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Gestern ist mir ein weiteres Mal klar geworden, was für ein Phänomen Walt Disney ist. Er wurde 65 Jahre alt, bevor er an Lungenkrebs gestorben ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er allerdings genug geschaffen, was phänomenal ist und vielleicht ewig oder zumindest noch viele Jahrzehnte alle Generationen begeistern wird. Mir wurde das deswegen klar, weil ich gestern „Dumbo“ angeschaut habe. Dieser Film – das war mir bis dahin nicht bewusst – stammt aus dem Jahre 1941, eine Zeit, in der die USA in den zweiten Weltkrieg eingestiegen sind. Das erscheint so lange her und trotzdem kennt jeder diesen Film. Und jeder zweite würde mit Sicherheit vom Gefühl her schätzen, er stamme aus den 80er oder 90er Jahren. So wenig hat „Dumbo“ an seiner Aktualität verloren, so groß ist noch der Einfluss auf die heutige Jugend, nach all den Jahrzehnten. Es ist lange her, dass ich ihn das erste Mal gesehen habe und ich erinnere mich, welchen Zauber er auf mich und meine Generation ausgeübt hat. Diesen Satz kann man nicht nur auf dieses Werk von Disney anwenden. Es handelt sich um seinen vierten Film – nach Schneewittchen, Pinocchio und Fantasia. Nachdem die ersten drei finanziell keine bahnbrechenden Erfolge waren, versuchte man mit einer etwas billigeren Produktion die Geldmaschinerie wieder anzukurbeln. „Dumbo“ hat nur knapp über 800 000 Dollar gekostet, das ist die Hälfte der Kosten für Schneewittchen und sogar nur ein Drittel der Kosten, die Pinocchio verursachte. Trotzdem spielte man allein durch das Kino bereits 1,3 Millionen Dollar wieder ein. Was der Film in den letzten Jahrzehnten durch Video- und DVD-Verkäufe noch eingebracht hat, will ich gar nicht wissen. Einen Oscar hat es gegeben für die beste Filmmusik. Überhaupt ist Disney der Mensch, der am häufigsten für den Oscar nominiert wurde (59 mal) und die meisten abgestaubt hat (26 Stück).

„Dumbo“ erzählt die etwas kürzer gehaltene Geschichte um den kleinen Elefanten „Jumbo Jr.“, wie er von seiner Mutter getauft wurde. Kurz nach seinem Erscheinen auf der Bildfläche muss er leider niesen, was seine Ohren auf eine überdimensionale Größe katapultiert. Daraufhin wird er zum Gespött unter Elefanten und Kindern. Bald erhält er den Schmähnamen „Dumbo“. Als sich Kinder über den kleinen Elefanten und seine Ohren amüsieren, rastet dessen Mutter aus und versohlt dem schuldigen Kind den Hintern. Zur Strafe wird sie in Einzelhaft gesteckt. Ihr Sohn Dumbo ist daraufhin extrem einsam, die erwachsenen Elefanten wollen nicht mal vom gleichen Heuballen fressen wie er. Sein einziger Freund ist ironischerweise eine kleine Maus – Timothy. Dieser hat Mitleid mit dem Babyelefanten und sorgt dafür, dass er zu einer Attraktion in seinem Zirkus wird. Es geht jedoch alles schief und schließlich muss sich Dumbo entwürdigt als Clown von hohen Häusern stürzen. Bis Timothy einer einzigartigen Fähigkeit auf die Spur kommt: Kann Dumbo fliegen?

Was mir sofort aufgefallen ist, ist, dass Dumbo nicht so richtig in das typische Disney-Storyschema passt. Es entsteht keine übertriebene Liebesgeschichte und es gibt keinen wirklichen, klar deklarierbaren Hauptfeind. Es gibt den ein oder anderen unsympathischen Charakter, man denke nur an die erwachsenen Elefanten. Aber niemand muss wirklich bekämpft werden, wie das so häufig in Disneyfilmen der Fall ist. Stattdessen konzentriert man sich eine Stunde lang komplett auf den armen, kleinen Elefanten Dumbo. Meiner Meinung nach gehört dieser zu den bemitleidenswertesten, süßesten und sympathischsten Charakteren, die Disney je hervorgebracht hat. Er spricht über den ganzen Film hinweg kein einziges Wort, er muss lediglich einmal niesen und hat später Schluckauf. Ich denke, dass kaum ein Charakter mehr Empathie von der Zuschauern erhaschen konnte, als der kleine Elefant. Er muss wirklich bis auf den Schluss permanent ertragen, wie er gehänselt und ausgelacht wird. Sein einziger Freund ist eine kleine Maus, seine Mutter ist fast über die gesamte Filmlänge eingesperrt. Eine solche Identifizierung mit dem Hauptcharakter ist natürlich ein Qualitätsmaß und sorgt dafür, dass man diesen Film nicht so schnell vergisst. Man möchte dem Kleinen am liebsten selber unter die Arme greifen und ihn knuddeln. Meine Lieblingsszene ist, als Timothy zu Dumbo sagt, er solle seinen Hut aufsetzen, bevor er seine Mutter besucht. Das bringt storytechnisch zwar kein Stück weiter, ist jedoch einer der ergreifendsten Momente der Disneygeschichte, vor allem, als dann „Baby mine“ gespielt wird, welches übrigens ebenfalls für einen Oscar als bester Filmsong nominiert wurde.

Dumbo gehört mit einer Laufzeit von gut 60 Minuten zu den kürzesten Werken von Disney. In der Originalversion ist er ein wenig länger, seltsamerweise wurde er jedoch gekürzt, um eine Altersfreigabe von 0 erhalten zu können. In Deutschland existiert keine Veröffentlichung, die ungeschnitten ist. Abgesehen davon wurde die Synchronisation der „Drogensequenz“ (welche übrigens die Fangemeinde spaltet) etwas abgeschwächt, damit sie nicht zu gruselig sein würde. All das finde ich schade, mindert aber nicht die Qualität dessen, was vom Original noch übrig ist.

Fazit: Dumbo gehört zweifellos zu den besten Filmen von Disney. Möglicherweise findet man hier den beliebtesten Hauptcharakter. Der Film passt nicht in das typische Disneyschema, da er keinen großen Widersacher beinhaltet und keine Liebesgeschichte aufgreift. Trotzdem kann der Film auch noch im 21ten Jahrhundert begeistern und ist für jede Generation ein Genuss. Einziger Punkt, den man vielleicht kritisieren kann, ist, dass ein paar Momente im Film einfach kein Stück voran bringen und deren Abstinenz nicht weiter auffallen würde. Aber ihr merkt, das muss ich mir aus den Fingern saugen. 10 Punkte. Euer
Don

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