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Endlich gibt es ihn auf DVD - einer meiner Top Gesuche: “Die Nacht der Schreie”, ein Episodenhorrorfilm mit Vincent Price. Was Regisseur Jeff Burr hier abgeliefert hat ist sicher sein bester Film und das noch als Erstlingswerk. Bekannter von ihm sind zwar “TCM 3” oder “Nacht der Krähe”, aber so sudelig-brutal ist sonst keiner seiner Filme; ja selbst im Episodenhorrorbereich sucht man bisweilen seines Gleichen. Um dieses “Manko” war sich Zugpferd Vincent Price nicht klar als er den Vertrag unterschrieb - ärgerte sich nach Sichtung des Films gar darüber das er dort den Erzähler zum besten gab! Um Schelte deutscher Zuschauer musste er sich bis heute keine Sorge machen, zu Unrecht ist diese Perle hier ziemlich unbekannt - Zeit dies zu ändern:

Price spielt in der Rahmenhandlung einen Historiker namens Julian White, alt und allwissend - was zumindest die Geschichte des Ortes Oldfield, Tennessee angeht. Dieses Wissen holt er aus den hintersten Ecken seines Gedächtnisses hervor, so grausam das Vergangene. Denn in der Gegenwart sucht ein Frau White auf, braucht Rat, will über die Geschehnisse des Ortes wissen. Denn Whites Nichte Catherine wurde wegen mehrfachen Mordes mit einer Giftspritze hingerichtet. So etwas sorgt eben für Aufsehen, so reist die Journalistin Bess Chandler an deren Heimatort um von ihrer Vergangenheit zu erfahren. Julian White erklärt der Journalistin von Oldfield, welches seiner festen Meinung nach selber “Böse” ist und deren Bewohner zu teuflischen Dingen treibt - anhand von vier Geschichten untermauert er seine These:

Die erste Geschichte handelt von dem Postpaketpacker Stanley, seines Zeichens ergrauter Junggeselle der mit seiner rheumakranken Schwester in einem Haus wohnt und diese eher missgelaunt betreut. Abwechselung ist bei solch einem Leben kaum gegeben bis er auf einer Angestelltenparty eine Frau namens Grace sieht und sich prompt in sie verliebt. Verstecke Zeichen seiner Annäherung werden nicht realisiert, auch kaum real Stanleys Fieberträume die ihn zeitweise plagen. Als seine Liebe nicht erwidert wird ist die angeknackste Psyche völlig durch, er geht zum äußersten. Da hält ihn auch nicht die Leichenhalle von ab, die Folgen dieses nekrophilien Dranges hat ungeahnte Folgen…

Ob der Originaltitel “From a whisper to a Scream” sich auf das erst leise wimmern und sich immer weiter steigernde ausstoßen von Schmerzensschreien ob der Todesspritze bezieht? Oder aber gar auf die Intensität der Folgen? Diese erste Episode war jedenfalls ein guter Einstieg, die Geschichte ist zwar ziemlich krank, doch Effekt-Eskapaden bleiben noch außen vor. Hier ist es eben die Geschichte selber die “ans Eingemachte” geht; dennoch sehr witzig anzusehen. Die Bemühungen des trotteligen Verlierers und der Charakter selber sind toll dargestellt; aber wenn man lacht dann bleibt dies manchmal im Hals stecken bleiben. Atmosphärisch recht dicht diese Episode, die völlig überraschenden Fieberträume sind gut eingebunden und tragen viel zur Wirkung der morbiden-depressiven Stimmung bei. Dauert es schon bis man das wahre Ausmaß des Verlaufs erahnen kann, so kommt das etwas andere Zombie-Ende überraschend blutleer aber ziemlich spannend und tricktechnisch gelungen daher; insgesamt ein netter “Warmmacher”.

Die zweite Geschichte dreht sich um Jesse, einem faulen Schlägertypen auf der Flucht vor Gangstern an die ihn seine hasserfüllte Frau verpfiffen hat. Auf der Flucht schwer angeschossen kann er sich noch auf eine “Nussschale” retten auf der er ziellos durch die Sümpfe treibt, im Sterben liegend. Doch er hat Glück und wird von einem Voodoo-Priester gefunden der ihn vor dem Tode bewahrt. Jesse beobachtet eines Nachts ein schwarz-magisches Ritual, der Mann hat den Schlüssel zum ewigen Leben gefunden - anstatt sich mit seiner Gesundheit zufrieden zu geben will Jesse mehr - die Formel! Doch der ruhige Medizinmann lässt sich nicht so leicht übergehen, die Rache ist grausam…

…und wie es sich gehört ziemlich heftig schwarzhumorig. Sicherlich die klassische Schwarz-Weiß-Malung die hier gezeichnet wird, das Motiv der Geschichte sicherlich oft verwendet wurden und daher am vorhersehbarsten. Trotzdem hat sie ihren ganz eigenen Reiz, nicht zuletzt am “farbigen” und gemeinem Ende. Der Brutalitätsfaktor wird schon etwas deutlicher, wenn auch noch “milde” in der graphischen Detailfreudigkeit. Umso schöner die Details der Hütte des Medizinmannes mit den vielen Uhren und der anderen düsteren Dekors, eine ganz andere Stimmung zu der poppig-rockigen Atmosphäre am Anfang. Richtig rasant geht es hier los, gleich halsbrecherische Action eines schnoddrigen Darstellers mit anschließend sehr schönen Kamerafahrten über das Moor aus Sicht des Boots - stimmig wie eine Szene aus “Tanz der Teufel“; der Rest des unausweichlichen Desasters spielt sich überwiegend durch Dialoge geprägt bei der Hütte ab. Insgesamt (sieht man mal vom Ende ab) eher ernst inszeniert und mit dem am erkennbarsten moralischem Zeigefinger!

