann zum Verhängnis, nämlich als sie sich auf dem Heimweg (durch den Wald) eines Vans nicht gewahr wird, welcher sie in einiger Entfernung zu verfolgen scheint – bis dieser plötzlich aus einem kreuzenden Weg mit hoher Geschwindigkeit (hinter den Bäumen hervor) herausgefahren kommt und sie auf ihrem Fahrrad seitlich rammt. Benommen bleibt sie auf dem Waldboden liegen, nachdem sie von der Wucht des Aufpralls etliche Meter weit durch die Luft geschleudert wurde, während der Fahrer in aller Ruhe aussteigt, sich ihr nähert, sie dann packt, zurück zum Fahrzeug schleift und unsanft hinten in den Laderaum verfrachtet…
Als sie das Bewusstsein zurückerlangt, findet sie sich in einem schönen, gut eingerichteten Krankenzimmer mit Blick auf einen idyllischen See wieder, in welchem sie von einer Schwester namens Judith (Lori Petty) versorgt wird. Auf Taras Frage, was denn passiert sei, erklärt sie ihr, dass man sie neben der Straße gefunden sowie zur Behandlung hierher gebracht habe. Eher beiläufig erzählt Judith dabei, dass sich die Klinik in Vermont befinden würde, was die junge Patientin auf- und erschrecken lässt, denn eigentlich wohnt sie in Connecticut. Man bietet ihr an, zuhause anzurufen und sich abholen zu lassen, doch ihre Mutter ist in ihrer derzeitigen Verfassung einfach nicht dazu in der Lage. Wenigstens kümmert sich die Schwester gut um sie, nimmt ihr die Angst und vermittelt ihr das Gefühl, nicht alleine zu sein. Gemeinsam gehen sie ihre Krankengeschichte durch, aber mit der Zeit beginnen die Fragen immer eigenartiger zu werden (z.B.“Have you been baptized?“ oder “Are you a virgin?“ bzw auf ihre Antwort: “Not even a kiss?“), bis sich ein seltsamer Widerspruch auftut, nach welchem Tara sogleich die Flucht ergreift und herausfindet, dass sie sich eigentlich in einem abgelegenen, riesigen Herrenhaus befindet.
Unfähig, das verschlossene Gebäude zu verlassen, läuft sie schließlich Anton (William Samples), ihrem Entführer sowie dem Mann des Hauses, förmlich in die Arme. Trotz energischer Gegenwehr gelingt es dem Pärchen daraufhin, sie unsanft in den Keller hinunter zu befördern, wo sie (nach kurzer Orientierung) aus einem Nebenzimmer merkwürdige Laute vernimmt, welche, wie es sich herausstellt, von einem Jungen stammen, der sich gerade zu erhängen versucht – mit vollem Krafteinsatz schafft sie es, das im letzten Moment zu verhindern. Sein Name ist Johnny (Jesse Haddock), und er scheint schon länger hier unten zu verweilen. Da er nicht sprechen kann, kommuniziert er per Schreiben im Dreck mit ihr. Seiner Ansicht nach ist die Situation hoffnungslos – weitere, offenbar von anderen Gefangenen zuvor an die Wände geschriebene Sätze wie “Get out before it wakes up!“,“Don´t let it find you!“ oder “Beware of the fair-haired Child!“ scheinen das zu bestätigen. Zwar will Tara keinesfalls so einfach aufgeben, muss allerdings irgendwann erkennen, dass die Kellerräume wohl tatsächlich „ausbruchssicher“ sind. Es kommt jedoch noch schlimmer: Im Laufe der Nacht werden sie von einer verstörenden Kreatur heimgesucht, welche sich offensichtlich von Menschenopfer ernährt, die ihr das Pärchen zukommen lässt. In den ruhigen Phasen zwischen den Angriffen versucht Tara den geschwächten Johnny mit Geschichten bei Bewusstsein zu halten, was eine unschuldige, starke Verbindung zwischen ihnen aufbaut. Nur mit ihrer gegenseitigen Unterstützung wird es ihnen eventuell gelingen, die Nacht zu überstehen – und nicht so wie die anderen Kids zu enden, von denen noch einige Körperteile im blutverschmierten Nebenraum liegen…
Ich habe ja bereits erwähnt, dass Regisseur Malone für seine bisherigen Werke nicht gerade den Titel „Master of Horror“ verdient, doch wenn man mal genauer hinschaut, hat er das Genre indirekt um ein klassisches Element bereichert: Angefangen hat er seine Hollywood-Karriere nämlich als F/X- und Make-up-Künstler – und in dieser Zeit kreierte er in den Siebzigern eine Maske auf der Basis von William Shatners Gesichtsabdruck, welche ihm ein junger Filmemacher namens John Carpenter abkaufte, weiß einfärbte und als Verkleidung für den Killer in seinem Low-Budget-Streifen namens „Halloween“ verwendete. Jip, der Mann hat die Original-Maske von Michael Myers hergestellt! In den folgenden Jahren stieg er zum gefragten Sculptor und gar Viezepräsident der „Don Post Studios“ auf, drehte die beiden Trash-Streifen „Scared to Death“ und „Creature“ sowie Episoden von „Freddy´s Nightmares“ und „Tales from the Crypt“, bevor er mit dem erwähnten William Castle Remake seine erste Big-Budget-Produktion umsetzen durfte. Diesen Job hier verdankt er vermutlich seiner langjährigen Freundschaft mit Mick Garris, doch mit dem vorliegenden Ergebnis beweist er, mit der Materie einer derartigen Episode deutlich besser umgehen zu können, als etliche seiner (zumindest für Season 1) verpflichteten Kollegen.
