Na, das nenne ich mal eine Überraschung. Nach den beiden letzten schwachen Auftritten „Today You Die“ und Black Dawn“ knüpft Steven Seagal mit „Mercenary for Justice“ wieder fast an die Qualitäten des letztjährigen Zwischenhochs „Submerged“ an. Sein neuster Film ließe sich sogar ohne weiteres als Sequel dazu verkaufen, denn die Parallelen sind doch ziemlich offensichtlich.
Don E. FauntLeRoy, dessen „Today You Die“ nun nicht so prall war, scheint erst jetzt zeigen zu können, was als Regisseur tatsächlich in ihm steckt und das ist nicht gerade wenig. Der diesjährige Aufwärtstrend im B-Action-Bereich geht also auch am Aikido-Meister nicht spurlos vorbei.
Das Positive mal gleich vorweg. Ich hätte es ja selbst nicht mehr für möglich gehalten, aber Steven Seagal lässt sich in den Actionszenen nicht doubeln, sondern legt grundsätzlich selbst Hand an. Das zurückgewonnenes Engagement in den Actionszenen weckt Erinnerungen an seine guten alten Tage. Also keine offensichtlichen Doubles in schnellen Schnittstakkato, die ihrerseits Manöver ausführen, die Seagal entweder nie beherrscht hat oder nicht mehr in der Lage ist auszuüben.
Gut, er bekommt soviel nicht zu tun und verbiegt meist nur hin und wieder einem vorlauten Opponenten den Arm, aber er darf dafür auch in einer ziemlich coolen Szene in einem Restaurant, als er auf dem Klo angegriffen wird, seinem Gegner die Scheiße rausprügeln, die halbe Einrichtung demolieren und dabei gar nicht mal so eine schlechte Figur machen. Seagal wie er leibt (Höhö...) und lebt, wie man ihn einst liebgewonnen hat: Hart, kompromisslos und stets überzeichnet selbstbewusst. Man kann es auch Macho-Attitüde nennen. Aber deswegen schaut man sich seine Filme ja auch an. Gut, an Körperfülle hat er natürlich nicht eingebüßt, jedoch sein Charisma ist wieder da.
Ein paar drohende, knochentrockene Oneliner hält das Drehbuch natürlich für ihn auch wieder parat und die Moves sind seinem Alter angepasst, aber schnell und brutal inklusive laut knackender Gliedmaßen und Genicke. Damit hat es Don E. FauntLeRoy sowieso. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Hälse lautstark verdreht werden, aber es sind schon einige.
Die Freunde der gepflegten B-Action werden vor allem an den ersten 22 Minuten ihren Spaß haben, denn die überlange Eröffnungssequenz ist nahezu eine Dauerballerorgie im „Black Hawk Down“ meets „Enemy at the Gates“ – Style - körnig bebildert, als wäre man als Zuschauer live vor Ort – in Afrika.
Mitten im Kugelhagel sitzt betont abgebrüht Söldner John Seeger (Seagal – Wer auch sonst?), der höchstdekorierte Soldat des ersten Golfkriegs, mit Sonnenbrille und ballert wild um sich, weil der Auftrag nicht so glatt abläuft, wie es ihm prognostiziert wurde. Eine schwer bewaffnete Truppe französischer Soldaten rückt ihm und seinen Mannen inklusive Panzer auf den Pelz, weil die Söldnertruppe im Auftrag des zwielichtigen CIA-Bosses Dresham (hat den Bösewicht inzwischen im Abbo: Luke Goss, „Blade II“, „The Man“) in einem fiktiven afrikanischen Inselstaat namens Galmoral Island den französischen Botschafter kidnappt. Die Sache läuft schief, da der (rassistische) Kidnapper-Trupp die Familien nebst Botschafter als Schutzschild benutzt, die Franzosen dennoch auf sie feuern und letztlich alle Geiseln in die Luft gesprengt werden.