Die dritte Geschichte dient wieder etwas zur Auflockerung, um am Ende noch mal voll durchzustarten, wenn auch gesagt werden muss das hier die Kürze und die Würze passen. Es geht hierbei um kleine Liebesgeschichte zwischen einem Glasschlucker und einer Bewohnerin des Ortes Oldfield - mit tragischem und ziemlich unappetitlichem Ende. Der Glasschlucker ist ein attraktiver junger Mann mit dunkler Vergangenheit, einer Vergangenheit die die meisten der dortigen Freaks lieber verbergen. Allesamt reumütige Kriminelle die von einer schwarzen Voodoopriesterin versklavt wurden und wie der Glasschlucker mit schwarzer Magie erst zu dem wurden was sie sind. Mit Hilfe von Puppen hat sie die Macht über sie, neben psychischem Druck wie z.B. die Polizei rufen. Also Entkommen aussichtslos: als der Glasschlucker mit seiner Geliebten durchbrennt nimmt die Voodoopriesterin den Fluch von ihm…

…was dann passiert das sollte man selber sehen, kann es sich aber denken. Ziemlich heftig diese Szene, hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. Die Gewalt kommt ziemlich hart rüber, wenn auch die Geschichte selber neben der ersten Episode eher an augenzwinkernd inszeniert ist. Die Kulisse des Freak-Zirkus ziemlich stimmig, mitsamt Liliputanern, böser “Hexe” und sympathischen Hauptfiguren deren Ende fast schon ein wenig leid tut. Immerhin gibt es vorher was zu lachen, das fressen von Glas und Schrauben recht nett anzusehen, wie die gesamte Atmosphäre sehr nostalgisch. Im Zuge dessen gibt es die erste "Lovecraft" Huldigung in Form des eines Banners; nett. Die Figuren sind herrlich schön exzentrisch dargestellt, die Effekte explizit und gut gemacht. Zwar gibt es hier keine besonderen inszenatorischen Besonderheiten wie die vorangegangenen Traum-Schübe, aber trotzdem bietet die Episode gelungene Unterhaltung bei dem vor allem die Splatter-Freaks bedient werden.

Die vierte und letzte Geschichte ist ein dröhnender Abschluss der Julians White These von der bösen Stadt noch einmal drastisch untermauert und dem Bösen ein kindliches Gesicht gibt. Hier geraten ein paar Yankee-Soldaten nach Kriegsende in die Fänge von bewaffneten Kindern die leider Waisen sind. Ihre Eltern waren jedoch auf Feinde der Yankees - wie heißt es so schön: Auge um Auge, Zahn um Zahn…

Ebenfalls eine sehr stimmige Geschichte, sicherlich neben der zweiten die ernsthafteste; Humor wurde zugunsten der knallharten Geschichte (die die Hintergründe der Stadt beleuchtet) vollends ausgespart. Ziemlich gemein fängt sie an als der Trupp sich ergebende Ex-Feinde (der Krieg ist ja aus) erschießt, ja selbst wollende Heimkehrer der eigenen Truppen bekommen eine Kugel ab. Da sind die grausamen Enden um so angemessener, die Darsteller agieren kalt - doch nicht nur die Erwachsenen, nein auch die Kinder-Darsteller sind ziemlich eindringlich spielend und erinnern durch ihre sektenhafte Bildung an die “Kinder des Zorns”. Besonders heraus stechen tut hier Cameron Mitchell als sadistischer Konförderationssoldat. Dramaturgisch wird durch dessen eventuelle Vater-Figur neben der trostlosen und verstörenden Atmosphäre so etwas Abwechselung geboten, doch ausgelegt ist dieser fulminante Abschluss jedoch auf seine harschen Effekte: da wird ein Messer in die Genitalien gestoßen, die Erschießungen blutig zelebriert und sogar Kannibalismus gibt es - Mahlzeit. Auch in ihrer Länge etwas kürzer, aber dafür ziemlich intensiv und durch Aussparung von Humor (sieht man mal von dem "Blinde Kuh" Verschnitt ab) noch ein doppeltes so intensiv wirkend.

Wie man lesen kann bewegen sich die vier Geschichten alle auf einem überdurchschnittlich guten Niveau; allesamt sehr originell, nach und nach auch immer drastischer werdend was die Effekte angeht. Ob des bisweilen heftigen “Creppshow” Humors ein wahres Vergnügen für Episodenhorrorfans. Dabei ist auch die Rahmenhandlung recht nett anzusehen; nach einer stimmigen Traumsequenz wird knallhart die Exekution gezeigt, kurz darauf schon die erste Geschichte erzählt. Dabei wird Vincent Price also nicht wirklich gefordert, dennoch passt er als Erzähler ob seines Charismas und des vorraus bestimmten diabolischen Endes (in dem der Meister des Horrors noch augenzwinkernd Poe und Lovecraft Hommage zollt) gut in den überaus gelungenen Film.

7,5

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