Review

 Strafpark
(Kino Kontrovers)

Kino Kontrovers zeigt sich erneut als DAS Label für kritische, unangepasste und provokative Filme! In diesem Fall ist es der pseudo-dokumentarische Strafpark von Peter Watkins, der ein utopisches Bild des Amerikas Anfang der 70er Jahre aufzeigt, was damals wie heute jedoch erschreckend realistische Bezüge zur politischen Lage und deren Umsetzung aufweist.

Wir befinden uns in einer nahen Zukunft (aus Sicht des Jahres 1971), der Vietnamkrieg ist eskaliert, Südkoreas Hauptstadt Seoul wurde unter Beschuss genommen und vor Kuba ziehen sich die sowjetischen U-Boote zusammen. Um eventuellen Terror- und Sabotageakten vorzubeugen, wird vom US-Präsidenten auf Grundlage des McCarran Internal Security Acts eine Reihe von Notstandsgesetzen erlassen, die es erlauben, eventuelle Kriegsgegner und politische Aktivisten in einem Internierungslager zusammenzupferchen. Hier hat man als richterliches Tribunal die Möglichkeit, gruppenweise langjährige Haftstrafen für die Staatsfeinde zu verhängen, oder ihnen die Möglichkeit zu geben, an einem unmenschlichen Wettlauf in einem der sogenannten Strafparks teilzunehmen. Ohne Nahrung und Wasser müssen sie innerhalb von drei Tagen 50 Meilen (etwa 90 Kilometer) durch die Wüste rennen, um als Ziel die amerikanische Flagge zu erreichen. Verfolgt werden sie dabei von Polizei und Nationalgarde. Wer das Ziel lebend erreicht, dem wird eine Amnestie in Aussicht gestellt. Ein Filmteam begleitet den Lauf der Gruppen 637 und 638, und macht dabei jedoch erschreckende Entdeckungen!

Die DVD Strafpark (Originaltitel: Punishment Park) von Peter Watkins ist die erste deutschsprachige Veröffentlichung (er lief im Original vor einiger Zeit mal auf Arte) dieses provokativen und erschreckend realistischen Klassikers aus dem Jahre 1971. Die Veröffentlichung aus dem Hause Kino Kontrovers präsentiert den Film in der für das Label gewohnt liebevollen und hervorragenden Umsetzung. Das 4:3 Bild ist dem Alter und Ausgangsmaterial entsprechend nicht mit aktuellen Filmen vergleichbar, liefert aber trotzdem einen soliden Eindruck, ebenso verhält es sich beim Ton, der für die deutsche Sprachversion auf Dolby Digital 5.1 abgemischt wurde. Der Hammer ist jedoch das Bonusmaterial! Verpackt in einem Mediabook, befindet sich auf der einen Seite ein eingeklebtes Booklet, welches auf 34 Seiten Auszüge, Essays und Bilder aus dem sehr interessanten Buch von Dr. Joseph A. Gomez über den Regisseur Peter Watkins liefert, welcher auch den sehr informativen Audiokommentar gesprochen hat. Zusätzlich gibt es aber noch eine mehr als zwanzig Minuten lange Einführung zum Film durch den Regisseur, welcher erst im Text, später auch mit Videounterstützung über seine und die gesellschaftliche damalige Situation, und die politische Lage berichtet. Dann kann man noch das alte englische Presseheft von 1971, und zwei kurze Frühwerke (The Diary of an Unknown Soldier und The Forgotten Faces) in schwarz-weiß von Peter Watkins betrachten, die ebenfalls seine Sicht auf die politische Lage eindeutig darstellen.

Strafpark, beziehungsweise Regisseur Peter Watkins macht es dem Zuschauer nicht leicht. Unter dem Mantel einer Scheindokumentation wird uns eine mögliche Utopie aufgezeigt, die in weiten Strecken jedoch schon damals als auch heute brutale Realität war und ist. Das permanente aufzeigen von Missständen und das Fehlen von halbwegs sympathischen Identifikationsfiguren jedoch macht es das Publikum schwierig, sich mit dem Film zu verbinden, es wird einem einfach sehr schwer ein Zugang geboten. Da der Regisseur keine herkömmliche Dokumentation drehen wollte, ist er doch der (vielleicht sogar berechtigten) Auffassung, dass „jeder audiovisuelle Akt ein Akt der Fiktion“ sei, und alleine „die Anwesenheit einer Kamera das Ereignis verändere“ (Zitate aus dem Buch „Peter Watkins von Dr. Joseph A. Gomez und der Einführung durch den Regisseur). Aus diesem Grunde wählte er als erzählerische Form eine Mischung von Realismus und Expressionismus, die die gewohnte filmische Form durch den Einsatz von Dialogen und Musik aufbricht. Strafpark ist dadurch ein auf der einen Seite filmisches Experiment einer Scheindokumentation, als auch klare politische Statements eines kritischen, sich nicht verbiegen wollenden Filmemachers, der mit diesem Beitrag beinahe prophetische Fähigkeit bewiesen hat. Ein unbequemer Aufschrei gegen jegliche Unterdrückung, welcher damals wie heute so unangenehm wie wichtig ist.

Christian Funke-Smolka

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