Aber bis es dazu kommt, gibt es Action vom Feinsten. Denn während die Kidnapper sich Zugang zur Botschaft verschaffen, Genicke brechen, Kehlen aufschlitzen oder einfach erschießen, haben die restlichen Mannen um Seeger alle Hände voll zu tun, die Franzosen am Abholpunkt im Zaum zu halten.
Reporter berichten live vor Ort, Helikopter sausen, auch in Slowmotion, über das Schlachtfeld, die Kameras blicken in die sich ausrichtenden Rohre der Panzer, selbige brechen durch Mauern, heizen über Autowracks und werden mit Bazookas beschossen, dazu jede Menge Soldaten, die sich durch das Gelände, wohl eine stillgelegte Fabrik oder so etwas in der Art, pirschen, ballern und sterben. Blutige Shootouts, die hektische Steadicam ist schwer im Einsatz und Seagal kommentiert trocken. Jeeps rasen schießend umher, perforierte Körper fallen zu Boden, Explosionen erschüttern die Umgebung, einschlagende Kugeln lassen den Boden aufspritzen und Mörser feuern, dazu abgehackte Funksprüche und ein mal wieder klasse Score von Stephen Edwards („Cold Harvest“, „Undisputed 2“).
Meine Fresse, ein Auftakt nach Maß, denn das von Don E. FauntLeRoy abgebrannte Feuerwerk gleicht einem Kriegsschauplatz und hat Kinoqualität! Stock Footage ist, wenn überhaupt nur ganz dezent in Form minimaler Szenen feuernder Panzer enthalten, fällt aber ohnehin nur den Kennern auf, die darauf achten.
John Seeger ist nach diesem für den Zuschauer verheißungsvollen Auftakt jedenfalls angepisst, weil sein anheuernder Auftraggeber ihn nicht mit allen Informationen versorgt hat und sein bester Kumpel deswegen draufging. Nun will sich John um dessen Frau und Sohn, nun Witwe und Halbwaise, kümmern und sie regelmäßig finanziell unterstützen. Doch zur Ruhe kommt er erst gar nicht. Nach seinem dortigen Besuch wird er abgefangen, die beiden als Geisel genommen und er gezwungen noch einen Auftrag anzunehmen, um ihr Leben zu retten. Der Sohn eines griechischen Waffenhändlers muss innerhalb von vier Tagen aus einem Gefängnis befreit werden, da ihm die Verlegung droht. Die Zeit ist knapp, aber John muss ran...
Nach der schießwütigen Eröffnungssequenz schaltet „Mercenary for Justice“ erst einmal wieder einen Gang zurück und lässt sich etwas Zeit bis zur nächsten richtigen Actioneinlage, aber die guten Darsteller, die flotte Erzählweise und die überraschend souveräne Inszenierung halten den Zuschauer bei der Stange. Der Storyablauf hält zwar genrekonform nur die üblichen Versatzstücke bereit und entlässt natürlich auch Dresham nicht aus dem Spiel, damit Seeger ihm seine verdiente Lektion erteilen kann, hält aber zumindest die Fraktion bei Laune, die sich in diesem Genre heimisch fühlen.
Seagal dreht den Spieß natürlich bei der nächsten Gelegenheit um, trickst mithilfe eines ihm loyalen Computer-Hackers den Rest der Truppe aus und raubt sogar nebenher noch eine Bank aus. Der Einbruch in das Gefängnis wird in Ruhe durchdacht, doch Seeger hat natürlich gleich einen Plan parat, wie man die Sache am Besten angeht, während er seinerseits still und heimlich befreundete Kollegen heranholt.
Die großen Überraschungen hält die Geschichte also nicht bereit, aber sie langweilt trotz fehlender Innovationen auch nicht.
Das liegt unter anderem auch an der noch immer ziemlich unverbrauchten Kulisse Kapstadts, die schon rein optisch viel mehr hermacht, als die gammeligen Hinterhöfe Osteuropas. Das weiß Don E. FauntLeRoy auch und deswegen gibt es als Schmankerl ein paar schöne Shots der Metropole.
