Chan May Fung [ schlimmer Fall von Overacting: Brigitte Lin ] übergibt ihrem Mann Chan Kin Sang [ Tony Leung Kar – fai ] 500.000 HK Dollar, die sie allerdings nur mit der gefälschten Unterschrift ihres Vorgesetzten von der Bank bekommen hat und auch in einigen Tagen wiederbraucht; sonst fällt das Fehlen auf. Sang zahlt seine Spielschulden aus und versetzt auch das restliche Geld sofort; abends lügt er seine Frau deswegen an. So kurz vor der Pleite stehend versuchen sie Hilfe bei einem Verwandten in Thailand aufzutreiben, auf der Bootsrückfahrt täuscht Sang einen Selbstmordversuch vor und stösst stattdessen seine Frau von Bord. Doch diese überlebt und kehrt schwer verletzt nach HK zurück, wo Sang mittlerweile eine Glückssträhne hat...
Schon irgendwie erstaunlich, dass die HK Chinesen nicht nur kaum Thriller drehen, sondern auch wenn sie einmal die direkte Chance dazu bekommen, das Genre gleich voll verreisssen. Das Skript für eine direkte Anlehnung an die Schwarze Serie ist vorhanden, der Ausgangspunkt in der ersten halben Stunde auch angemessen umgesetzt, aber dann verliert man den richtigen Pfad. Begibt sich statt der Fortsetzung des Spannungsaufbaus rigoros auf die Aufzeichnung der Ideale einer bürgerlichen Ethik und macht mit seinem Depressionsdrang eigentlich alles falsch, was man nur falsch machen kann.
Damit ähnelt man zwar dem urspünglichen Verhalten seiner Heldin May, welche zu Beginn auch sehr viele Gefahren nicht sieht und prompt reintritt; wo diese aber später die Chance zu einer Änderung bekommt, bleibt der Film stur auf seinem ins Verderben führenden Weg.
Nun muss man Regisseur Sun Chung [ Human Lanterns, City War, Sexy Killer ] zwar bescheinigen, dass er das Interesse aufrecht erhalten kann, wie all seine Kollegen über wenig Erfahrung mit dem eigentlich initialisierten Stoff verfügt und sicherlich auch nur mit hehren Absichten an die Umsetzung ging. Aber seine Hauptpersonen tun dies auch und man sieht ja schnell, wozu ein unbesonnenes, vorschnelles und fehlgeleitetes Verhalten führt.
May fälscht in der Mittagspause Unterschriften ihres Firmenchefs und löst den Scheck nach einiger Übung auch ein; nicht ohne heftig in Schweissausbrüche zu geraten, das erhaltene Geld dem nächstbesten Polizisten vor Aufregung vor die Füsse zu schmeissen und kaum aus der Bank raus auch schon das hektische Weglaufen anzufangen.
Dass sie nicht geschnappt wird grenzt da schon an ein Wunder; dass sie ihrem Mann vertraut und überzeugt ist, den nur „geliehenen Kredit“ vor Ende des Monats und damit der Abrechnung wiederzubekommen auch.
Sind hier schon erste Brüche in der Handlungsführung zu registrieren, so wird es zugunsten eines höheren Tempos erstmal überspielt; anfangs geht alles sehr schnell, die Risse in der scheinbar heilen Welt platzen nacheinander auf und reissen Personen sowie den Zuschauer rasch in den Abgrund.
„Glück ohne Scheitern ist wie ein schlecht geschriebenes Gedicht." [ Douglas Sirk ]
So wie es im Nachhinein aussieht, steht May schon knietief im Schlamassel drin als sie Sang geheiratet hat. Dort hat sie sich nämlich komplett in dem Mann getäuscht, der später ihre Familie entzweibringt, ihr seine Spielsucht sowie die Schulden verheimlicht und sie zu seiner eigenen Rettung in den Abgrund stösst. Sie ausnutzt, belügt, betrügt und versucht sie zu töten.
Nun ist dieses Gespinst aus Verrat und Täuschung aber auch eines, indem man vielleicht nicht gleich blind hineintappen sollte; wie sie es macht. Es gab doch auch in der kurzen, hier präsentierten Zeit einige Situationen, die zumindest eine Nachfrage nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar für nötig gemacht hätten. Allein die Geldangelegenheit ist doch etwas, was man nur im höchsten Notfall überhaupt in Betracht ziehen sollte; ihr scheint aber allein die Bitte ihres Mannes schon auszureichen, sich selber und ihre gesamte Existenz mit einem kriminellen Verhalten in Gefahr zu bringen. Es ist doch klar, dass es bei der monatlichen Abrechnung auffällt; nicht nur wenn es dann gar nicht mehr vorhanden ist, sondern allein durch die Kontoaktivitäten. Und ihrem Mann am Ende des Tages abzunehmen, dass er die riesige Summe auf einen Schlag durch Aktiengeschäfte verloren hat, ist wohl auch ein dickes Ei.
