Dass sich die Russen allmählich an internationale Spielfilmstandarts herangearbeitet haben, ist spätestens mit den sehr unterhaltsamen "Wächtern der Nacht und des Tages" erkenntlich geworden. Mit "Die neunte Kompanie" nimmt sich nun Regisseur und zugleich Darsteller Fyodor Bondarchuk eines Themas an, dass in Russland allem Anschein nach ähnlich traumatische Erinnerungen hinterließ, wie dies in Amerika mit dem Vietnamkrieg eine Dekade zuvor der Fall gewesen war: Das militärische Desaster in Afghanistan. Dass dieses unwirtliche Land von keiner Macht der Welt erobert kann, ist spätestens seit "Rambo 3" jedem Grundschüler bekannt.
Jedenfalls ist es schon ein wenig erstaunlich bzw. lässt aufhorchen, dass sich in Zeiten wiedererstarkenden Putin-Nationalismus ein russischer Regisseur mit recht großem Budget und an dieses für das russische Image alles andere als unbrisante Thema heranwagt.
Nicht unproblematisch ist daher auch der Umgang mit dem hier vorliegenden "9 rota", der (wohl recht lose) auf wahren Begebenheiten basiert, die netterweise im Bonusmaterial der DVD/Blu Ray im Ansatz thematisiert werden. Allerdings wie auch der Spielfilm für meinen Geschmack recht tendenziös durch eine merklich nationalistisch eingefärbte Brille. Im Ganzen zieht man hier ein "Full Metal Jacket light" auf, das immer wieder beeindruckende und sogar kritisch interpretierbare Momente (Flugzeugabschuss) aufweist, aber dann im nächsten Augenblick gleich wieder in üblem Kitsch, massiven Längen sowie Schlachtszenen, die in ihrer Inszenierungsweise fast schon an reaktionäre C-Knaller der Marke "Firebase Glory" heranreichen, versinkt.
Dabei kann man in Sachen Technik und Darstellerleistungen wahrlich kaum Kritik üben. Insbesondere der Materialaufwand kann sich mehr als sehen lassen, CGI ist nicht nötig. Der Zuschauer kann sich in der Folge auf tolle handgemachte Explosionen, teils wüste Schiesserreien und manigfaltiges russisches Original-Kriegsgerät freuen. Gerade in letztgenannter Hinsicht muss Russland ein wahres Paradis für Filmemacher sein, bekommt man den Mi24 Hind-Helikopter wie den T-72 doch auf dem nächsten Waffenmarkt fast schon hinterhergeschmissen. Wenn Russland eines hat, dann einen unendlichen Fundus an unnütz rumstehendem Militärgerät! Den Filmfan freuts - auch wenn man das zweifellos toll anzusehende Kriegsgerät nicht gleich in jeder zweiten Szene plakativ durchs Bild fliegen/fahren lassen muss.
Auch wenn die engagierten Darsteller natürlich auf westliches Publikum mitunter etwas eigen wirken könnten, so muss man nichtsdestotrotz solide Leistungen attestieren. Für die teils leicht überzeichneten Charaktere (Hauptmann) und die etwas seltsamen Einfälle und Verhaltensweisen des Drehbuchs können diese schließlich nicht wirklich etwas.
Das Drehbuch ist dann schlussendlich die große Achillesverse des in der Summe fast schon überengagierten Films. Hier fehlt den Russen offenbar noch das nötige Gespür für Verhältnismäßigkeiten, Spannung und das richtige Augenmaß für die Gesamtspielzeit. Offenbar muss jeder aktuelle russische Film heute mindestens 2 Stunden Laufzeit aufweisen?! Wie schon bei den eingangs erwähnten "Wächter"-Filmen würden 90 Minuten der "Neunten Kompanie" wesentlich besser zu Gesicht stehen - denn bis es in der vorliegenden Fassung mal mit dem eigentlichen Afganistankrieg losgeht, könnte so mancher Zuschauer zwischen langweiligem Drill und sowjetischen Saufgelagen schon eingeschlafen sein.
Fazit: Für eine Laufzeit jenseits der 2-Stundenmarke hat "Die neunte Kompanie" inhaltlich und in Sachen Dynamik schlicht nicht genug zu bieten. Hier besteht noch deutlicher Nachholbedarf - anders als in Sachen Technik: Hier trumpft Fyodor Bondarchuk optisch mit schicken Panoramen und tollen, handgemachten Actionszenen gross auf und versammelt darüberhinaus einen soliden Cast um sich. Auch ein bombastischer Soundtrack ist mit an Bord.
"Bestie Krieg" bleibt summa summarum aber der bessere und ungeschminktere Beitrag zum Thema "Afghanistankrieg". "Die neunte Kompanie" ist eher im wenig reflektierenden Actiongenre zu verorten und krankt hauptsächlich an seiner schwachen Handlung und einem extrem zähen Mittelteil.