Das Drehbuch zu „Fair-Haired Child“ stammt aus der Feder von Matt Greenberg (“Halloween H20“/“Reign of Fire“) und zeichnet sich nicht gerade durch ein Übermaß an Kreativität oder Komplexität aus – trotzdem passt es perfekt zu dem Format, denn es beschränkt sich ausschließlich auf die wesentlichen Aspekte der Handlung und nutzt zudem viele der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ein gewisses Maß an Substanz in Form von Hintergrundinformationen (z.B. per Flashbacks) in den Verlauf einzubringen, ohne dass dabei der Fluss bzw das Tempo unterbrochen wird. Nach und nach entfaltet sich die Geschichte, welche unmittelbar nach dem Vorspann einsetzt und sich ohne Durchhänger bis zum unausweichlichen, jedoch gelungenen Schlusskniff erstreckt. Stückweise offenbaren sich die Motive, Absichten und Gegebenheiten: Der Betrachter weiß nur selten mehr als Tara, und parallel zu ihren Erkenntnissen werden ausgewählte Inhalte mit Hilfe von Rückblenden veranschaulicht. Es ist nämlich so, dass der Sohn von Anton und Judith (beide übrigens reiche, begabte klassische Musiker) an seinem 15.Geburtstag im See hinterm Haus ertrank. Ein schwarzes Ritual bietet ihnen die Möglichkeit, ihn wieder ins Leben zurück zu holen – dafür müssen sie der geheimnisvollen Macht, welche sich als grausame Kreatur manifestiert, zu seinem Geburtstag jeweils ein Kind opfern, 12 Jahre lang. Mehr zu verraten wäre unfair, denn die relative Unvorhersehbarkeit ist eine klare Stärke dieser Episode – selbst wenn die eigentliche Handlung recht wenig hergibt und sich darüber hinaus klar der furiosen Umsetzung unterordnen muss. Sicher, wird haben es eindeutig mit „Style over Substance“ zutun, dafür aber „at it´s best“!
