Review

Weil keine Werbung für V ohne Hinweis auf Matrix auskommt – Zunächst einmal: Ja, V hat eine intelligente Story, besitzt philosophischen Tiefgang und kommt in guter Optik – aber an die 10 Punkte von Matrix kommt das neue Werk der Wachowski-Brüder leider nicht heran. Sehenswert und deutlich besser als die derzeitige Durchschnittsware ist der Film aber allemal.

Das hat mehrere Gründe. Zunächst ist der Plot dieser Comic-Verfilmung wirklich gut. Angesiedelt in der sehr nahen Zukunft haben die Menschen in England aus Angst vor Naturkatastrophen ein totalitäres Regime an die Macht gewählt. Die Sicherheit ist hoch, was natürlich ein hohes Mass an Überwachung erfordert und dabei gleichzeitig die Freiheit des Einzelnen stark einschränkt.

In dieser Situation taucht plötzlich, eine maskierte Person auf und wendet sich mit einer Fernsehansprache an das Volk. In der Maske des britischen „Freiheitskämpfers“ Guy Fawkes ruft der V genannte Revoluzzer zum Aufruhr gegen die Herrschenden auf. Ein „Zufall“ will es, dass ihm eine Frau hilft, die er zu ihrem Schutz mit in sein Versteck nimmt (Natürlich gilt die Devise: Ich glaube nicht an Zufälle!).
Die Hauptfigur ist dann im weiteren Verlauf gar nicht mehr so sehr der gesichtslose V, sondern die Frau Evey, die von Natalie Portmann herrausragend intensiv gespielt wird!

Genau wie in Matrix haben die Wachowski Brüder (die hier nicht Regie führten) auch bei V größten Wert auf Dialoge gelegt. Sprachlich ist dabei wieder vieles stark komprimiert worden, so das selbst ein mehrmaliges Sehen des Films möglich sein sollte, ohne das Langeweile aufkommt. Etwas bemüht wirkt allerdings die leicht schwülstige Sprache von V. Das ist natürlich ein gewollter Stilbruch zur schnellen Bulletproof-Zeit, aber verglichen mit den knappen und deutlichen Statements von Matrix wirken Vs Reime und Monologe künstlich und unlebendig. Ganz andere Qualitäten hatte da das Orakel in Matrix – die Weisheiten aussprach und gleichzeitig Plätzchen zubereitete.

Etwas bemüht wirkt manchmal auch die herrschende Klasse unter den Fittichen des bösartigen Kanzler Suttler (ganz gut dargestellt von John Hurt). Hier ist alles etwas zu einseitig auf böses Funktionieren ausgerichtet – ein paar menschlichere Zwischentöne wären da schon interessanter – schließlich geht es bei V ja nicht mehr um den Kampf zwischen Mensch und Maschine, sondern um den Kampf zwischen Unterdrückern und Unterdrückten.

Was aber wirklich sehr geschickt erzählt wird, ist die offensichtliche Täuschung und die geschürte Angst – ohne Kontrollmöglichkeiten für das dumme Volk. In dem Zusammenhang gefällt auch die bei V gezeigte Bedrohung durch die Vogelgrippe im Fernsehen sehr gut.

Aber was dem Film die meiste Sogwirkung und Spannung kostet – ist die Maske von V. Das ist sogar noch langweiliger als computeranimierte Gesichter - Im Prinzip ein Weggucker. Optisch wird das zwar durch die durchweg guten Darsteller von Evey, Suttler und dem Polizisten (Steven Rea – sieht original aus wie der junge Karassek!) halbwegs wettgemacht. Aber bei Matrix war das ganz anders. Da gab es neben Neo auch noch Trinity und Morpheus, zwischen denen spielte sich eine Menge ab – hinzu kam die Verschwörung an Board. Viele gleichzeitig agierenden Menschen haben viel Spannungen erzeugt. Das vermisst man eigentlich am meisten bei V.