Die zweite größere Actionszene von nahezu identischer Qualität gibt es dann während des Einbruchs in das düstere Gefängnis zu bestaunen, wo dann auch wieder die Waffen sprechen, Wachen blutig getroffen zu Boden gleiten, der Bodycount in die Höhe getrieben wird, das Fluchtfahrzeug, ein gepanzertes Radfahrzeug, ziemlich spektakulär in die Luft fliegt, Autos wegwalzt werden oder sich gleich überschlagen. Absolut topp, wie spektakulär FauntLeRoy weiter die hohe Qualität der Action fortsetzt und keine Szene irgendwie billig getrickst aussieht. Auch der spätere Abgang aus der Bank, der einigen Wächtern Schmerzen und Blut abverlangt, sieht tadellos aus.
Die Marschrichtung ist also klar und wirklich etwas auszusetzen habe ich an „Mercenary for Justice“ nichts. Gut, der Story fehlen natürlich jegliche Innovationen, aber wenn ich mir einen Film mit Steven Seagal reinpfeife, weiß ich auch, was mich erwartet.
Nein, Don E. FauntLeRoy hat aus den Mitteln schon das Optimum herausgeholt und ich bin ziemlich überrascht, dass Steven Seagal selbst gar nicht negativ in der Chose auffällt. Gut, der ziemlich hohe Actionanteil setzt sich aus dem ausufernden Schusswaffengebrauch und erst in zweiter Linie Martial Arts zusammen, aber Seagal wirkt da nie wie ein Fremdkörper, der dort nichts mehr zu suchen hat. Ganz im Gegenteil, er scheint da auch etwas mehr Enthusiasmus hineingesteckt zu haben und brauchte nicht synchronisiert zu werden.
Um es auf den Punkt zu bringen: Seagal-Fans können beruhigt zugreifen. Vergessen wir „Today You Die“ und „Black Dawn“ und freuen wir uns über den erneuten Aufschwung seiner Karriere, den ich ihr nach „Submerged“ ehrlich gesagt nicht mehr zugetraut hätte. Anthony Hickox („Waxwork“, „Blast“) Regie ist zwar noch etwas stylischer und schicker, aber Don E. FauntLeRoy macht hier einen hervorragenden Job. Die Shootouts haben Kinoqualität, die Optik ist schick und abwechslungsreich, nur die allzu genrekonforme Geschichte verhindert eben Größeres. Wenigstens ist sie nicht ganz so abstrus wie in „Submerged“ und nicht so ausgelutscht wie in „Black Dawn“. Ein bisschen persönliche Motivation, wenn auch erzwungen, steht Seagal auch mal ganz gut, zumal die um ihn gescharten Darsteller auffällig gut schauspielern.
Fazit:
Unser geliebter Action-Prinz mit den vielen Kilos hat also wieder ein zwischenzeitliches Zwischenhoch erreicht, das eigentlich jedem Genrefreund gut munden müsste. Steven Seagal knallt alles nieder, was ihm im Weg steht, ans Leder will oder nicht bei Drei auf den Bäumen ist, bricht auch den einen oder anderen Knochen, hält drohende Oneliner bereit und verkauft sich als abgebrühter Söldner sehr ordentlich, erhält vom Cast aber auch einen guten Support.
Gut, der Plot selbst ist so ausgefuchst nicht. John Seeger wird eben gezwungen den Coup zu erledigen, dreht den Spieß aber um und befreit die Unschuldigen. Alles wie gehabt, dennoch kurz und bündig ohne überflüssiges Dehnmaterial erzählt. So will ich meinen B-Action-Film sehen.
Don E. FauntLeRoys Regie ist topp. Die Bilder sind schick und die spektakuläre Action hat er voll im Griff, so dass zumindest in dieser Hinsicht „Mercenary for Justice“ soweit von Kinoqualität nicht mehr entfernt ist top. Knapp, ganz knapp hinter „Submerged“, aber vielleicht ja ein Vorbote für wieder bessere Zeiten. Steven Seagal hat zurzeit noch „Shadow Man“ und „Harvester“ in der Pipeline, „Enemy of the Unseen“ wird gerade gedreht...
Ich werde wieder mit dabei sein.