Review

Die Kritik beruht auf der ungeschnittenen DVD-Veröffentlichung des Labels Rape Entertainment!

Der Schocker "Muttertag" von Charles Kaufman zählt zu den Klassikern des 80er-Jahre-Terrorkinos, dessen kompromisslose Härte und Brutalität zu jener Zeit für Aufsehen sorgte, nach heutigen Massstäben allerdings weniger grausam und niederschmetternd erscheint. Damals reichte das inszenierte Szenario um eine Hinterwäldler-Familie mit Hang zu sadistischen Quälereien noch aus, um in der TV-Dokumentation "Mama, Papa, Zombie" seine mehr oder weniger berechtigte Erwähnung zu finden, heute wirkt "Muttertag" trotz seiner Intensität eher harmlos, vergleicht man ihn mit Machwerken wie "Grotesque" oder Mainstream wie "Saw" oder "Hostel", in denen die Zuschauer an die Grenzen des Zumutbaren und Erträglichen getrieben werden.

Und dennoch schafft es "Muttertag" nach 30 Jahren noch immer, alte und neue Fans des Kultklassikers zu begeistern, was vor allem an einer intelligenten Umsetzung des Stoffes liegt.
Sieht man von dem knapp bemessenen Budget und infolge dessen von den preisgünstigen und sparsam eingesetzten Effekten einmal ab, bietet Charles Kaufmans Rape & Revenge-Movie mehr als nur die üblichen Terror-Klischees.

Nach einer kurzen Einführung, in der die erste Aktion der irren Hinterwäldler samt ihrer wahnsinnigen Mutter dem Zuschauer einen Vorgeschmack auf das bietet, was später noch folgen wird, nimmt sich der Regisseur genau die Zeit, die er benötigt, um die drei Protagonistinnen angemessen in die Handlung einzuführen.
Kaufman verleiht ihren Charakteren Tiefe und Glaubwürdigkeit, und präsentiert dem Zuschauer somit Identitätsfiguren, jede einzelne von ihnen mit einem anderen Schicksal und Lebenslauf behaftet, und bewirkt, dass die drei Frauen nicht in das obligatorische und klischeehafte Opfer- und Rächer-Schemata gepresst werden.
Die Frau, die Zeit ihres Lebens nur Pech hatte und von ihren Liebhabern nur ausgebeutet wurde, ist das Opfer, das von den beiden anderen Frauen im Finale des Films gerächt wird.
Und es ist die Frau, die unter ihrer kranken Mutter zu leiden hatte und von ihr tyrannisiert wurde, die im Augenblick der Rache all den aufgestauten Frust von sich abwirft und "Mom" sinnbildlich für ihre eigene Mutter das Maul stopft.
Wer sich also nicht nur der Effekte wegen "Muttertag" anschaut wird hinter all den Brutalitäten, die der Film zeigt, auch eine Charakterstudie entdecken, die in dieser Form kaum ein anderer Genre-Beitrag dieser Dekade zu bieten hatte.

Vor allem kann "Muttertag" dadurch überzeugen, dass er dem Zuschauer zwei gegensätzliche Welten zeigt: zum einen fängt er das typische Lebensgefühl der 80er Jahre ein, in dem wilde Parties, Kokain und Joints und ein freies Lebensgefühl die Zeit bestimmten, zeigt aber gleichzeitig auch das "2-Klassen-Systhem" der Großstadt auf, in dem es auf der einen Seite das dekadente Volk der Schönen und Reichen gibt und auf der anderen Seite der kleine Mann von nebenan - hier verkörpert durch den angetrunkenen Penner, der Rockefellers Wohlstand kritisiert. In diese heile Welt, in der auch die zwei vom Schicksal arg gebeutelten Freundinnen doch noch so etwas wie Lebensfreude fühlen, bricht der Wahnsinn einer fernab der Großstadt lebenden Familie ein, in der der Irrsinn und raue Sitten herrschen.

"Muttertag" ist und bleibt natürlich ein Rape & Revenge-Movie und so werden diese Themen auch nur leicht angekratzt, aber sie wurden berücksichtigt und verleihen dem rauhen Werk etwas Tiefe, die von der Intensität der Bedrohung durch die Rednecks gebrochen wird und sich auf ein dramatisches Finale bewegt.

Im Gegensatz zu "The Last House On The Left" hält sich der Film allerdings sehr zurück. Die obligatorische Vergewaltigung darf  nicht fehlen, doch ist sie weniger voyeuristisch und weniger brutal dargestellt als man es von anderen Werken dieses Genre gewohnt ist. Auch der Rachefeldzug der beiden überlebenden Freundinnen gestaltet sich weit weniger blutig als man es sich angesichts der Hexenverfolgung durch hiesige Zensurbehörden oder eingangs erwähnter TV-Dokumentation erwartet hätte. Der einzige wirklich explizit dargestellte Splattereffekt ist die Köpfung eines Trampers ganz zu Anfang, ansonsten setzt Kaufman mehr auf Schocks und Spannung.

Insgesamt gesehen ist "Muttertag" unangefochten der Klassiker des Genre, der ohne eingestreute Komikelemente wie beispielsweise bei "The Last House On The Left" auskommt und mehr durch Spannung überzeugen kann als durch ausufernde Splattereffekte. Der Film bietet Terror, der obwohl sparsam und mehr auf die zweite Hälfte dosiert, vor allem aber auch durch seine Erzählweise und den sorgfältig gezeichneten Charakteren, für Unterhaltung ohne unnötige Längen sorgt.
Charles Kaufmans Film zählt für mich nach Sichtung von "The Last House" oder "Ich spuk auf Dein Grab" zum besten, was das US-Rape & Revenge-Genre zu dieser Zeit zu bieten hatte!

Details
Ähnliche Filme