In den schwierigsten Szenen ist Natalie Portmann alleine mit der Maske. Wenn sie in diesen Szenen nicht über sich selbst hinausgewachsen wäre, wäre der Film doch sehr langweilig geworden. Aber ganz so einsam ist es im Film nicht immer, es gibt auch einige wunderbare Film in Film Geschichten, die wirklich sehr gelungen und warmherzig sind.

Zusammengenommen ist jedenfalls ein recht stimmiger und intelligenter Actionfilm entstanden - Aber es hätte doch viel mehr drin sein können. Und auf den Punkt produziert ist das Werk leider auch nicht.

META-SPOILER: Philosophisch ist V zudem deutlich schwächer als Matrix. Denn während Neo sich in Matrix mit der Frage quält, ob er wirklich der Auserwählte ist – und ihm schließlich offenbart wird, dass sich soetwas nur in seinem Tun und in seinem Inneren entscheidet – erfährt die eigentliche Heldin von V, Evey, – ihre Läuterung in einer künstlichen Atmosphäre. Zwar kommt sie dort zu der richtigen Erkenntnis, dass sie erst durch die Freiheit von Angst ein freier Mensch sein kann – aber das sie das nicht in einer realen Situation erfährt, gibt der Botschaft einen faden Beigeschmack. Genau wie die Tatsache, dass eine blutige Vendetta keinesfalls eine bewunderungswürdige Tat ist.META-SPOILER-ENDE

Etwas unglücklich wirkt zudem Vs These:
„Wenn genügend Menschen dahinter stehen, kann die Sprengung eines Gebäudes die Welt verändern.“ Seit dem 11. September dürften die meisten Menschen darin in erster Linie den zerstörerischen und mörderischen Akt sehen. Etwas Neues aufzubauen und zu etablieren ist dann schwieriger und auch mühsamer.

Kritik gibt es natürlich auch für die idealisierte Figur des Guy Fawkes. Schließlich ist der historische Fawkes kein Freiheitskämpfer im Sinne einer Freiheit für alle gewesen, sondern ein katholischer Terrorist. Mit seinem geplanten Sprengstoffattentat wollte er den von staatlicher Seite ausgehenden Antikatholizismus in England beenden.
Dazu wollte der tiefgläubige Mann das Westminster Abbey – den Ort des damaligen Parlaments – während der Eröffnungssitzung, die traditionell vom König geleitet wird - am 5. November 1605 in die Luft zu jagen.
Später begründete ein katholischer Mitverschwörer die Wahl des Anschlagsort mit den Worten: „ ... an diesem Ort wird uns all die Ungerechtigkeit angetan“.
Wie das Leben so spielt, wurde Fawkes jedoch zuvor verraten und gab unter Folter schließlich die Namen seiner Mitverschwörer preis (in dieser Hinsicht ist Fawkes also anders als der Filmheld V nicht frei von Angst gewesen). Die Mitverschwörer wurden gehängt, ausgeweidet und gevierteilt. Fawkes selber starb am Galben..
Wie man deutlich erkennt, war Guy Fawkes also nie ein Bürgerrechtler, sondern ein Fanatiker, einer der heutzutage – mit anderen Glaubenvorzeichen – Flugzeuge in Hochhäuser steuert. Also eine zutiefst zweifelhafte Figur, deren Handeln ausschließlich auf Zerstörung ausgerichtet war.

Was ihn in der Erinnerung hat überleben lassen, ist sein ausgeklügelter Plan und die fast vollbrachte Tat. Denn Fawkes hatte es tatsächlich geschafft die für damalige Verhältnisse unglaubliche Sprengstoffmenge von 36 Fässern Schwarzpulver direkt unter dem Sitzungssaal zu deponieren und wurde auch neben den Fässern am 5. November 1605 gefasst. Wenn er eine Zündung herbeigeführt hätte, wäre vermutlich nicht nur das gesamte Westminster Abbey, sondern auch das gesamte Stadtviertel explodiert. – Aber wäre er damit ein Held? Und Apropos Katholik: Forderte Jesus nicht: Liebt Eure Feinde?

Details
Ähnliche Filme