Sowohl in dem Ausgangsbereich der narrativen Prämisse als auch der Figurenzeichnung wird also keinerlei sorgfältige Überlegung hinsichtlich etwaiger Wahrscheinlichkeiten gemacht; dieses Manko fällt später noch viel mehr auf. Nachdem man May und uns den Boden der scheinbar heilen Welt unter den Füssen weggezogen hat, baut man eine zweite Identität auf; für die Personen und auch für den Film selber. Dieser wandelt sich nämlich nicht zu einer Rachegeschichte um, oder einem film noir oder einem Drama. Sondern in ein Melodrama, eine griechische Tragödie fast, wenn nicht gar pure christliche Morallehre in strikter Schwarzweissmalerei.
Alles wird viel zu sehr vereinfacht, zu sehr kategorisiert und mit Klischees zugekleistert; das ist nicht attraktiv, sondern zu anspruchslos, zu unplausibel und damit auch abstossend konventionell:
Hier die arme Frau, die alles verliert und sich wieder aufrappelt. Die nach dem Mordversuch nicht reden kann, um ihr Leid und das Ungerecht zu beklagen und nur zutiefst schmerzende Töne in den Himmel seufzt. Die zwischenzeitlich natürlich im Gesicht entstellt ist und sich erst wieder unter ihre Angehörigen traut, als sie sich einer Schönheitsoperation unterzogen hat. Wofür wahre Freunde ihr letztes Hab und Gut hergegeben haben.
Dort der böse Typ, der für Erfolg über Leichen geht, weder gegenüber Älteren noch Jüngeren zu irgendetwas Nettem in der Lage ist und sich sowieso nur aufopfert, wenn eine Belohnung winkt.
Protagonist und Antagonist sind so zwar beide gleich flach, unterscheiden sich aber sonst klar abgegrenzt wie Yin und Yang; bei May ist abgesehen von der Klugheit die Tugend von Gott in die Seele eingegossen und Sang watet allegorisch dazu im Laster: Da gibt es seine Spielsucht, sein krankhaftes Erfolgsstreben, einige der Sieben Todsünden [ Hochmut, Neid, Zorn ] sowie Feigheit, Ungerechtigkeit, Unbeständigkeit und Zwietracht. Anfangs kann man einiges an seinem Verhalten vielleicht noch verstehen, beileibe nicht rechtfertigen, aber zumindest nachvollziehen. Er ist der, der sich selber an die Wand gedrängt hat und nun die Quittung dafür bekommt. Man versteht auch das Gefühl seines Versagens, welches ihn neben der Gier nach Anerkennung und Respekt hauptsächlich antreibt und man empfindet auch genauso wie er, dass er sich gar nicht wohl in der Haut seines Lebens fühlt. Aber anstatt um Hilfe zu bitten und seinen durchaus vorhandenen Arbeitseifer eine richtige Plattform zu schaffen, nimmt er aber alles selber in die Hand und botet andere dabei aus. Spielt nicht mit offenen Karten, versucht nicht erst alles legal Mögliche, sondern gleich heimlich und heimtückisch auf Kosten seiner ihn Liebenden. Wodurch er auch seinen Rest an Identifikation verliert; viel zu schnell muss man ihn nur noch hassen statt ihm wenigstens etwas den späteren Erfolg zu gönnen. Genauso wie man viel zu schnell nur noch Mitleid mit May haben kann, statt ihr Gerechtigkeit zu wünschen und sich in sie hineinversetzen zu können.
Verklärung erfolgt dann auch bei den Nebenfiguren; vor allem Grossvater Leung [ fürchterlich weichlich: Shek Kin ] bekommt ebenso seine Opfermütze zugestanden wie der Spross Ming [ fürchterlich nervig: Gregory Lee ], die sich gegen bösen Dinge zumeist mit Tränen wehren. Demzufolge wird in der zweiten Hälfte von Kind und Opa zuhauf geweint; Patentante Shanny [ fürchterlich edel: Mak Git – Man ] beteiligt sich nach besten Kräften daran. Der Film bleibt nicht mehr spannend wie noch vorher, sondern zumeist zugleich depressiv - schwermütig und plump; wobei durch sehr fadenscheinige Zufälle noch mehr Melancholie und Trübsal eingebracht wird. So muss bei Leungs Gefühlsausbruch in Sangs Firma unbedingt ein unerfahrener Polizist anwesend sein, der nicht nur die Lage „Rentner mit Brieföffner“ überhaupt nicht im Griff hat, sondern auch noch stolpert, sich dabei ein Schuss löst, Leung vor Schreck auch noch stolpert und die erstbeste Treppe hinunterstürzt. Dergleichen passiert sehr oft; es wäre fast lustig, wenn es nicht so traurig wäre und durch das Kleiden in Schwermut selbst das Lachen vergeht.
Was man mit einer anderen Gangart hätte erreichen können, sieht man dann ausgerechnet in den ganz wenigen, kurzen Actionszenen, die allesamt sehr vielversprechend aussehen und Lust auf Mehr machen. Aber man musste ja unbedingt alles in riesige, vermeintlich bewegende Emotionen, unerträgliche Schicksale und gute, leidende, tapfere Menschen auf der einen Seite und Unholde auf der anderen auflösen. Nicht nur die aufgezeigte Welt ist ungerecht; dass der Film seine Möglichkeiten dahingehend vergeudet auch.