Achtung, meine Kritik enthält Spoiler!
„Der Kuss des Vampir(s)“, einer der früheren Vampirfilme der britischen „Hammer Film Productions“, muss ohne große Namen für die Hauptrollen und mit dem seinerzeit im Horrorbereich unerfahrenen Regisseur Don Sharp auskommen, der diesen eigenständigen, also von der hammer’schen Dracula- und Karnstein-Reihe losgelösten Film 1963 inszenierte. Sein Film beginnt vielversprechend mit einem sehr atmosphärischen, harten Prolog, in dem man bereits Gewalt, Blut und einen Make-Up-Effekt serviert bekommt. Das soll es dann aber leider auch schon für längere Zeit diesbzgl. gewesen sein, denn die einerseits sehr vorhersehbare und überraschungarme, andererseits aber auch seltsame Handlung um eine sehr kultivierte Vampirfamilie, die höheren gesellschaftlichen Kreisen angehört, den schönen Künsten nachgeht und sich auch bei Tageslicht vor der Tür herumtreiben kann, ohne zu Staub zu zerfallen, fiel sehr langatmig und trotz subgenretypischer sexueller Assoziationen bieder, ja fast schon spießig aus – obwohl sich das junge Ehepaar bereits sehr frühzeitig in ihren Händen befindet und somit viel Raum für spannende Konfliktsituationen gewesen wäre. Wären die Charaktere von irgendeiner besonderen, facettenreicheren Natur, wäre es bestimmt interessant gewesen, diese näher kennenzulernen - so aber wartet man sehnsüchtig auf ein baldiges Ende der hochgestochenen Dialoge und endlich ein wenig Vampiraction. Die Begegnung Mariannes mit dem blutsaugenden Familienoberhaupt Dr. Ravna in seiner Eigenschaft als Vampir gegen Mitte des Films ist sodann auch als sehr gelungen zu bezeichnen: Die Atmosphäre ist angespannt, ein Knistern liegt in der Luft, Noel William überzeugt als Obervampir auch ohne aufwändige Maske. Nach dieser gelungenen Szene muss man in Sachen Spannung und Dramaturgie aber wieder einige Abstriche machen, konzentriert sich am besten auf die wieder einmal prächtige Ausstattung der Kulissen und erfreut sich an den hübsch anzusehenden jungen Schauspielerinnen. Auf dem Weg zum Finale schlägt das Drehbuch noch ein paar Purzelbäume und macht Dr. Ravna zum Führer einer ganzen Vampirsekte und den leider die Spielzeit über etwas blass bleibenden Vampirjäger und gebrochenen Mann Professor Zimmer zum Teufelsanbeter, der mit des Beelzebubs Hilfe (!) ausgerechnet eine Armada Fledermäuse (!!) auf die vampiristische Brut hetzt... nun gut. Das Finale im Hitchcock-Stil ist jedenfalls schön anzusehen und in die Geschichte kann man, wenn man denn möchte, eine Warnung vor oberflächlich perfekt und geschickt auftretenden, manipulativen Blendern hineininterpretieren, die trotz offensichtlich gesellschaftlicher Akzeptanz Böses im Schilde führen. „Der Kuss des Vampirs“ ist ein durchwachsenes Gothic-Vampir-Horror-Vergnügen, das in seiner zurückhaltenden Art hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, mit der Summe seiner Stärken dem genreinteressierten Zuschauer aber dennoch ein überdurchschnittliches Filmerlebnis anzubieten vermag.