Review

Nach dem eher schwachen, und viel zu stereotypen TV-Special „Secret Service“ wird mit dem darauf folgenden City Hunter Abenteuer auf einer ganz anderen Schiene gefahren.
So viel Abwechslung muss sein.
Die Markenzeichen des Ryo Saeba bleiben zwar alle enthalten, doch nun findet das ganze in weitaus bedrohlicherer Atmosphäre statt, der Zeichenstil wurde dem Trend der späten 90er angepasst, und action-technisch wurde hier nun auch völlig umgekrempelt.

Für meine damaligen Erwartungen war das etwas zu viel Innovation, doch im Nachhinein entpuppt sich „The Motion Picture“ (oder auch Goodbye my Sweetheart) zusammen mit „.357 Magnum“ als bester City Hunter Streifen, und gehört damit auch zu den besten Animes des Genres.

Der Ausgangspunkt der Story darf dabei noch als klassisch bezeichnet werden, denn einmal mehr wendet sich eine hübsche (und prominente) Dame names Amy Makaze an Ryo und Kaori, damit die beiden ihren lang vermissten Bruder ausfindig machen.
Zur selben Zeit taucht ein mysteriöser, vom Interpol gesuchter Kriegsveteran auf, der mit der japanischen Regierung noch eine Rechnung offen hat.
Als er einem Bombenexperten und einem Mörder die Flucht ermöglicht, und droht das Stadtviertel Shinjuku in die Luft zu jagen, wenn ihm von der Regierung nicht eine Geldsumme von astronomischen Ausmaßen gezahlt werde, waltet in Tokio Chaos, Panik und Verzweiflung.

Man muss nicht Sherlock Holmes sein, um zu erahnen, dass Amy's gesuchter Bruder genau dieser Terrorist, von allen „Professor“ genannt, ist; aber daraus will der Film auch gar kein Geheimnis machen.
Dafür haben es sich die Drehbuchautoren zur Aufgabe gemacht, diesen Bösewicht dem Zuschauer etwas näher zu bringen. Durch einige Flashbacks, von Amy erzählt, wird das jugendliche Leben von Muto beleuchtet, der trotz seines wohl habenen Lebens nicht glücklich werden konnte, und schließlich verschwand.
Vom Golfkrieg gezeichnet und von der japanischen Regierung betrogen, kehrt er zurück nach Japan um Rache zu nehmen.
Doch noch viel wichtiger für ihn ist es, sich mit dem City Hunter zu messen, von dem er während seiner Zeit in der Fremdenlegion ständig hörte.

Als Amy schließlich in einem Zug sitzt, in dem eine Bombe installiert wurde (welche mit 100 anderen Bomben durch ganz Shinjuku verteilt verlinkt wurde), deren Detonation durch das Ankommen am Shinjuku Bahnhof hervorgerufen wird, wird Ryo zum Teil des Spieles, und versucht die Stadt auf eigene Faust zu retten.

Dabei steht er natürlich der Tokioer Polizei im Weg, die ganz andere, moralisch fragwürdige Vorgehensweisen pflegt.
Hier wird „Goodbye my Sweetheart“ in gewisser weise gesellschaftskritisch, und beleuchtet die Tokioer Polizei von ihrer unschönen Seite, wenn sie in schierer Ausweglosigkeit plant 2 (Kaori und Amy) Menschenleben zu opfern, um Shinjuku auf der Landkarte zu erhalten.
Sie hätten gar Hundert der Zugpassagiere in Kauf genommen...
Mit solch zweifelhaften Versuchen die Stadt zu retten geben sich Ryo und Co natürlich nicht zufrieden und pfuschen der Polizei ins Handwerk.
Und das ist es woraus die Action im wesentlichen Besteht, eine Hetzjagd quer durch Tokio, bei der nach Wegen gesucht wird, um in den fahrenden Zug zu gelangen und mit allen Mitteln versucht wird Selbigen von der „falschen“ Bahn abzubringen.
Hier und dort werden Anschläge verübt, um Rettungs/-Aufklärungsversuche zu sabbotieren, Wägen fliegen in die Luft und Hubschrauber stürzen ab; zum einen herrscht Panik in Shinjuku, zum anderen stürmen die Menschen in blinder Habgier und Freude auf das von der Polizei überwachte Lösegeld zu.
Es herrscht das totale Chaos.

Das ist es, was „Goodbye my Sweetheart“ so einzigartig unter allen City Hunter Abenteuern macht; es bezieht die ganze Stadt Tokio mit ein, und zeigt die Bürger von ihrer habgierigen Seite.

In anderen CH Filmen/Episoden läuft alles immer darauf hinaus, dass Ryo und Umibozu ein abgeschlossenes Areal, wie eine Villa, ein großes Schiff, oder eine Lagerhalle voll mit schießwütigen Gangstern stürmen, und dort dominant die Waffen sprechen lassen, wie man es aus John Woo Filmen kennt, doch hier erinnert das ganze eben viel mehr an Filme wie Stirb Langsam 3 oder Speed.

