Es heisst Abschied nehmen. Abschied von Roger Moore, der in "Im Angesicht des Todes" seinen siebten und letzten Auftritt als James Bond 007 absolviert. Auch Abschied von Lois Maxwell, die "Miss Moneypenny"-Darstellerin seit "Dr. No", die ebenfalls das letzte Mal auftaucht, aber noch für ein paar nette Szenen gut ist. Und Abschied nehmen vom qualitativen Hoch der Serie. Waren die Vorgänger "In tödlicher Mission" und "Octopussy" schon recht gute Bondfilme, zeigt es uns Moore samt Regisseur John Glen hier noch einmal richtig. "Im Angesicht des Todes" ist der beste Bond seit "Der Spion, der mich liebte" - und der auch vorerst letzte wirklich gute.
John Glen mixt die charakterbezogene Ernsthaftigkeit und den straighten Realismus aus "In tödlicher Mission", mit den ironischen Einlagen aus "Octopussy" und dreht seinen besten Bondfilm. "Im Angesicht des Todes" hat haufenweise tolle Nebencharaktere, großartige Darsteller, wirklich große Action und herrlich verschmitzte Komik. Moores Charme ist trotz seinen 57 Jahren ungebrochen. Zwar wirkt er bei den halsbrecherischen Actionszenen nicht mehr so agil wie in früheren Jahren, aber das soll nicht den Genuss diesen hervorragenden Filmes trüben. Der gealterte Bond ist immer origineller als alle späteren schwachen Nachahmer.
Die Geschichte ist modern und aktuell. Der Bösewicht hat es hier nicht auf die Weltherrschaft abgesehen, und will auch nicht eine neue Herrenrasse gründen. Klischees werden über Bord geworfen, und der neue Villain ist ein echter Schurke wie er im Buche steht: Maximillian Zorin - ein hochintelligenter Millionär, entstanden aus einem Genexperiment, das dem Säugling damals seine enormen intellektuellen Fähigkeiten brachten, ihn aber auch zu einem schizoiden Psychopathen hat werden lassen. Er kontrolliert nicht nur eine riesige Pferdezucht, sondern auch die Entwicklung der Mikrochips. Im Zeitalter der aufkommenden Heimcomputer ist auch dieser "Neue Markt" Thema für 007. Zorin plant den weltweiten Mikrochip-Marktführer, die gesammelten Firmen im Silicon Valley, zu überschwemmen, um selbst das weltweite Monopol zu halten.
Und nicht nur, dass sich die Produzenten und Drehbuchautoren Mühe beim Kreieren eines neuen Schurken gemacht haben, auch das Casting-Büro hat ihr einen Volltreffer gelandet: Max Zorin wird dargestellt von Oscar-Preisträger Christopher Walken. Sein einmalig manisch-nervöses Äußere passt hundertprozentig zu seiner Figur. Walken ist einer der besten Bond-Bösewichte seit langem. Auch seine Handlanger, die animalische May Day (Grace Jones) ist natürlich ein Highlight, auch wenn Miss Jones' Turmfrisur sehr gewöhnungsbedürftig ist. Aber auch der Supporting Cast lässt sich sehen: Patrick Bauchau als Zorins Securitychef Scarpine, oder der gut gelaunte "Mit Schirm, Charme und Melone"-Veteran Patrick Macnee als Godfrey Tippett, der leider ein viel zu schnelles Ende findet. Sogar Maud Adams (die weibliche Hauptdarstellerin aus "Der Mann mit dem goldenen Colt" und "Octopussy") lässt sich zu einem Statistenauftritt hinreißen.
"Im Angesicht des Todes" ist der erste Bondfilm, der nicht den nachfolgenden Film in den End Credits erwähnt. Nach Moores Ausscheiden, und vielen konzeptionellen Veränderungen (Bond sollte moderner werden), war man sich nicht sicher, wie der nächste Bond aussehen würde. War "Im Angesicht des Todes" ein wunderbare Mixtur aus all dem, was schon die alten Connery-Klassiker so unvergleichbar gemacht haben, werden die nachfolgenden Filme eine Enttäuschung nach der nächsten werden. "Im Angesicht des Todes" ist der letzte Bondfilm von hoher, Fleming'scher Qualität.
"Im Angesicht des Todes" ist ein schlichtweg toller Bond. Tempo, Witz, Action, Frauen, Ironie - es stimmt einfach alles. Okay, Duran Durans "A View to a Kill" geht zwar eher in die Richtung Lynchwerkzeug als Musik, aber diesen Eighties-Ausrutscher kann man diesen bombastisch guten Bond verzeihen. Genießt dieses großartige Bondabenteuer - besser wird die Serie nie wieder.