Review

Wollt ihr den totalen Weihnachtsfilm - so ganz ohne Weihnachten, Kitsch und Trändrückerei? Dann seid ihr bei "Wir sind keine Engel" richtig.
Dieser vielerorten immer noch weitgehend unterschätzte sympathische kleine Film sorgt für mehr Weihnachtsstimmung, als tausend moderne Hollywoodprodukte. Angereichert mit feinem, trockenen Humor und jeder Menge Charakterkomik ist dieses theaterhafte Kammerspiel aus dem Jahr 1895 rund um drei Ausbrecher auf der Teufelsinsel, die für einen Ladenbesitzer halb gewollt, halb zufällig zur letzten Rettung werden, wunderbar ausgewogen und bis zum letzten ausgefeilt. Es gibt keine Brüller in diesem Film, doch witziger werden wir Humphrey Bogart wohl nie erleben.

Das einzige nötige Set für diese ironische Aufbereitung einer Weihnachtsengel/Drei-Weisen-Legende ist dann auch der Gemischtwarenladen, den Leo G.Carroll hier auf der Teufelsinsel mehr schlecht als recht führt. Hier tauchen die drei Sträflinge Bogart, Ustinov und Ray auf, nur um eine Belohnung zu kassieren und eventuell einen Raubzug zu starten und natürlich die Insassen umzubringen. Doch die Leute sind so nett und freundlich und dermaßen in kleinen und großen Nöten, daß die drei, ohne es richtig zu wollen, plötzlich mitten im Trubel stehen, den Plan natürlich immer im Hinterkopf.

Doch spätestens, wenn die drei ihren Gastgebern ein fantastisches Weihnachtsdinner kredenzen (Bogart: Wir werden verfahren, wie geplant. Wir schlagen ihnen die Schädel ein und schneiden ihnen die Kehlen durch. Aber erst machen wir den Abwasch.), wird die Umsetzung immer unwahrscheinlicher. Als dann auch noch der boshaft-geldgierige Bruder und der ebenso wenig gefällige Verlobte der Tochter ins Haus schneien, bemühen sich die drei nur noch um die Rettung der Hausbesitzer, die schließlich in zwei ungewollten Toten resultiert.

Michael Curtiz Regie ist so unauffällig wie meisterhaft. Die Komik bezieht sich aus den Differenzen zwischen den Sträflingen (Ich bin nur Betrüger, keine Sorge - die beiden sind Mörder) und den blitzsauber-unschuldigen Besitzern. Bogart, Ray und Ustinov kommentieren aus ihrer Sicht das Geschehen, um dann dauernd aus dem Stand einzugreifen, wann immer die Situation sie dazu zwingt. Bogart scheint sich zwar nicht recht wohl zu fühlen, da er nicht richtig aktiv werden kann, doch seine Dialoge sind außerordentlich geschliffen, wenn er mit verbrecherischer Nüchternheit und Höflichkeit vom Leder zieht. Ustinov gibt sich kindlich verspielt und zeigt sich selbst ob seiner Tat eher verlegen als brutal und Ray steht meistens knorrig-steif dabei, scheinbar geistig unbeweglich, doch immer mit dem richtigen Gedanken.

Dabei produziert das Skript so viele zur Situation passende One-Liner, um zwei weitere Filme damit zu füllen. Ferner gibt es wunderbare kleine Momente aus dem Theaterbereich, exate Auf- und Abgänge und alles fügt sich so passend zusammen, als hätten alle das Stück seit zwei Jahren gespielt. Meisterlich, wenn Ustinov Schlösser mit einem Anticken der Handkante öffnet (wobei immer ein blecherner Ausbeullaut ertönt), Bogart mit Freude an die Fälschung der Geschäftsbücher geht oder Ray immer dann mit seiner Statur beeindruckt, wenn man mal eben jemanden fünf Sekunden aufhalten muß. Dazu der feine Einfall mit Rays Schlange, die ungewollt Schicksal spielt, weil man auf die Sträflinge nicht hören will.

Natürlich ist das im Grunde bieder, doch so wunderbar trocken gespielt, daß einem in der Schlußszene, wenn die drei sich entscheiden, es im Gefängnis noch einmal zu versuchen und nicht die Insel verlassen, glatt die Tränen kommen können und dem Filmtitel widersprochen wird, indem bei allen dreien (und dann auch bei Adolf, der Schlange) ein Heiligenschein über dem Haupt erscheint.

"Wir sind keine Engel" ist ein klassischer Weihnachtsfilm, der den Kopf so richtig schön frei macht für den Geist des Festes. Und das ohne die altbekannten Attribute. (8/10)

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