Das ist eine wirklich erfrischende Abwechslung, zumal es Ryo ohnehin mit nur 3 Bösewichtern zu tun hat, da ist eben für ausgiebige Ballerorgien kein Platz.
Und trotzdem macht die Action Spaß.
Wenn erstmal der Zug startet, bleibt es durchgehend spannend, denn der Weg bis zu den Credits bleibt von da an weitestgehend unvorhersehbar, und gespickt mit einigen netten Überraschungen und Twists.
Hervorgehoben werden muss hier natürlich Ryo's Idee zur Entschärfung der Bombe, sowas pervers geiles hat man vorher noch nicht gesehen.
Vor allem aber ist es auch die Rivalität zwischen Ryo und Muto, die für ordentlich Spannung sorgt. Das liegt daran, dass Professor Muto einen ziemlich coolen Bösewicht markiert.
Er hat verdammt viel Profil, weitaus mehr als all die anderen, vor Klischees triefenden City Hunter Bösewichte.
Er gehört zu der Sorte Bad Guy, der trotz seiner gewissenlosen Taten, Sympathien auf sich zieht.
Wie die Flashbacks zeigen, war er in seiner Jugend er ein ewig verschlossener Charakter, der sich seiner Familie gegenüber kalt und zurückweisend verhielt, dafür aber bevorzugt mit schwarzen Rosen sprach und mit ihnen über das Leben philosophierte.
Obwohl innerlich von Rachegelüsten zerfressen, erweist er sich als charmanter und verbal immer einen angenehmen Ton treffender Gentleman.
Das liegt sicherlich auch an dem großartigen Synchronsprecher „Gary Dehan“ (US-Sprachfassung), der dieser Figur so richtig Leben ein haucht, und durch seine kraftvollen, kriegsphilosophischen Ansprachen auch mal eine Gänsehaut erzeugen kann.
Ich mag diese Figur, sie ist alles andere als einfach nur ein böser Bad Guy.

Mit solch einer coolen Sau durfte sich Ryo bisher noch nicht messen, das macht dann auch das Finale in meinen Augen so großartig.
Hier ist Ryo mal nicht der unbezwingbare, jedem Gegner um Lichtjahre voraus seiende Revolverheld. Er ist verletzbar und muss hier oft auf unverschämtes Glück zurückgreifen.
Die Szenerie in Abenddämmerung getaucht gibt die optimale Voraussetzung für die dichte Atmosphäre, die aufkommen soll, als sich die beiden unter einem melancholischen Klavier-Solo beschießen, und im Anschluss einen kurzen, aber knackigen, jede Martial Arts entbehrenden Kampf abhalten. Die instrumentale Begleitung dabei ist grandios, auch nach dem 20sten mal Sehen bekomme ich da noch eine Gänsehaut.

Stellenweise aber wird die gute Atmosphäre verdorben durch die franchise bedingten Slapstick Einlagen.
Ohne diese wäre City Hunter einfach nicht City Hunter.
Ryo Saeba bleibt weiterhin ein Sittenstrolch und Womanizer, der auch keinen Versuch aus lässt der aktuellen Klientin an die Wäsche zu gehen.
Anfangs noch von ihrer Rolle als „Mann“ in einem Theaterstück kaltgelassen, geht er auch schon bald in die Offensive und grabscht und spannt ungeniert; ganz zum Ärger von Kaori, die mal wieder ihre überdimensional großen 50-100 Tonnen Hammer schwingt, und damit Ryo eine über die Rübe brät.
Solche Einlagen finden sich immer wieder im Film.
Oft sind sie ganz gelungen, da sie sich so plötzlich und ohne Vorwarnung von einer auf die nächste Szene ergeben und dadurch eben besonders komisch wirken, an anderen Stellen jedoch, wenn es seriöser wird, der Ernst der Lage erkannt wird, und die musikalische Begleitung entsprechend mitspielt, wirken solche Scherze weniger gelungen, und irgendwann auch schon recht ausgelutscht.

Doch sind die Slapstick-Passagen den ernsteren Szenen gewichen, vergisst man diese auch schnell wieder. Der erwachsenere Zeichenstil und der grandiose Score, mal angenehm ruhig, stellenweise etwas bedrohlich und dann wieder sehr aufdringlich, tragen sehr zur Atmosphäre bei.

Und diese Atmosphäre die dabei herausgekommen ist, lässt mich schließlich auch über alle Mankos hinweg sehen.
Die Animationen sind manchmal schon ziemlich dürftig, da, wenn Menschenmassen gezeigt werden, alle in Freeze Frames verharren; sehr lebendig wirken diese Szenen jedenfalls nicht.
Auch hätte man den 90min Film ruhig an der 100min- Grenze kratzen lassen können, um einige kleinere Plotlöcher (woher nimmt Muto den Hubschrauber, warum wird keine einzige der 100 Bomben gezeigt?) zu stopfen.
Das hätte dem Film seine Ecken und Kanten geschliffen, aber trotzdem möchte ich ihm nicht seine 10/10 verwehren.
Die Comedy macht größtenteils Laune (wenn sie mal nicht eine ernste Szene verdirbt), der Score ist großartig, die Atmosphäre klasse, die Action macht Laune, Ryo ist ein cooler Held wie eh und je, und sein Gegenspieler stellt einen der memorabelsten Bösewichter überhaupt dar.
Mit einer etwas aufwendigeren Inszenierung würde ich den Film ganz großes Anime-Blockbuster Kino (wie Cowboy Bebop – The Movie) nennen, bleibt für mich aber nach wie vor ein sehr empfehlenswerter Geheimtipp!

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