Der Einstieg, ein von Gewitterblitzen begleitetes nächtliches Ritual, liefert die aus Malones vorherigen Regiearbeiten bekannte Verbindung aus moderner Kameraarbeit, entfesselten Lichteffekten sowie hektischen Schnittfolgen, welche man wahrscheinlich entweder liebt oder hasst. Im Anschluss daran wird alles merklich ruhiger, verbleibt jedoch konstant düster und unheilschwanger. Dann der Unfall – eine fantastisch eingefangene Sequenz, die einen angesichts ihrer Wirkung unweigerlich schlucken lässt. Als Tara wieder zu sich kommt, befindet sie sich in einer wahren Bilderbuch-Umgebung: Ein schönes, altes Gebäude an einem See, umgeben von dichtem Wald, weit abgeschieden vom Alltag. In dieser Phase ist die Inszenierung zurückhaltend, wie die Ruhe vor einem Sturm. Langsam werden dann die (S/W-) Rückblenden und surrealen Sequenzen stärker ins Geschehen eingebracht – besonders eine bleibt in Erinnerung, nämlich als der Tod des Sohnes in einem expressionistischen Stil (ansatzweise dem „Ring“-Video nicht unähnlich) aufgezeigt wird. Oder als später zwei Personen in teuerer Abendgarderobe im Garten (Gasmasken tragend) Leichenteile ausgraben und diese in Säure zersetzen, während im Hintergrund ein Windspiel aus weißen Menschenknochen erklingt – Bildkompositionen wie diese erzeugen eine fast schon groteske Atmosphäre. Die Locations (der Wald und Garten sowie die mit alten Gegenständen gefüllten, dreckigen, beinahe Kerker-haften Kellerräume etc) hat man optimal ausgewählt, und Malone hat sich alle Mühe gegeben, alles für seinen Kameramann Brian Pearson („Urban Legends 2“) in der gewollten Weise zu arrangieren. Und dann wäre da noch die Kreatur: Die „KNB“-Truppe hat ein großartiges Geschöpf erschaffen, das an eine Kreuzung aus den „It´s Alive“-Babys und Chris Cunningham´s „Johnny“ erninnert. Viel verstörender als sein Äußeres ist allerdings die Art und Weise, wie man das Erscheinen des Wesens in Szene gesetzt hat: Verwendet wurde die bereits in den „Ring“-Filmen (bei Samaras Auftritten) zeitweise eingesetzte „ruckartige“ Schnitt- und Bewegungstechnik (Stop-Motion trifft abgehackte Zeitrafferaufnahmen), welche hier, unterstützt von der Beleuchtung sowie einer wirkungsvollen „Terror“-Musik-Untermalung, einen beeindruckenden Effekt erzielt. Eine Vielzahl verscheidener Elemente, zu denen das hochwertige Produktionsdesign ebenfalls zählt, fügen sich zu einem Leckerbissen für Augen und Ohren zusammen – kaum zu glauben, dass man das in nur knapp 10 Drehtagen zustande gebracht hat.
Es ist jedoch nicht bloß die Kombination aus Licht, Farbgebung, Editing und Kameraarbeit, welche das Gelingen sichert, sondern das Gesamtpaket: Zwar sind die Figuren insgesamt nicht allzu vielschichtig, doch mit dem geschickten Einsatz von Traumsequenzen, Rückblenden und sonstigen Kleinigkeiten (wie etwa Taras Anruf zuhause) gelingt es, alle nötigen Informationen (auch unterhalb der Oberfläche) zu vermitteln. Von ihrer ersten Szene an fühlt man mit der jungen Außenseiterin, welche superb von der relativ unbekannten Lindsay Pulsipher (TV´s“Touched by an Angel“) verkörpert wird. Allgemein bieten die schauspielerischen Leistungen keinen Grund zur Klage, wobei Jesse Haddock als Johnny allerdings etwas hinter den drei anderen zurückbleibt. Lori Petty (“Point Break“/“Tank Girl“), welche inzwischen älter aussieht, als ich erwartet hätte, gefiel mir gut in der Rolle der Judith – sie ist fest entschlossen, alles für ihren Sohn zu tun, und ihre eisig wirkende Miene verbildlicht das gut. TV-Veteran William Samples (u.a.“Twilight Zone“) ist seiner dominanten Frau klar untergeordnet, nicht nur weil er sich mitschuldig fühlt, was aufgrund seines Verhaltens sowie seiner Träume deutlich wird. Darüber hinaus sind diverse schöne Anspielungen auf Märchen vorhanden (Rotkäppchen-Umhang, dunkler Wand, der große Verbrennungsofen im Keller etc), das Tempo stimmt (keine Sekunde Langeweile), der Score ist fantastisch (vornehmlich kraftvolle Klassik- (Brahms et al.) und instrumentelle „Terror“-Stücke), die Atmosphäre ist durch und durch „creepy“ – und es sind einige wahrhaft gelungene Erschreck-Sequenzen vorhanden! Meiner Meinung nach hat Malone das Ausgangsmaterial nahezu optimal ausgeschöpft und mit „Fair-Haired Child“ einen starken Serienbeitrag abgeliefert. Vor allem in Anbetracht des Formats (inklusive der begrenzten zur Verfügung stehenden Mittel) vergebe ich gerne eine derart hohe Bewertung, denn genau so stelle ich mir eine begeisternde Horror-Episode vor – etwas, das ich leider nicht von allzu vielen „MoH“-Beiträgen behaupten kann … daher knappe (aber verdiente) 9/10